Unschuldig angeklagt und verurteilt. George Kardinal Pell
nicht viel über das Leben nach dem Tod nachgedacht, aber inzwischen begonnen habe, beim betrachtenden Gebet das Buch der Offenbarung zu benutzen. Ich halte das noch immer für eine gute Idee und einen guten Grund, dasselbe zu tun. Ich habe keine Todesahnung, keineswegs, aber in meinem Alter kann es nicht schaden, sich vorzubereiten, auch wenn ich hoffe, dass es eine langfristige Vorbereitung ist!
Der heilige Apostel Johannes geht mit den meisten der sieben Kirchen, an die er schreibt, hart ins Gericht. Ich wäre gern wie die Gemeinde in Philadelphia, die das Gebot des Herrn gehalten und standhaft ausgeharrt hat, und nicht »tot« ist wie die Gemeinde in Sardes (Offb 3,1.10). Vielleicht passe ich nach Smyrna: »Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, um euch auf die Probe zu stellen, und ihr werdet in Bedrängnis sein, zehn Tage lang. Sei treu« (Offb 2,10).
Gott, unser Vater, ich danke dir für alle, die sich zwar unvollkommen, aber heroisch dafür eingesetzt haben, den Glauben in Australien zu begründen. Segne und belohne all die Söhne und Töchter des heiligen Patrick, die die Kirche in Victoria aufgebaut haben, und lass in Irland führende Kirchenmänner aufstehen, die sich der Entwicklung entgegenstemmen, den Verfall aufhalten und die Lage zumindest stabilisieren. Herr Jesus, gib ihnen gute Seminaristen und Priester und Ordensleute und lass mehr führende katholische Laien wie David Quinn3 hervortreten.
Montag, 18. März 2019
Mag sein, dass ich ein bisschen in die tägliche Routine abrutsche und an spirituellem Schwung verliere. Schwester Mary war noch nicht wieder da. Ich sollte darum bitten, dass sie mich besucht. Ich hätte gern ein Messbuch speziell für die Karwoche. Kein Problem mit meinem Pensum an täglichen Gebeten, obwohl das, wenn ich nachts nicht wach liege (also meistens) bedeutet, dass ich einen Rosenkranz weniger bete! Seltsamerweise gefallen mir meine Hofgänge nicht sonderlich, aber ich brauche die Bewegung, und der Rosenkranz ist beim Hin-und-her-Gehen eine wunderbare und wertvolle Hilfe genau wie das Trimm-dich-Fahrrad in Sydney.
Ich werde jeden Morgen gegen 6.00 Uhr geweckt und erhalte dann meine Medikamente (der arme Mann fluraufwärts, der wie verrückt geschrien hat, hat gerade aufgehört). Weil das Bett niedrig und der Betonboden rutschig ist, stelle ich den rechten Fuß beim Aufstehen in meinen Gefängnisturnschuh, damit ich genug Bodenhaftung habe. Bis 7.15 Uhr, wenn die Sirene heult, gehe ich wieder ins Bett (das Singen der muslimischen Gebete hat gerade angefangen). Ich bin überhaupt nicht sicher, welche Rolle der Islam in der Heilsgeschichte spielt, da es so viele gute Muslime gibt. Die Schlimmsten von ihnen gehören in eine andere Kategorie, wie Thomas von Aquin geglaubt hat.4
Das Frühstück kommt gegen 8.00 Uhr, nachdem ich mein Bett gemacht habe. Es ist wichtig, dass ich bei dieser Gelegenheit um meinen Rasierer und einen Spiegel bitte. Heute habe ich auch wieder meine Bitte um einen Besen wiederholt, der mir erneut versprochen wurde, aber nicht eintraf. Ich habe um ein anderes dieser mattgrünen, trainingsanzugähnlichen Gefängnisoberteile nachgefragt, denn das, was ich zurzeit trage, sieht langsam aus wie ein Dinner-Jackett, obwohl ich es reinige. Einige der Flecken sind zu hartnäckig.
Zweimal am Tag haben wir Anwesenheitsappell. Dann öffnen sie die kleine Klappe in der Zellentür und wir müssen unsere Hand darauflegen. Die Hauptmahlzeit ist gegen 11.00 Uhr und die letzte Mahlzeit des Tages um 15.30 Uhr. Diese Mahlzeit verschiebe ich, wenn sie kalt ist. Man bekommt Bananen, Äpfel und Orangen.
Ich habe ein besseres System für meine Essensreste, Pappteller, Plastikbesteck usw. entwickelt. Ich wickle alles in Zeitungspapier und stopfe es, bis abends der Müll eingesammelt wird, in die großen braunen Papiertüten, die man hier bekommt.
