Bilder der Levante. Michael Jansen
involviert wurde. Westliche Bedenken gegenüber Nassers Absichten wurden weiter geschürt, als am 14. Juli 1958 in Irak die Armee die Monarchie stürzte, von Großbritannien nach dem Ersten Weltkrieg eingesetzt. US-Präsident Eisenhower entsandte Truppen nach Beirut, um eine friedliche Machtübergabe sicherzustellen, obwohl die USA gar nicht in der Lage waren, Chamoun im Amt zu halten.
Gelöst wurde die Krise durch die UN-Gesandten Rajeshwar Dayal und den norwegischen General Odd Bull, Mitglieder einer Mission, die überwachen sollte, dass keine Menschen und Waffen über die syrische Grenze nach Libanon geschmuggelt wurden. Mit Godfreys Hilfe, damals indischer Chargé d’Affaires in Beirut, bastelten sie einen Bericht zusammen, der eine Verwicklung der Vereinigten Arabischen Republik bestritt, und verhinderten somit eine größere Krise. General Fuad Schihab, für die zerstrittenen Fraktionen Libanons als Kandidat annehmbar, wurde zum Präsidenten gewählt und übernahm die Präsidentschaft von Chamoun zu Ende von dessen Amtszeit im September 1958.
Die außenpolitischen Abenteuer der Vereinigten Arabischen Republik hatten zusammen mit innenpolitischem Druck in Syrien zu einem Putsch geführt, den sowohl die Baath-Partei als auch Mitglieder der wirtschaftlichen und politischen Elite des Landes unterstützten. Einige Wochen nach dem Zusammenbruch der Union erhielt ich einen bitteren Brief von Sawsan; sie schrieb, ihr Vater habe in der Auflösung der Union eine tragende Rolle gespielt.
South Hadley, Massachusetts, USA, Januar 1962
Nach den Weihnachtsferien, kurz nach meiner Rückkehr ans College, erhielt ich einen Brief vom Ausbildungsleiter des UNRWA, Dr. Van Diffelen. Er schrieb über das Krachen von Schüssen an Silvester, als jüngere Offiziere gemeinsam mit der Syrischen Sozialen Nationalistischen Partei (SSNP), der ersten panarabischen politischen Partei, geputscht hatten. Ziel der säkularen SSNP, 1932 von Antun Sa’ada gegründet, war ein Zusammenschluss der Länder des Fruchtbaren Halbmonds. Die Offiziere wurden sofort festgenommen und SSNP-Mitglieder reihenweise zusammengetrieben, was dem Putschversuch ein Ende setzte. Unter den Verhafteten waren Freunde, die ich in meinem Beiruter Sommer kennengelernt hatte.
Beirut, Libanon, 10. September 1962
Genau ein Jahr nach meiner Abreise kehrte ich nach Beirut zurück. Zum Abschluss am Mount Holyoke College hatte ich mir eine Fahrkarte dritter Klasse auf einem Transatlantikliner gewünscht, und die Weiterfahrt vom Heimathafen bis nach Libanon. Die Queen Frederica, 1926 vom Stapel gelaufen, fuhr unter griechischer Flagge. Im Zweiten Weltkrieg war sie als Truppentransporter eingesetzt und später mehrfach als Passagierschiff modernisiert worden. Mit sieben anderen Frauen teilte ich mir eine Doppelkabine mit vier Stockbetten. Eine der Frauen, eine betagte Griechin, legte sich ins Bett, sobald wir an Bord waren, und blieb dort, bis wir sechs Tage später Athen erreichten. Unter meinen Kabinengenossinnen war eine gutgelaunte Griechin mittleren Alters, Sophia, die mir Volkstänze beibrachte, und ein paar andere Studentinnen. Zu Anfang der Reise saßen wir bei griechischem Essen und Retsina nur zu dritt im Speisesaal der dritten Klasse. Der Rest war oder fühlte sich zu krank zum Essen.
Als ich an der Reling stand, lernte ich drei junge Italo-Amerikaner aus Chicago kennen, Franco, Mario und einen großen harten Kerl, dessen Namen ich nicht mehr weiß. Sie waren Exhäftlinge und wurden nach Sizilien abgeschoben, bevor sie wieder das Gesetz brächen und mit langen Gefängnisstrafen rechnen müssten. Ich fragte Franco, warum er ins Exil geschickt werde. Er sagte, er habe seine Freundin verprügelt, denn sie habe einen anderen gehabt, während er einsaß. Franco rechtfertigte sich und seine Freunde damit, dass sie in gewalttätigen Familien in gewalttätigen Vierteln aufgewachsen seien, und somit Problemen immer mit Gewalt begegneten. Ich antwortete, er habe eine Wahl. Er müsse nicht in einem Kreislauf gefangen bleiben, er könne daraus ausbrechen. Als ich erzählte, dass ein recht bedrohlicher Grieche mir und den anderen Frauen aus meiner Kabine im Schiffsinneren nachstellte, sagte Franco seinem kräftigen Kollegen, der ein Messer in der Socke trug, er solle uns begleiten und sicherstellen, dass wir heil ankämen. Als wir in Palermo anlegten, schüttelten wir uns die Hand. Franco gab mir eine Anschrift. Ich schickte ihm eine Postkarte aus Beirut und erwartete keine Antwort. Doch er schrieb zurück, mit kindlicher Handschrift, in einem Englisch voller Rechtschreibfehler, aber mit schönem Ausdruck.
