Das Mainzer Schloss. Группа авторов

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residierte, oder für Berlin, dessen kurfürstliches Residenzschloss der brandenburgischen Markgrafen damals – 70 Jahre vor dem Umbau unter Andreas Schlüter – noch aus einer Anhäufung von unterschiedlichen Gebäuden unterschiedlicher Jahrhunderte bestand (Abb. 7), oder für das kurpfälzische Heidelberg (Abb. 8), auf dessen Schlossberg sich ähnlich wie in Berlin eine Vielzahl einzeln stehender Gebäude um den Schlosshof gruppierten.

      Allerdings bemühte sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts besonders Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz, mit dem überaus ehrgeizigen und aufwendigen Projekt des Hortus Palatinus (Abb. 9) zumindest im Bereich der Gartenanlagen ein im Reich damals einzigartiges und umso prestigeträchtigeres Bauprojekt zu verwirklichen.21 1616 nach Plänen des Gartenarchitekten Salomon de Caus begonnen, sollte der Hortus Palatinus vor allem im Medium des Bildes – durch de Caus‘ 1620 publiziertes und mit 31 ganzseitigen Abbildungen ausgestattetes Stichwerk sowie Jacques Fouquières‘ Gemälde und Matthäus Merians danach angefertigte Kupferstichdarstellung – europaweite Beachtung erfahren.22 Die werbewirksame Publikation dieses Bauprojekts im Medium der Bilder war auch dringend geboten. Denn vollendet wurde der Hortus Palatinus nie, da dies der Dreißigjährige Krieg und die politisch-militärische Niederlage Friedrichs V., der sich 1619 zum König von Böhmen hatte wählen lassen, gegen die katholische Liga in der Schlacht am Weißen Berg 1622 verhinderten. Inwieweit diese von der Forschung immer noch zu wenig beachtete mediale Form des fürstlichen Architekturwettbewerbs auf das Baugeschehen am Mainzer Kurfürstenhof Einfluss ausübte, kann nach derzeitigem Kenntnisstand nur unzureichend eingeschätzt werden und bedürfte einer genaueren Untersuchung. Vermutlich hatten der Mainzer Kurfürst und sein Domkapitel aber den pfälzischen Kurfürsten selbst kurz zuvor mit einem ausgesprochen ehrgeizigen Bauprojekt unter Druck gesetzt, indem sie mit dem von Georg Riedinger ab 1604 anstelle der mittelalterlichen Burg neu errichteten Schloss Johannisburg in Aschaffenburg (Abb. 10) einen im Reich damals singulären und Maßstäbe setzenden Schlossbau realisierten und zusätzlich durch eine aufwendige, von Riedinger gestaltete Kupferstich-Publikation ab 1616, und damit im Jahr des Baubeginns des Hortus Palatinus, öffentlich bekannt machten.23

      Abb. 8: Heidelberg, Schloss, Innenhof nach einer Ansicht des 17. Jahrhunderts vor der Zerstörung im Pfälzischen Erbfolgekrieg

      Abb. 9: Heidelberg, Schloss mit Hortus Palatinus in einer Ansicht von Jacques Fouquières aus dem Jahr 1620

      Abb. 10: Aschaffenburg, Schloss Johannisburg

      Die Situation von nicht oder nur wenig modernisierten Residenzschlössern gilt aber erstaunlicherweise selbst für das wichtigste Residenzschloss des Kaisers aus dem Hause Habsburg, die Wiener Hofburg (Abb. 11), die nach den letzten Erweiterungen im 16. Jahrhundert bis etwa 1665 – und damit fast vierzig Jahre länger als das Mainzer Schloss – auf ihre Erweiterung durch Neubauten warten musste.24 Nur in Trier und Koblenz war einige wenige Jahre vor den Mainzer Erweiterungsmaßnahmen damit begonnen worden, die Residenzschlösser der Trierer Kurfürsten durch Neubauten zu ergänzen. So wurde in Trier ab 1615 unter der Bauherrschaft von Fürstbischof Lothar von Metternich die bestehende, noch aus dem Mittelalter überlieferte Schlossanlage einer tiefgreifenden Veränderung unterzogen und in das Areal der konstantinischen Palastaula eine neue Vierflügelanlage gesetzt.25 Von diesen Baumaßnahmen haben sich noch der Nord- und Ostflügel (Abb. 12) im heutigen Bestand erhalten. In Koblenz (Abb. 13), das in der Folge des Dreißigjährigen Krieges an die Stelle von Trier als Hauptresidenz der Trierer Kurfürsten trat, ließ Fürstbischof Philipp Christoph von Sötern ab 1626 am Rheinufer, gegenüber der Stadt und unterhalb der Festung Ehrenbreitstein, eine komplett neue, in ihren Ausmaßen monumentale Schlossanlage errichten – die Schaufassade besaß die eindrucksvolle Länge von 160 Metern!26

