Dolmetschen in der Psychotherapie. Mascha Dabić

Dolmetschen in der Psychotherapie - Mascha Dabić


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Ein Überblick über die Forschung zum Kommunaldolmetschen in Österreich ist bei Grbić & Pöllabauer (2006) zu finden.

      4.1.1 Vergleich mit dem Konferenzdolmetschen: Faktor Professionalisierung

      Die Betrachtung des Community Interpreting erfolgt häufig unter dem Blickwinkel des hoch entwickelten Konferenzdolmetschbereichs, wodurch die Defizite im Bereich Community Interpreting stark zu Tage treten: fehlende Standards, fehlende Zertifizierungsverfahren, fehlende Karrieremöglichkeiten, niedrige Löhne.1 Die Grenzen zwischen dem professionellen Dolmetschen und dem nichtprofessionellen oder natürlichen Dolmetschen sind fließend (Pöchhacker 2016: 23).

      Bahadır ortet im Hinblick auf Professionalisierungsbestrebungen im Community Interpreting die Tendenz, das „Problematische“ dieses Kontexts „korrigieren“ zu wollen, und zwar in Anlehnung an das etablierte und anerkannte Berufsbild des Konferenzdolmetschers (2007: 218). Sie selbst zieht ebenfalls einen Vergleich zwischen dem Konferenzdolmetschen und dem Community Interpreting und spricht – polemisierend – von der „großen Schwester, die es geschafft hat“ (2007: 219), im Unterschied zum „enfant terrible“ Community Interpreting, das „weder drinnen noch draußen ist, die Tätigkeit des Simmelschen Fremden, eine Dazwischentätigkeit, weder so richtig Konferenzdolmetschen noch so richtig etwas Anderes“ (2007: 220). Die Professionalisierungsbestrebungen im Community Interpreting im Hinblick auf Standardisierungsverfahren, Formulierung von Normen und Bildung von Verbänden werden von Bahadır als ein sinnloses „Hinterher-Rennen“ charakterisiert. Einerseits ist es wohl tatsächlich vergeblich, im Asyl- und Migrationsbereich ähnliche Standards erreichen zu wollen wie im hochdotierten, hochfunktionalen und hochentwickelten Konferenzbereich (insofern hat Bahadır wohl nicht unrecht, wenn sie vom „sinnlosen Hinterher-Rennen“ spricht). Andererseits sind Professionalisierungsbestrebungen unbedingt zu begrüßen, da alle Beteiligten davon profitieren: die KlientInnen, die deutschsprachigen AbnehmerInnen der Dolmetschdienstleistung und die DolmetscherInnen selbst, denn ein höherer Grad an Professionalisierung führt zu mehr Selbstbewusstsein, einem breiteren Entscheidungsspielraum im Falle von berufsethischen Dilemmata und möglicherweise irgendwann auch zu höheren Honoraren und besseren Beschäftigungsverhältnissen. Was den letzten Punkt anbelangt, scheint sich derzeit im Sozialbereich jedoch keine solche Tendenz abzuzeichnen, wenn auch davon auszugehen ist, dass durch den Zustrom von Flüchtlingen der Asyl- und Migrationsbereich als solcher einen „Boom“ erleben wird bzw. derzeit bereits einen Boom erlebt; ob dies zu einer Erhöhung der Löhne in dem Bereich führen wird, bleibt abzuwarten bzw. zeichnet sich derzeit nicht ab.

      „Community Interpreting takes the interpreter into the most private spheres of human life“ stellt Hale fest – im Unterschied zu Konferenzen und Geschäftsverhandlungen, bei denen politische Entscheidungen oder neueste wissenschaftliche Entdeckungen diskutiert werden (2007: 25). In einer schematischen Darstellung fasst Hale die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen dem Konferenzdolmetschen und dem Community Interpreting zusammen, wobei sie unter anderem Merkmale wie Sprachregister, Dolmetschmodus (simultan, konsekutiv, Flüsterdolmetschen, Vom-Blatt-Dolmetschen) berücksichtigt. Die Konsequenzen einer ungenauen Wiedergabe werden für das Konferenzdolmetschen als „mittelgradig“ eingestuft, bei Community Interpreting jedoch als „hochgradig“. Hale kritisiert die signifikant schlechtere Entlohnung im Community Interpreting, mit dem Hinweis darauf, dass bei Konferenzen die wichtigsten Entscheidungen ohnehin am Rande des Geschehens, ohne die DolmetscherInnen, gefällt würden, die DolmetscherInnen also eher Teil der Inszenierung seien als tatsächlich unabdingbar für die Verständigung; im Unterschied dazu wären die KlientInnen im Asyl- und Migrationsbereich gar nicht in der Lage, ohne die Hilfe der DolmetscherInnen zu kommunizieren, noch dazu, wo es z.T. um Angelegenheiten von großer Bedeutung für das weitere Schicksal der KlientInnen gehe. Hale zieht daraus die Schlussfolgerung:

      This suggests that the onus on the community interpreter to perform a high quality job is much greater than a conference interpreter because of what is at stake. Yet community interpreters, with much greater demands than conference interpreters, recieve much lower pay and have little status as professionals. (Hale 2007: 33)

