Unschuldig angeklagt und verurteilt. George Kardinal Pell

Unschuldig angeklagt und verurteilt - George Kardinal Pell


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des JPII, der aus Westaustralien stammt und inzwischen am Christendom College in Front Royal im US-Bundesstaat Virginia lehrt, hat mir ebenfalls einen schönen Dankesbrief geschrieben.

      Anna Silvas, eine prominente Theologin aus Armidale in New South Wales, hat auch zur Feder gegriffen. Was mich betrifft, ist sie zu gütig, denn Gott muss sich manchmal auch mit einem mangelhaften Werkzeug zufriedengeben, aber sie legt einen »erhabenen« Glaubenskontext klar dar.

      »Heute habe ich viel an Kardinal Pell im Gefängnis – genauer gesagt in der Einzelhaft – gedacht. Unser Herr liebt ihn zu sehr, um ihm dies zu ersparen. Auch einem so heiligen Mann wie Johannes dem Täufer blieb die Haft in Herodes’ Kerker nicht erspart, und während er dort war, hat er meiner Meinung nach so etwas wie eine Dunkle Nacht durchlitten, die sein Herz bis in die letzten Fasern geprüft und ihn durch und durch geläutert hat. Das letzte Wort, das unser Herr vor seinem Tod an Johannes gerichtet hat, ist erschütternd: ›Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt‹. Deshalb glaube ich, dass Johannes auch im Leiden der Vorläufer unseres Herrn gewesen ist. Unser Herr hat in der ganzen psychischen Realität seiner menschlichen Natur Verlassenheit erduldet – Vernichtung, wie Johannes vom Kreuz es mit Bezug auf den lateinischen Text von Psalm 73 nennt. Das ist die erlauchte Gesellschaft, in der – ein Privileg! – Kardinal Pell sich nun aufhalten darf.«

       Gott, unser Vater, wir vereinen unsere Prüfungen und Anfechtungen mit dem Erlöserleiden deines Sohnes. Möge aus diesem Durcheinander irgendetwas – viel! – Gutes erwachsen, damit das Reich Gottes sich ausbreitet und immer mehr Menschen glauben, dass Gott gut zu ihnen (und zu uns) ist.

       Samstag, 23. März 2019

      Schwere Stürme letzte Nacht in Melbourne, vor allem in den östlichen Vorstädten, wo es auch Überschwemmungen gegeben hat. Ich habe den Regen durch mein getöntes, doppelt verglastes und vergittertes Fenster nicht einmal bemerkt. Die einzige Konsequenz für mich war, dass ich heute Morgen, als ich zum Hofgang aufgefordert wurde, beschloss, diesen lieber auf den Nachmittag zu verlegen, weil es noch regnete und die jüngere, freundliche indische Wärterin Angst hatte, dass ich ausrutschen könnte. Heute ist der zweite Tag, an dem ich ohne meinen Gehstock unterwegs bin, weil ich mich nicht mehr hin und wieder ein bisschen wackelig auf den Beinen fühle.

      Kein Besuch, weder von Schwester Mary noch vom Anwaltsteam, aber beide kommen wahrscheinlich morgen, weil Sonntag ist. David hat mir am Telefon erzählt, dass Kartya auf jeden Fall kommt.

      Margaret ist im St-John’s-Krankenhaus in Bendigo gestürzt. Sie bleibt dort wegen einer Harnwegsinfektion. Wenn sie einen Platz zur Verfügung haben werden, schließt sich eine zweiwöchige Rehabilitation an. Gott sei Dank ist nichts gebrochen.

      Briefe treffen immer noch ein, heute habe ich rund 20 davon geöffnet. Nur ein paar sind »seltsam« in theologischer oder psychologischer Hinsicht oder in beidem. Die meisten sind schön und Ausdruck eines tiefen Glaubens. H., der Vollzugsbeamte, hat mir erzählt, dass gestern Morgen um 6.00 Uhr, als er seinen Dienst antrat, schon ein paar Frauen vor dem Gefängnis gestanden und gebetet haben. Viel Unterstützung und viel, viel Feindschaft – aber nicht im Gefängnis in Trakt 8, zumindest nicht unter dem Wachpersonal.

      Greg Craven hat geschrieben, dass die Verleihung der Ehrendoktorwürde der University of Divinity29 an Frank Brennan verschoben wird, um die Gefühle der Opfer nicht zu verletzen.30 Der Protest gegen Greg beim Mitarbeitertreffen sah so aus, dass ein Viertel der Belegschaft Anstecker trug. Zwischenfälle gab es nicht, aber einige feindselige Fragen. Sein Treffen mit dem akademischen Personal im Aquinas Campus in Ballarat verlief absolut harmonisch. Es ist ein trauriges Zeichen der Spaltung und Bitterkeit und ein Ausdruck von Identitätspolitik, dass es als opferfeindlich bewertet wird, wenn jemand Gerechtigkeit für mich fordert. Ich sage es noch einmal: Gerechtigkeit haben wir erst dann, wenn wir Gerechtigkeit für alle haben. Wenn ich mein Berufungsverfahren gewinne – und selbst wenn ich es verlieren sollte –, werde ich nicht opferfeindlich sein. Aber es ist unabdingbar, dass die Kläger vor Gericht beweisen, dass ihnen Schaden zugefügt worden ist.

