Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker
Eine ganze Weile dauerte es, bis sie den Kamelzug hinter sich gelassen hatten.
„Bist du auch Nordmännern begegnet?“, fragte Arnulf an Uthman gerichtet und Fra Branaguorno schien erst einige Mühe zu haben, dem Führer verständlich zu machen, was er damit meinte.
„Männer mit hellen Bärten und Äxten? Ja, die gibt es hier. Sie kaufen Kamele. Aber wer sie ihnen nicht freiwillig und zu einem günstigen Preis gibt, dem nehmen sie sie einfach weg und erschlagen die Treiber!“, berichtete Uthman. Er schien auf die Nordmänner nicht gut zu sprechen zu sein. Er deutete auf Arnulf. „Du – siehst ähnlich aus wie sie“, übersetzte Fra Branaguorno dann seine Worte.
„Hast du von einem Mann gehört, den man Thorkild Eisenbringer nennt?“, wollte es Arnulf noch etwas genauer wissen.
„Ja. Alle fürchten ihn. Er ist ein Freund der Eisenleute und beide verlangen Abgaben dafür, dass wir hin und wieder ihr Gebiet durchwandern müssen.“ Während Fra Branaguorno noch Uthmans Worte übersetzte, machte dieser eine Bewegung mit der Hand, von der Arnulf zunächst nicht so ganz klar war, was sie bedeuten sollte. Er drehte sich dabei halb im Sattel herum. „Äxte immer blutig“, übersetzte der Mönch dann die Worte des Führers. „Bist du bekannt mit ihm?“
Arnulf nickte. „Er kennt meinen Namen und will mich umbringen. Ich hingegen bin ihm nie begegnet und habe auch nichts mit ihm zu schaffen.“
Fra Branaguorno hatte einige Mühe, bis er Uthman diese Worte so übersetzt hatte, dass man den Eindruck gewinnen konnte, dass er das Gesagte auch tatsächlich verstanden hatte. Uthman hob die Augenbrauen. „Wenn der Axtkrieger dich töten wollte, musst du ein guter Mensch sein“, war er überzeugt und sandte gleich darauf ein Stoßgebet purer Erleichterung zu seinem Gott.
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Drei Tage folgten sie Uthman durch das Labyrinth der Berge. Er führte sie einen Pass entlang, dessen Eingang sie vermutlich ohne Hilfe tatsächlich nicht gefunden hätten, so verborgen lag er zwischen den schroff aufragenden Felsmassiven und den abgrundtiefen Schluchten, die sich wie Kerben in einem Schnitzholz durch das unwegsame Land zogen.
Nachts kampierten sie an geschützten Stellen. Auf ein Feuer konnten sie nicht jedesmal verzichten. Dazu war es einfach zu kalt.
Ein paar Tage später zogen sie dann durch eine enge Schlucht, durch die ein schmaler Wasserlauf führte. Sie wollten gerade die Pferde tränken, als von mehreren Seiten Krieger wild brüllend die Hänge herabstürmten. Schon als die ersten Kriegsschreie ertönten, fuhr Uthman ein Pfeil durch den Hals, der ihn röchelnd aus dem Sattel rutschen ließ.
Innerhalb weniger Augenblicke waren sie von mindestens hundert Mann umgeben, alle gekleidet und bewaffnet nach Art der Nordmänner. Allerdings hatten manche von ihnen die Angewohnheit der Landesbewohner angenommen, sich Tücher um den Kopf zu schlingen, die sowohl gegen Kälte als auch gegen die Sonne zu schützen vermochten.
Arnulf riss sein Schwert hervor. Sein Pferd stellte sich wiehernd auf die Hinterbeine. Ein Pfeil, der andernfalls den Ritter unweigerlich getroffen hätte, fuhr nun dem Tier in den Leib. Mit einem markerschütternden Schrei, der nichts mehr mit jene Lauten gemein hatte, wie man sie normalerweise von Pferden gewohnt war, ging das Tier zu Boden. Arnulf rutschte aus dem Sattel. Ein Nordmann mit einer blutigen Axt in den Händen, stand über ihm. Die Axt sauste – dem Werkzeug eines Henkers gleich – nieder. Arnulf wich aus und während die Axt mit großer Wucht in den Boden fuhr, stieß Arnulf ihm das Schwert in den Leib.
Der Ritter rappelte sich auf, wirbelte herum und parierte sofort den Schwerthieb eines anderen Gegners, den er mit mehreren wuchtigen Streichen zurücktrieb.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie sein Knappe Gero sich verzweifelt gegen glich zwei Angreifer zur Wehr setzte. Stahl klirrte auf Stahl. Er taumelte unter der Wucht der Schläge zurück. Mit einem weiteren Hieb schlug ihm sein Gegner den Kopf von den Schultern.