Ich erreichte den Hafen von Beirut als alleinige Passagierin auf einem kleinen griechischen Schiff. Nach Zwischenstopps in Alexandria und Limassol auf dem Weg von Piräus wollte ich noch schneller ankommen und drängte den Maat zur Eile, bis wir schließlich so früh ankamen, dass Sawsan und Constantine, die mich abholen sollten, noch nicht da waren. Ich bestellte mir und meinen zwei Schrankkoffern ein Taxi zum Tor der Medizinischen Fakultät; wie ich die Koffer die lange Treppe hinunter zum Frauenwohnheim für Doktorandinnen bekam, weiß ich nicht mehr. Mein Zimmer hatte eine fantastische Aussicht über das Mittelmeer, azurblau unter klarem Himmel. Wieder war ich der Enge von Bay City entflohen.
Trotz des Putschversuchs an Silvester erschien Libanon als land of hope and glory. Es war weiterhin ein Zufluchtsort für talentierte und regimekritische Araber aus der gesamten Region, besonders aus den direkten Nachbarländern, Palästinenser, die im ersten arabisch-israelischen Krieg aus ihrer Heimat vertrieben worden waren, und Syrer auf der Flucht vor chronischer politischer Instabilität. Meine Kommilitonen waren Iraner, Jordanier, Libanesen, Palästinenser, Ägypter, Iraker, Afghanen, Pakistanis, Syrer, Zyprer und vereinzelt Amerikaner, von denen einer von der CIA dafür bezahlt wurde, seine Mitstudenten auszuspionieren.
An der AUB belegte ich Graduiertenkurse bei Professoren aus den USA, Syrien und Palästina. Ich arbeitete am Institut für Wirtschaftsforschung als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Yusif Sayigh, einem Palästinenser mit syrischem Pass, der ein Buch über die politischen und sozialen Komponenten wirtschaftlicher Entwicklung schrieb. Weil die Büros des Instituts noch eine Baustelle waren, arbeiteten die meisten Angestellten vorläufig im riesigen Eingangsbereich der West Hall oder anderen freien Räumen. Yusif und mir wurde ein kleines Zimmer in der Jessup Hall zugeteilt, im Institut für Politikwissenschaft. Dass wir überall verstreut waren, beeinträchtigte keineswegs den Enthusiasmus der Professoren und ihrer Mitarbeiter, das wirtschaftliche »Durchstarten« der arabischen Länder zu dokumentieren.
Auch politisch gab es große Erwartungen. Araber waren optimistisch, weil der junge Präsident John F. Kennedy während seiner Zeit im Senat arabische Selbstverwaltung und ein Ende der Einmischung in arabische Angelegenheiten gefordert hatte. Gegenüber dem charismatischen Nasser war Kennedy, statt seinen Sturz zu planen, bereit zur Annäherung.
Beirut war eine lebenslustige Stadt. Wir schwammen am Strand der AUB und im Sporting Club im Schatten der berühmten Taubenfelsen, die sich unter Raouche aus dem Meer erheben, und tranken im »Dolce Vita« auf der anderen Seite der Strandpromenade Negronis oder türkischen Kaffee. In den Kinos liefen die neuesten Filme, und in den Boutiquen gab es Chanel, Jacques Fath, Givenchy und Mary Quant. Rashid, ein tunesischer Freund, schaffte das Unmögliche: Er brachte mir das Tanzen bei, hauptsächlich im »Les Caves du Roy«. Dort gingen wir hin, wenn einer von uns gerade Geld hatte, und Aldo, der Barkeeper, servierte uns Erdbeeren mit Sahne und viel zu teure Champagnercocktails. Irgendwann beschuldigte man ihn, ein Agent für die ein oder andere neugierige ausländische Macht zu sein, niemand wusste, welche. Ein tatsächlicher Spion, der britisch-sowjetische Doppelagent Kim Philby, kam zur Weihnachtsfeier der Sayighs, ein paar Wochen vor seiner misslungenen Entführung durch den britischen Geheimdienst. Er tauchte schließlich in Moskau wieder auf.
Ich hatte genug vom Leben im Wohnheim und zog in eine Zweizimmerwohnung in der Nähe der Rue Hamra, der Westbeiruter Hauptstraße. Zwei Monate später zog ich von dort weiter in eine Wohnung im vierten Stock ohne Fahrstuhl, auf einem Hügel über Raouche, im Dachgeschoss mit einem Streifen Meeresblick zwischen dem Shell-Gebäude und anderen Wolkenkratzern. Auf einem grünen Hügel unter meiner großen Terrasse grasten Ziegen, Glöckchen um den Hals, damit der alte Schäfer wusste, wenn eine sich davonmachte.
August 1963
Eines Morgens traf ich mich mit Usama Khalidi auf dem Campus, um den Besitzerwechsel seines vierzehn Jahre alten MG TC amtlich zu machen. Die Mechaniker nannten das Auto »Hadschi«, weil es so oft die Pilgerfahrt in ihre Werkstatt machte. Schon seit Monaten bewunderte ich Hadschi. Verlassen stand er beim Tor der Medizinischen Fakultät. Usama Khalidi, ein Professor