      Die erste Lesung im Brevier stammt wieder aus dem Buch Exodus und berichtet, wie Gott jene Weisungen verkündet, die wir in den Zehn Geboten zusammengefasst haben (Exodus, Kap. 20). Als Erwachsener und sogar schon als Kind habe ich sie immer für wesentlich gehalten. Ich erinnere mich, dass ich vor 50 Jahren einen Satz von Bertrand Russell, dem berühmten atheistischen Philosophen, gelesen habe. Er hat behauptet, die Zehn Gebote seien wie eine Abschlussprüfung mit zehn Fragen, von denen nur sechs beantwortet werden müssten. Clever, aber zu bequem.

      Bei einer anderen Gelegenheit habe ich einer Psychologin erklärt, dass die Gebote wie eine liebevoll betriebene Bahnstrecke oder Autobahn seien, die man für die Reise benutzt, und sie hat mir geantwortet, dass die Landschaft abseits der Autobahn viel interessanter sei. Doch man kann auch vom Zug aus vieles sehen – und zwar ohne sich in der Wüste zu verlaufen!

      Bei beiden Familiensynoden31 haben einige laut verkündet, dass die Kirche ein Lazarett oder ein Zufluchtsort sei. Das ist nur ein Bild von der Kirche und bei Weitem nicht das nützlichste oder wichtigste, denn die Kirche muss aufzeigen, wie man gar nicht erst krank wird, wie man Schiffbruch vermeidet, und hierbei spielen die Gebote eine wesentliche Rolle. Jesus selbst hat gesagt: »Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben« (Joh 15,10).

      Jim Wallace, ein guter Freund und ehemaliger Vorsitzender der australischen christlichen Lobby, der sich dafür einsetzt, die jüdisch-christlichen Werte in der Gesellschaft hochzuhalten, hat mir einen sehr ermutigenden Brief geschrieben, in dem er die Schwäche des australischen Rechtssystems beklagt. Außerdem nannte er vier Bibelstellen, die er für seine morgendliche Betrachtung benutzt hat, als er für mich betete.

      Zu meiner Überraschung waren sie alle aus dem Alten Testament und mir ist bewusst geworden, dass ich noch nie regelmäßig mit einem alttestamentlichen Text – außer vielleicht Ezechiel – Betrachtung gehalten habe. Ich habe mich im Lauf der Jahre kontinuierlich mit dem Alten Testament beschäftigt (ich denke an Leon Kass’ wundervolles Werk über das Buch Genesis), habe die Propheten und die Psalmen lieben gelernt und bin ein echter Verehrer von Elija geworden, weil ich glaube, dass er unter Ahab und Isebel den Monotheismus gerettet hat. Die Parallelen zu heute sind nicht zu übersehen. Ich bin kein Anhänger der Lehre Marcions32: Ich glaube, dass Gott durch das Alte Testament spricht.

      Jims Schriftstellen passten alle vier zu meiner Situation, 1 Sam 17,47 vielleicht besonders, wo David sich an die Philister wendet: »Denn es ist ein Krieg des Herrn und er wird euch in unsere Hand geben.«

      Mein heutiges Gebet will ich mit den Worten des bald heiligen John Henry Newman33 halten:

       Schenke uns Vertrauen auf dich, o Jesus […]! Schenke uns die ruhige Gewissheit, o Herr, dass wir dir umso näher sind, je größer unsere Betrübnis ist!

       5. WOCHE

       GEISTLICHE MITTELMÄSSIGKEIT

       24. März bis 30. März 2019

       Sonntag, 24. März 2019

      Ich habe den heutigen Tag mit einer Fernsehsendung über Prinzessin Diana1 beendet. Darin wurde ihr tragisches Schicksal von ihrer Warte aus erzählt. Wie das Establishment darüber dachte, dass eine 20-Jährige, die nicht studiert hatte, aus einer zerrütteten Familie stammte und eine unglückliche Kindheit erlebt hatte, die Rolle der Princess of Wales ausfüllen konnte, ist immer noch ein Geheimnis, aber es scheint auch nicht viel darüber diskutiert worden zu sein.

      Natürlich hat die Geschichte auch eine andere Seite, aber dass Charles an seiner Beziehung zu Camilla2 festhielt, auch nach der Hochzeit, war für eine junge und unerfahrene Braut inakzeptabel. Und es lässt sich auch nicht mit der christlichen Lehre vereinbaren. Eine kampferprobte 30-jährige Zynikerin hätte das Ganze vielleicht als arrangierte Ehe betrachtet und es geschafft zu überleben, aber Diana litt schon zum Zeitpunkt der Trauung darunter, dass sich ihr Leben so stark


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