Zum Frühstück und gelegentlich auch zum Mittagessen am späten Vormittag sehe ich Sunrise auf Kanal 7, später die internationalen Nachrichten um 18.30 Uhr im SBS, oft gefolgt von einer Sendung in ABC oder SBS. Heute Abend habe ich eine weitere Episode über die Kennedys angesehen. Es ging um die Kubakrise. Ich wusste nicht – oder vielleicht habe ich es auch vergessen –, dass die USA damals als ein Quid pro quo5 ihre Raketen aus der Türkei abgezogen haben, auch wenn ich noch eine vage Erinnerung an irgendeinen Deal hatte. Ich frage mich, ob meine Sorensen- und meine Schlesinger-Biografie über JFK diesen Türkei-Deal erwähnen.6
Bobbie war mein Lieblings-Kennedy, ich bin ihm 1967 in Capitol Hill begegnet, als ich Priester an der neuen Kathedrale »Maria Königin« in Baltimore war. Johnnie Weigel7 war bei mir. Kennedy war ganz der charmante Irisch-Amerikaner und begegnete mir jungem australischem Priester mit Respekt. Als er erschossen wurde, habe ich gesagt, dass meine Liebe zu Amerika vorbei ist. Sie ist zwar wiedergekehrt, aber sie hat sich verändert.
Normalerweise dusche ich am späten Nachmittag, und kurz bevor ich zu Bett gehe, mache ich meinen Tagebucheintrag.
David war da, und wir haben eine schöne Stunde miteinander verbracht. Ich habe ihm gesagt, dass ich momentan nicht beabsichtige, überhaupt je nach Bendigo zu ziehen, und wir sind übereingekommen, dass wir nach der Berufungsverhandlung noch einmal über Margarets Testament sprechen wollen.
Heute Morgen hat Paul mir das Urteil des Berufungsgerichts zukommen lassen, das Tyrrell rehabilitiert hat. Ich habe es überflogen und fand die gründliche forensische Prüfung sämtlicher Beweisstücke sehr ermutigend.
Heute ist mein Brevier für die Fastenzeit angekommen, der Umschlag ist intakt. Es hat etwas gelitten – kein Wunder, ich benutze es seit mehr als 45 Jahren.
Ich habe meine Betrachtung zum Buch der Offenbarung an der Stelle fortgesetzt, an der das Lamm die sieben Siegel löst (Kap. 5–9). Erschreckender Inhalt, auch wenn wir sogar heute noch zum Beispiel in Syrien Kriege und Leiden von teuflischem Ausmaß erleben. Das Leben ist unweigerlich ein gewaltiger Kampf zwischen Gut und Böse, obwohl dieser Kampf in Australien, einer friedlichen englischsprachigen Demokratie, eher ruhig und oft unterschwelliger ausgetragen wird als in Gegenden wie Südamerika, Afrika und China. Christchurch ist eine furchtbare Ausnahme.
In Australien, wo die säkulare Minderheit sich vergrößert und zur zweitgrößten »Religionsgruppe« gleich nach den Katholiken entwickelt hat, führen die Bestrebungen, das Rechtswesen von jüdisch-christlichen Einflüssen zu befreien, dazu, dass die Auseinandersetzungen offener und erbitterter sind, und das wiederum führt zu antikatholischen Positionen. Tony Abbott8 hatte darunter zu leiden. Tief in meinem Inneren habe ich das Gefühl, dass auch in meinem juristischen Kampf mehr als nur ein Hauch des bösen Geistes am Werk ist.
Herr Jesus, schenke uns hier in Australien Führungspersönlichkeiten, die den öffentlichen Kampf für Liebe, Rechtschaffenheit und die natürliche Ordnung fortsetzen. Gib ihnen Weisheit, Urteilsvermögen und vor allem Mut, an dem es oft mangelt.
Dienstag, 19. März 2019
Heute war insofern ein ungewöhnlicher Tag in meinem ruhigen Gefängnisleben, als ich keinen einzigen Schritt aus meiner Zelle herausgetan habe. Irgendjemand hatte erwähnt, dass ich heute zum Arzt sollte, aber den ganzen Vormittag über geschah nichts. Als gegen 11.00 Uhr das Mittagessen kam, habe ich erwähnt, dass ich doch ganz gern meinen halbstündigen Hofgang machen würde, wenn sich das irgendwann einrichten ließe. Der Wachmann antwortete, dass es mir nicht erlaubt sei, nach draußen zu gehen, weil ich die Grippe hätte. Ich beklagte mich, dass das ungerecht sei, und er antwortete, dass der Chef von Trakt 8 mit mir sprechen würde.
(Unser wahnsinniger Freund schreit wieder.)
Ich fand das Ganze ein bisschen befremdlich, fühlte mich machtloser denn je und fragte mich sogar, ob ich wohl jemandem auf die Füße getreten sei.
Nach dem Mittagessen schrieb ich einen Zettel und bat darum, den Arzt und den Hauptwachtmeister sehen zu dürfen, weil ich wissen wollte, weshalb ich nicht trotz meiner Grippe allein im Hof hin und her gehen durfte. (Den Zettel schiebt man unter der Tür durch in den Flur.) Schließlich kam der Hauptwachtmeister. Er trug eine OP-Maske und blieb mit einem Abstand von einem Meter vor der Tür stehen. Immerhin war er so nett, mit mir gemeinsam über dieses Spektakel zu lachen. Ich schlug ihm vor, dass sie eine Klingel benutzen sollten, wenn ich mich dem Hof näherte, damit die Wärter Abstand halten könnten. Er war liebenswürdig, entschuldigte sich und versprach, dass er mit seinen Vorgesetzten sprechen werde, jedoch