Arnulf fühlt nun kalte Wut in sich aufsteigen. Er ließ eine Folge schneller Schläge auf seinen nächsten Gegner niederprasseln und traf ihn schließlich so heftig an der Seite, dass er in sich zusammensank.
Ein Dutzend Schritt entfernt sah er Fra Branaguorno regungslos am Flussufer liegen. Sein Kopf war an der linken Seite vollkommen rot. Das Blut ergoss sich ins Flusswasser.
„Ihr Hunde! Wehrlose Priester und halbe Kinder töten! Mehr könnt ihr nicht!“
Mehrere Gegner griffen ihn nun zugleich an. Arnulf wurde zurückgetrieben. Dann ertönte ein durchdringender Ruf.
„Ich will den Narren lebend!“, rief ein riesenhafter Mann mit einem rotstichigen Bart.
Von allen Seiten waren Schwerter und Speerspitzen auf Arnulf gerichtet. Außerdem mindestens drei gespannte Bögen.
Eine Gasse bildete sich für den rotbärtigen Mann.
„Gib auf, Arnulf von Ellingen!“, rief der Nordmann. „So heißt du doch, oder?“
„Und du musst Thorkild Eisenbringer sein!“, knurrte Arnulf zwischen den Zähnen hindurch.
„So ist es! Und nun überlege dir, ob du auch sterben willst, oder vielleicht nicht besser dein Schwert fallen lässt!“
Aber Arnulf dachte gar nicht daran. Er schwang seine Klinge, ließ sie durch die Luft kreisen und die Nordmänner wussten inzwischen gut genug, dass sie diesem sächsischen Ritter mit Vorsicht begegnen mussten.
„Na los, worauf wartest du!“, knurrte er den Bogenschützen an, der mit einer Pfeilspitze auf sein Gesicht zielte, aber wohl deshalb noch nicht die Sehne losgelassen hatte, weil er den Zorn seines Anführers fürchtete. „In Samarkand habt ihr mir einen gedungenen Mörder auf den Hals geschickt, der mich im Schlaf umbringen sollte – dagegen ist es immer noch ehrenhafter, was ihr jetzt versucht!“
„Wahrhaftig, er ist wirklich ein Sachse!“, meinte Thorkild. „Niemand sonst spricht so seltsam!“ Dröhnendes Gelächter folgte. „Und jetzt zur Seite mit euch!“, brüllte Thorkild, zog sein mächtiges Schwert und nahm den Griff mit beiden Händen. „Du willst den Kampf? Meinetwegen! Dann werde ich dir jetzt mal zeigen, wie das geht!“
Thorkild stürzte sich dem Schwert in der Hand auf Arnulf, der den Schlag parierte.
Mit ungeheurerer Wucht prallten die Klingen gegeneinander. Arnulf konnte den Schlag zur Seite ableiten lassen. Ein weiteres Mal kreuzten sich die Klingen. Mehrere mit voller Wucht geführte Hiebe ließen die Waffen gegeneinander prallen. Dann brach Arnulfs Klinge. Der Ritter aus Magdeburg spürte im nächsten Moment den kalten Stahl des gegnerischen Schwerts an seinem Hals.
„Genau das war es, was ich dir zeigen wollte, Sachse“, murmelte er.
Arnulf ließ das geborstene Schwert sinken und warf es auf den Boden.
„Warum bringst du es nicht zu Ende“, murmelte Arnulf.
„Das werde ich noch“, versprach Thorkild. „Darauf kannst du dich verlassen! Aber vorher werde ich noch aus dir herausholen, was genau die Absicht deines Herrn ist!“ Er wandte sich an seine Männer. „Bringt ihn ins Lager!“, rief er.
Arnulf wurde gepackt. Man bog ihm die Arme auf den Rücken und mit einem groben Hanfstrick wurden ihm die Hände zusammengebunden. Dann bekam er einen Stoß. „Vorwärts!“, rief einer der Nordmänner. Sie trieben Arnulf vor sich her.
Inzwischen machten sich mehrere der Nordmänner an den Satteltaschen zu schaffen, die sich noch auf dem Rücken des getöteten Pferdes befanden. Ein Lederbeutel mit Silbermünzen sorgte sofort für gute Stimmung. „Seht mal, was wir hier haben!“, rief jemand.
Dann herrschte plötzlich Schweigen, als ein stöhnender Laut erklang. Fra Branaguorno bewegte sich leicht.
Ein