Operation Mörderischer Auftrag: 7 Action Thriller in einem Band. Alfred Bekker
die Decke.
"Sie sind ziemlich früh", meinte Sergeant Willis. "Eigentlich hatten wir die Homicide Squad unseres Reviers erwartet..."
"Die kommt sicher noch", meinte ich.
"Was habt ihr G-men denn mit dem Fall zu tun?"
"Wir vermuten, dass dieser Mord mit dem Überfall auf den Transporter zu tun hat, bei dem die Dollar-Druckplatten erbeutet wurden", erläuterte Milo.
"Ich habe davon gehört", sagte der Sergeant.
Ich deutete auf den Toten.
"Zwei präzise Schüsse."
"Ja, sieht nach einem Profi aus. Jedenfalls hat hier niemand etwas gehört. Wenn der Gerichtsmediziner kommt, wissen wir vielleicht genaueres über die Todesursache."
Ich ließ den Blick durch den Raum schweifen. Die Einrichtung war von moderner Sachlichkeit. Fast konnte man sie unpersönlich nennen.
Milo deutete indessen auf die Pistole, die neben dem Toten auf dem Bett lag.
"Die Tatwaffe?"
"Wissen wir nicht. Am besten, wir lassen sie liegen, bis die Spurensicherer da sind..."
Ich fragte in gedämpftem Tonfall. "Wer ist die Frau, da draußen?"
"Miss Carol Reilly."
"Miss?", vergewisserte ich mich.
Sergeant Willis nickte. "Sie ist die Schwester des Toten - nicht seine Ehefrau."
"Hat Miss Reilly ihn gefunden?"
"Ja."
"Ich werde mich mal ein bisschen um sie kümmern..."
*
"Mein Name ist Jesse Trevellian, ich bin Special Agent des FBI", sagte ich, als ich mich ihr gegenübersetzt hatte. Von meinem Dienstausweis nahm sie überhaupt keine Notiz. Sie sah mich nicht an. Tränen glitzerten in ihren Augen.
"Sie haben einen Schlüssel für diese Wohnung?", fragte ich dann.
Ein Ruck ging durch ihren zierlich wirkenden Körper. So als hätte ich sie jetzt aus ihrer inneren Welt herausgerissen.
"Ja, ich habe einen Schlüssel. Wissen Sie, ich studiere in Albany, aber wenn ich in New York bin, dann kann ich jederzeit bei meinem Bruder übernachten. Manchmal war ich wochenlang hier..." Sie seufzte. "Ich spreche immer noch in der Gegenwart von ihm. So als wäre er noch da...", fiel ihr dann auf. "Wissen Sie, ich kann einfach noch nicht begreifen, was geschehen ist."
"Das verstehe ich."
"Bestimmt fragen Sie mich jetzt danach, ob er irgendwelche Feinde hatte."
"Und?", fragte ich. "Hatte Ihr Bruder Feinde?"
"Nein, nicht, dass ich wüsste. Er war ein sehr sanfter, eher schüchterner Mensch, der Auseinandersetzungen lieber aus dem Weg ging. Das einzige, was ihn wirklich interessierte waren Computer. Er war auf dem Gebiet ein Top-Mann!"
"Bei McGordon Inc. hat er es ja auch schön weit gebracht."
Sie sah mich erstaunt an. "Sie wissen, wo Nathan gearbeitet hat?"
"Ja."
"Aber..."
"Miss Reilly, wir vermuten, dass der Tod Ihres Bruders mit dem Überfall auf einen McGordon-Transporter zu tun hat..."
"Sie meinen, das mit den Druckplatten? Meine Güte, das Fernsehen und die Zeitungen sind voll davon."
"Genau das nehme ich", bestätigte ich.
"Ich wusste nicht, dass diese Sache mit der Firma meines Bruders zusammenhängt."
"Die Gangster wussten genau, wann was transportiert werden würde. Sie waren über alle firmeninternen Einzelheiten informiert. Und Ihr Bruder hat herausgefunden, dass ganz offensichtlich Fremde Zugang zur Firmen-EDV hatten."
