Vernehmungen. Heiko Artkämper

Vernehmungen - Heiko Artkämper


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420 Einschlägig ist § 68a StPO. Die Norm lässt Fragen, die den persönlichen Lebensbereich betreffen, nur zu, wenn diese Befragung unerlässlich ist, was bedeutet, dass sonst die Wahrheit nicht aufgeklärt werden könnte.

      421Gleiches gilt letztlich für provokative und beleidigende Fragen; hier ist allerdings insbesondere darauf zu achten, ob überhaupt eine Frage oder nur eine Behauptung vorliegt.

Praxistipp:
422 Im Zweifelsfall mit Schweigen reagieren und – mit Blick auf den Vorsitzenden – dessen Reaktionen abwarten.

       4.5.4.2.3Rollenfremde Fragen

      423Rollenfremde Fragen zeichnen sich dadurch aus, dass der Zeuge nicht nur aus der Rolle des Zeugen in die des Angeklagten gedrängt, sondern

      –zu einem Sachverständigen gemacht werden soll, oder

      –er als Zeuge zu seinem Wissen (z. B. zu irgendwelchen Normen des Strafrechts) abgefragt und daher in die Rolle eines Prüflings versetzt wird.

Praxistipp:
424 Derartige Fragen muss und sollte der Beamte nicht beantworten und insoweit auf seine Rolle als Zeuge hinweisen, dessen Aufgabe es ist, von ihm Wahrgenommenes wiederzugeben.

       4.5.4.2.4Nach den §§ 240, 241 StPO unzulässige Fragen

      425Eine weitere Reihe von Fragen ist nach den §§ 240, 241 StPO unzulässig. Es handelt sich dabei insbesondere um

      –Wiederholungsfragen,

      –Wissensfragen,

      –ehrenrührige Fragen,

      –Suggestivfragen, wobei letztere teilweise als zulässig erachtet werden, ihrer Beantwortung allerdings grundsätzlich kein Beweiswert zukommt,

      –Fragen nach dem persönlichen Lebensbereich,

      –Fragen aus dem Persönlichkeits- und/oder Intimbereich und

      –(Ausforschungs-)Fragen, deren Beantwortung nicht von der Aussagegenehmigung gedeckt ist.

Praxistipp:
426 Eine Beanstandung macht nur Sinn, wenn durch die Fragestellung das System erkennbar wird, den Zeugen „kaputtfragen” zu wollen. Bei mehrfachen Wiederholungsfragen der Verfahrensbeteiligten beispielsweise sollte der Zeuge den Staatsanwalt und das Gericht darauf aufmerksam machen („Das habe ich jetzt schon dreimal erzählt …”).

       4.5.4.2.5Protokollierungsanträge und Suggestivbemerkungen

      427Eine weitere Struktur aggressiven Verhaltens besteht in der Stellung von Protokollierungsanträgen und der Häufung von suggestiven Bemerkungen („Sie müssten doch wissen …, ich weise Sie nochmals auf Ihre Wahrheitspflicht und die Strafbarkeit einer Falschaussage hin“, …).

      428Das Strafverfahren sieht an zwei Stellen die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit einer wörtlichen Protokollierung vor: So ist ein Protokoll zu erstellen, wenn eine Straftat in der Sitzung begangen wird (§ 183 GVG) oder wenn es – was praktisch kaum der Fall ist – auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung ankommt (§ 273 Abs. 3 S. 1 StPO). Letztendlich bestimmt allein der Vorsitzende, was in das Protokoll aufgenommen wird; er wird derartige Protokollierungsanträge regelmäßig zurückweisen.

Praxistipp:
429 Antragstellung und Hinweise sind nicht zu unterbinden und auch zulässig, sollen aber den Zeugen verunsichern und provozieren: Erfolgen keine Reaktionen des Gerichts, bleibt dem Polizeibeamten nur die Möglichkeit, ruhig und gelassen zu schweigen, zumal regelmäßig keine Fragen gestellt werden, die – von Ausnahmen abgesehen – beantwortet werden müssen.

       4.5.4.2.6Häufung von Fragen. Unverständliche, geschlossene und Fangfragen

      430Die Verschachtelung von Fragen, deren unangemessene Häufung oder unverständliche Fragen dürfen den Beamten nicht verunsichern.

Praxistipp:
431 Der Zeuge sollte zunächst die Frage beantworten, die er am besten erinnert und diese kurz wiederholen; danach kann er hinsichtlich weiterer Fragen beim Vorsitzenden nachfragen.

      Bei geschlossenen oder Fangfragen steht erneut die Provokation im Vordergrund.

Praxistipp:
432 Bei der Beantwortung ruhig bleiben, keine Gegenfragen stellen, sondern durch eine ausführliche Beantwortung (nicht: ja oder nein) die erhoffte Reaktion vermeiden.

       4.5.5Checkliste und Leitfaden zur Vorbereitung und Durchführung der Zeugenaussage

      433Im Folgenden soll dem Leser eine Checkliste zur Verfügung gestellt werden, anhand der er sich auf seine Zeugeneinvernahme vorbereiten kann. Sie erhebt weder Anspruch auf Vollständigkeit, noch gilt sie für jede Hauptverhandlung.

       4.5.5.1Vorbereitung

      434Bei der Vorbereitung sollte Folgendes berücksichtigt werden:

      –Aus- und Fortbildungsangebote nutzen.

      –Prozessbeobachtungen wahrnehmen.

      –Verhinderungen am Terminstag (Urlaub, Krankheit …) frühzeitig dem Gericht mitteilen und deren Gründe belegen (Buchungsbestätigung, Attest …).

      –Durch eine großzügige Zeitplanung für den Terminstag unnötigen Zeitdruck und Stress vermeiden.

      –In begründeten Einzelfällen mit dem Vorsitzenden eine Telefonbereitschaft vereinbaren („ich kann binnen … Minuten im Gerichtssaal erscheinen und bin unter der Tel.-Nr. … erreichbar“).

      –Überprüfung des Umfangs der Aussagegenehmigung (und ggf. die Bitte an den Dienstvorgesetzten, diese zu beschränken).

      –Existiert


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