      Dieser Aussage ist grundsätzlich zuzustimmen – die Arbeit der DolmetscherInnen im Kommunalbereich sollte auf jeden Fall besser entlohnt werden – und dennoch gibt es auch einen gewichtigen Einwand gegen die von Hale vorgebrachte Schlussfolgerung: Wie unter 3.3.2.3 festgestellt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass ein qualifizierter Konferenzdolmetscher die sprachlichen Herausforderungen im Bereich des Community Interpreting gut bewältigen kann. Der Umkehrschluss gilt jedoch nicht: die sprachlichen, kognitiven, terminologischen und arbeitstechnischen Anforderungen in der Dolmetschkabine können sehr hoch sein, auch dann, wenn die Dolmetschung bloß Teil einer „Inszenierung“ ist: Es ist die Aufgabe des Dolmetschers in diesem Moment, diese „Inszenierung“ aufrecht zu erhalten, und dazu benötigt er nun einmal das nötige Wissen und Können, sowie auch die nötige Erfahrung – das sind Faktoren, die man bei Community Interpreters nicht voraussetzen kann.

      Eine Zusammenschau relevanter Faktoren des Community Interpreting ist bei Ahamer zu finden (2013: 53-140): Darin setzt sie sich kritisch mit der Problematik des Terminus „Community Interpreting“ in Theorie und Praxis auseinander und geht der Frage nach, wo „laienhaftes“ Dolmetschen aufhört und „professionelles“ beginnt. Ein Ausdruck der mangelnden Professionalisierung im Kommunaldolmetschen ist jedenfalls der Umstand, dass mitunter auch Kinder2 und Jugendliche zum Dolmetschen herangezogen werden – der Hauptgegenstand von Ahamers Untersuchung: Ahamer hat untersucht, wie jugendliche Migranten diese Aufgabe bewältigen, und kommt unter anderem zu folgenden Erkenntnissen: mehrsprachige Kommunikation in öffentlichen Institutionen wird in einem hohen Ausmaß von Kindern bestritten, und das Dolmetschen birgt für die betroffenen Kinder, ihre Eltern und die Institutionen Risiken in sich; zugleich kann das Dolmetschen eine Ressource für die Kinder und Jugendlichen sein, im Sinne der Sprachförderung und als ein positiver Impuls für die Persönlichkeitsentwicklung (2013: 368ff.). Bei psychotherapeutischen Gesprächen kommt es sehr selten vor, dass Familienangehörige als DolmetscherInnen eingesetzt werden, allerdings sind solche Einzelfälle nicht auszuschließen. Beispielsweise kommt es vor, dass in tschetschenischen Familien nicht alle Familienmitglieder der russischen Sprache in einem ausreichenden Maße mächtig sind, um sich über alle für sie relevanten Themen unterhalten zu können. Die Sprechfähigkeit kann auch durch körperliche Verletzungen oder angeborene Sprechschwierigkeiten beeinträchtigt sein – in solchen seltenen Fällen kann es vorkommen, dass eine Person nicht alleine die psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nimmt, sondern mit Hilfe eines nahestehenden Familienmitglieds, unter Umständen eines Jugendlichen. Die Präsenz von quasi zwei DolmetscherInnen im Raum erfordert viel Feingefühl seitens der PsychotherapeutIn aber auch seitens der DolmetscherIn, zum einen um sicherzustellen, dass die Wortmeldungen tatsächlich von derjenigen Person stammen, an welche die Fragen gerichtet wurden (und nicht etwa von dem ad-hoc als DolmetscherIn eingesetzten Familienmitglied), und zum anderen um eine Situation herzustellen, in der alle Beteiligten das Gefühl haben, sich im ausreichenden Maße Gehör verschaffen zu können.

      Auch bei Kadrić et al (2005) ist eine Auseinandersetzung mit der Unterscheidung zwischen professioneller und unprofessioneller Translation zu finden (S. 21ff.). Es wird auf „eine schleichende und systematische Abwertung des Berufs“ (S. 21) hingewiesen, die unter anderem damit zu tun hat, dass zahlreiche Übersetzungen und Verdolmetschungen von Laien angefertigt werden, wodurch sich eine zunehmende Kluft zwischen dem Qualitätsanspruch professioneller TranslatorInnen und der Realität am Markt bildet. Die zunehmende Präsenz von Laien am Markt ist auf zwei Gründe zurückzuführen: Zum einen nehmen viele Auftraggeber an, eine Person, die eine Fremdsprache spricht, wäre automatisch imstande zu übersetzen oder zu dolmetschen.3 Zum anderen sind die Honorare im Asyl- und Sozialbereich für professionell ausgebildete DolmetscherInnen nicht attraktiv, da diese in anderen Kontexten wesentlich besser entlohnt werden. Dieses Dilemma ist schwer lösbar, da der Umstand, dass soziale und „helfende“ Berufe tendenziell schlecht entlohnt sind, dazu führt, dass ganze gesellschaftliche Segmente davon betroffen sind, sodass die DolmetscherInnen keine Ausnahme bilden.

      Aus der Tatsache, dass der Dolmetscherberuf nicht geschützt ist und somit professionell ausgebildete DolmetscherInnen neben Laien am Markt vertreten sind und


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