"...und jetzt ist er tot", vollendete Carol Reilly.
"Verstehen Sie jetzt meinen Gedankengang?"
"Deshalb kümmert sich das FBI um die Sache - und nicht die normale Mordkommission. Ich habe mich schon gewundert, als Sie mir gerade Ihren Ausweis zeigten. Aber irgendwie war ich einen Moment lang etwas weggetreten..." Sie zuckte die Achseln. "Es hat eine Weile gedauert, bis bei mir der Groschen gefallen ist."
"Haben Sie in letzter Zeit irgendeine Veränderung an Ihrem Bruder und seinen Lebensverhältnissen festgestellt? Irgend etwas, das Ihnen aufgefallen ist.."
"Sie glauben, dass Nathan mit diesen Gangstern unter einer Decke steckte?"
Empörung klang in ihrem Tonfall mit. Ich bemerkte deutlich die Reserviertheit, die sie plötzlich erfüllte.
Ich schüttelte den Kopf.
"Nein, das muss nicht unbedingt sein."
"Aber Sie schließen es nicht aus."
"Nun..."
"Ich halte das für völlig ausgeschlossen, Mr. Trevellian! Das hätte Nathan niemals getan! Dafür kenne ich meinen Bruder gut genug..."
"Miss Reilly..."
"Ich glaube das einfach nicht!"
"Noch wissen wir nichts Bestimmtes, Miss Reilly. Aber sehr wahrscheinlich hat jemand die Passwörter verraten und Ihr Bruder war einer der wenigen in Frage kommenden Personen.
Miss Reilly, womöglich wurde er dazu gezwungen und mit irgend etwas unter Druck gesetzt..."
"Am Ende werden Sie noch behaupten, dass er sich die Pistole selbst an die Stirn gesetzt hat!"
"Nein, das behauptet niemand, Miss Reilly." Eine Pause entstand. Sie strich sich mit einer fahrigen Geste das Haar zurück. Einen gewissen Schock über das, was geschehen war, musste man ihr zugutehalten. Aber andererseits wuchs die Chance des Killers von Augenblick zu Augenblick, der ungenutzt verstrich. Also konnte ich nicht lockerlassen. Beim besten Willen nicht.
"Ich denke, Sie wollen, dass die Mörder Ihres Bruders gefasst werden", sagte ich.
"Natürlich will ich das."
"Dann haben wir dasselbe Ziel, Miss Reilly. Auch wenn es Ihnen jetzt schwerfällt, denken Sie nochmal über das, was ich Ihnen gesagt habe, nach."
Sie atmete tief durch.
Ihr Blick war jetzt wieder so in sich gekehrt wie zu Anfang. Dann öffnete sie halb den Mund, ohne das ein Laut über ihre Lippen kam.
"Nun?", fragte ich.
"Sie sprachen von Veränderungen in der letzten Zeit..."
"Ja."
"Es gab da eine. Deswegen hatten Nathan und ich uns auch etwas zerstritten. Eigentlich hatte ich nämlich vorgehabt, die kompletten Semesterferien hier in New York zu verbringen, aber... Naja, ich bin im Streit abgereist und wollte mich jetzt eigentlich mit ihm aussprechen."
"Worum ging es bei dem Streit?"
"Wissen Sie, Nathan ist unverheiratet gewesen und hatte eigentlich auch kaum Freunde oder Bekanntschaften. Außerdem ging er kaum raus, wenn Sie wissen, was ich meine."
"Ich denke schon", erwiderte ich.
"Keine Diskotheken, kein Ausgehen... Stattdessen surfte er lieber nächtelang im Internet. Computer waren sein ein und alles. Ein Verrückter, wenn Sie so wollen. Aber dann war da plötzlich diese Frau... Carla Raines. Sie hat ihn völlig unter Kontrolle gehabt. Typ: Leder-Vamp. Sie erinnerte mich vom Outfit her stark an die Art Frauen, die an der Bowery auf und ab gehen und gegenüber den Cops behaupten, dass Spazierengehen ja in New York noch nicht verboten ist - im Gegensatz zur Prostitution."
"Seit wann kannte er diese Carla Raines?"