      Abb. 11: Die Wiener Hofburg in einer Ansicht des 16. Jahrhunderts

      Abb. 12: Trier, Kurfürstliches Residenzschloss, Ostflügel (ca. 1615–1635), links anschließend der Südflügel von 1756 ff.

      Damit wird deutlich, dass die Neubaumaßnahmen am Mainzer Schloss von 1628 ff. zeitlich unmittelbar auf die entsprechenden Maßnahmen im benachbarten Kurtrier erfolgten und es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine direkte Reaktion des mit Kurtrier konkurrierenden Mainzer Erzbischofs und Erzstifts auf die Neubauprojekte in Trier und Koblenz handelte. Man könnte auch sagen, dass Kurmainz durch Kurtrier unter Zugzwang gesetzt wurde, das Erscheinungsbild seines nach Aschaffenburg wichtigsten Residenzschlosses in Mainz dem durch Trier und Koblenz vorgegebenen Anspruchsniveau anzupassen, um so weiterhin den von den Staatstheoretikern und Zeremonialwissenschaftlern des 17. und 18. Jahrhunderts formulierten Anspruch zu erfüllen, in der Pracht der Residenzarchitektur zugleich die Autorität und Würde des Fürsten widerzuspiegeln.27 Weitere wichtige Gründe dürften in Mainz die beengten Räumlichkeiten der alten Schlossanlage und die dringend benötigten repräsentativen Wohn- und Zeremonialräume gewesen sein, um auch künftig Staatsgäste in gebührender Weise empfangen und unterbringen zu können. Auf diesen Aspekt wird abschließend nochmals zurückzukommen sein.

      Abb. 13: Koblenz-Ehrenbreitstein, Residenzschloss „Philippsburg“ des Kurfürsten von Trier unterhalb der Festung Ehrenbreitstein (Joseph Gregor Lang: Reise auf dem Rhein, 1789)

      Abb. 14: Victori van Prag is seer kranck / Zustant des H. Römischen Reichs im Jahr 1622, Kupferstich 1622 (Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Inv. Nr. IH 102)

      Nach allem was sich anhand der historischen und baugeschichtlichen Überlieferung erkennen lässt, war der Kurtrierer Fürstbischof gewissermaßen der Stachel im Fleisch des Mainzer Amtskollegen als Bauherr und trieb diesen zur Erneuerung seiner Residenz. Andererseits hatten der Mainzer Kurfürst Johann Schweickardt und das Mainzer Erzstift mit dem Neubau ihres Residenzschlosses Johannisburg in der Nebenresidenz Aschaffenburg (vgl. Abb. 10) erst wenige Jahre zuvor selbst Kurtrier unter Zugzwang gesetzt. Darauf reagierte nun offensichtlich ab 1615 bzw. 1626 Kurtrier, was wiederum Kurmainz zu einer erneuten Reaktion – dieses Mal in der Hauptresidenz Mainz – zwang. Bezeichnenderweise kamen die bedeutenden Bauprojekte aller anderen deutschen Fürstenhöfe erst mit gebührendem zeitlichem Abstand zum Zuge, was nicht zuletzt eine Folge des Dreißigjährigen Krieges und – in Wien – der Bedrohung durch die Türkenheere war.

      Die vor allem durch den Dreißigjährigen Krieg verursachten katastrophalen politischen Verhältnisse, die im Reich für längere Zeit größere Bauprojekte in den Residenzstädten behinderten, wenn nicht gar verhinderten, vermag auf pointierte Weise ein Flugblatt zu illustrieren, das 1622 entstand, nur sechs Jahre vor Beginn der Neubaumaßnahmen


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