Big Ideas. Das Film-Buch. John Farndon
auf der Straße steht, stürzt eine ganze Hausfront über ihm zusammen – die Fensteröffnung im oberen Stock ist die Rettung. Die Szene – höchst gefährlich umzusetzen – steht für Keatons Philosophie: »Stuntmänner ernten kein Gelächter.«
Keaton führte Stunts selber aus. Viele, wie dieser, als ein Gebäude in Wasser hat Balken auf ihn fällt, erforderten eine exakte Zeit- und Positionsplanung, um Gefahren zu vermeiden.
Ebenfalls sehenswert: Verflixte Gastfreundschaft (1923)
HAT GOTT DIR VERSPROCHEN, DASS DU IN DEN HIMMEL KOMMST?
DIE PASSION DER JUNGFRAU VON ORLÉANS / 1928
IM KONTEXT
GENRE
Historiendrama
REGIE
Carl Theodor Dreyer
DREHBUCH
Joseph Delteil, Carl Theodor Dreyer
STAR
Maria Falconetti
FRÜHER
1917 Falconetti spielt die Hauptrolle in La Comtesse de Somerive, dem ersten ihrer beiden Spielfilme.
SPÄTER
1932 Dreyer dreht mit dem Horrorfilm Vampyr seinen ersten Tonfilm.
1943 Dreyers Film Tag der Rache über eine Hexenverfolgung im 17. Jh. kehrt zum Thema Hexerei zurück.
1957 Otto Preminger verfilmt George Bernard Shaws Stück Die heilige Johanna mit Jean Seberg in ihrer ersten Filmrolle.
Die Geschichte der Johanna von Orléans wurde öfter verfilmt, zumeist als Abenteuer, in dem die Heldin im Frankreich des 15. Jh. eine Armee gegen englische Eindringlinge anführt. Der dänische Regisseur Carl Theodor Dreyer zog hingegen die Akten des Prozesses gegen Johanna heran, um eine intime, zermürbende Darstellung ihrer Verfolgung und Exekution durch die Kirche zu liefern.
Berichten zufolge war der Dreh ebenso hart und strapaziös wie das Leinwandgeschehen, insbesondere für Maria Falconetti als Johanna, deren Rolle eine Tortur war. Die Kamera des Regisseurs nah vor das Gesicht gehalten, wird ihre gequälte Mimik mit den verkniffenen Zügen der Kleriker kontrastiert– alle aus extremer Nähe gefilmt, ohne Make-up und in hartem Licht.
Während sich die Umstände für Johanna verschlechtern, bannt der Film den Zuschauer so lang als möglich im Inneren ihrer gequälten Welt. Selbst noch auf dem Scheiterhaufen konzentriert sich Dreyer unerbittlich auf Johanna statt auf die Versuche, diese zu retten. Der Regisseur sagte einst: »Nichts in der Welt lässt sich mit einem menschlichen Gesicht vergleichen.«
Die Gerichtsszene wurde in einem enorm teuren Nachbau des kirchlichen Gerichtssaals im Palast von Rouen gedreht, wo der historische Prozess stattgefunden hatte.
Ebenfalls sehenswert: Sonnenaufgang – Lied von zwei Menschen (1927)
ICH BIN VON KOPF BIS FUSS AUF LIEBE EINGESTELLT
DER BLAUE ENGEL / 1930
IM KONTEXT
GENRE
Melodram
REGIE
Josef von Sternberg
DREHBUCH
Carl Zuckmayer, Karl Vollmoeller, Robert Liebmann (Drehbuch); Heinrich Mann (Roman)
STARS
Marlene Dietrich, Emil Jannings
FRÜHER
1929 Von Sternbergs erster Tonfilm ist der US-Krimi Sie nannten ihn Thunderbolt.
SPÄTER
1930 Von Sternberg und Dietrich arbeiten bei der Hollywood-Romanze Marokko ein zweites Mal zusammen.
1932 Der vierte der sieben gemeinsamen Filme von Dietrich und Sternberg, Schanghai Express, wird ein Kassenschlager.
Marlene Dietrichs Lola Lola, die Tingeltangelsängerin aus Der blaue Engel, gehört zu den unvergesslichen Sirenen der Kinogeschichte. 1933 wurde der Film von den Nationalsozialisten verboten, doch Hitler, ein Fan von Dietrich, soll eine private Kopie besessen haben.
Moralische Botschaft
Lola drückt ihre Dekadenz und erotischen Ennui mit den Liedern aus, die die Dietrich berühmt machten: »Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt« wurde ihr Markenzeichen. Doch Josef von Sternbergs Film ist gleichzeitig eine Moralpredigt, die vor den Gefahren der fleischlichen Genüsse warnt: Er erzählt, wie der Gymnasialprofessor Immanuel Rath (Emil Jannings) in der Weimarer Republik seine Anstellung aufgibt und im Varieté »Der blaue Engel« der Sängerin Lola verfällt.
Professor Rath gerät in die Halbwelt des Showgeschäfts. Als Lola sich von ihm abwendet, endet er als Witzfigur: ohne Rückgrat, kraft- und machtlos, ein grotesker Schatten des Pedanten, der er früher war.
Professor Rath (Emil Jannings, rechts) wird in Lolas Truppe zum Clown herabgewürdigt. Als diese in seiner Heimatstadt gastiert, wird er zum Gespött des Publikums.
Ebenfalls sehenswert: Schanghai Express (1932)