Wörterbuch alttestamentlicher Motive. Группа авторов

Wörterbuch alttestamentlicher Motive - Группа авторов


Скачать книгу
Zeit vom Kult aus.

      4 Kultisches Blutvergießen

      Durch rituelles Schlachten von Tieren (→ Tier) wurde in der Antike real Blut vergossen und anschliessend auch versprengt. Es handelt sich um eine religiöse Praxis und nicht nur um ein literarisches Motiv. Die Vorschriften bezüglich der Menge der geopferten Tiere (Num 28f.) sind sicher nicht annähernd realistisch, sondern als ideale Angaben anzusehen. Das Blut wurde bei einer Schlachtung auf den Brandopferaltar gegossen (Lev 17,10–14; Dtn 12,27) und damit Gott wieder zurückgegeben. Erst im Deuteronomium tauchte der Gedanke auf, ein Tier auch nicht-kultisch, also unabhängig von einem Tempel, zu schlachten (Dtn 12,15.20–25).

      Gott besiegelt den → Bund mit seinem Volk mit Spritzern vom Blut der Opfertiere (Ex 24,8; 29,20), und seine besondere Beziehung zum Hohenpriester bestätigt er, indem dessen Ohr und Zeh mit Blut eingestrichen (Lev 8,23.24) und seine Kleider mit Blut besprengt werden (Lev 8,30). Das bindet die so Benetzten an den Altar Gottes. Mit Besprengen durch Blut wird am Versöhnungstag die Deckplatte der Lade rituell gereinigt (Lev 16,14) und bei einem Sündopfer der Vorhang zum Allerheiligsten (Lev 4,6.17). Die Tür der Israeliten wurde für die → Nacht, in der JHWH selbst alle Erstgeburt schlug, mit Blut bestrichen, damit der todbringende → Engel JHWHs vorbeigehe (Ex 11f.).

      5 Der Blutbräutigam

      Zu den rätselhaften rituellen Handlungen des AT gehört die Ad-hoc-Beschneidung des Mose-Sohnes Gerschom (Ex 4,25) durch Zippora, die sie mit dem Satz „Ein Blutbräutigam bist du mir“ feierlich beendet und so die tödliche Bedrohung durch den Mose feindlich entgegentretenden JHWH abwendet (Ex 4,24–26). Nirgendwo im AT aber wird dieses Ritual als Gebot auferlegt und es ist außer in dieser Episode auch sonst nirgends im AT zu finden.

      6 Blutrausch

      Ein literarisches Motiv, das auch in anderen Kulturen vorkommt, ist die Trunkenheit von Blut (Göttin Hathor im Mythos von der Himmelskuh vgl. HORNUNG 1982, 39f.). Dieser buchstäbliche Blutrausch hat zwei konträre Wirkungen. Gottes Waffen stachelt er zu noch größerem Morden an: „Ich mache meine Pfeile trunken von Blut, und mein Schwert frisst Fleisch; vom Blut der Durchbohrten und der Gefangenen und vom entblößten Kopf des Feindes“ (Dtn 32,42). In Jer 46,10 und Jes 34,5 ist es das Schwert Gottes; in Sach 9,15 sind es seine Schleudersteine. Gott trinkt im Krieg Blut wie Wein (Sach 9,15). In anderen Texten hat Trunkenheit erst Ohnmacht oder Ohnmächtigkeit und dann Vernichtung zur Folge. Wobei die Trunkenheit der Menschen von Gott verursacht wird: „Sie sind trunken, (…) Denn der HERR hat einen Geist tiefen Schlafs über euch ausgegossen“ (Jes 29,9; 51,21), „Ich trat die Völker nieder in meinem Zorn und machte sie trunken“ (Jes 63,6) oder „Ich werde deine Unterdrücker speisen mit ihrem eigenen Fleisch und von ihrem Blut sollen sie trunken werden wie von Most“ (Jes 49,26; → Zorn Gottes). Bluttrunkenheit hat für Menschen ihren eigenen Tod zur Folge.

      Dass Blut numinos ist, sieht man noch an anderen Stellen: das Volk wird sein wie ein Löwe, den Raub verzehren und das Blut der Erschlagenen trinken (Num 23,24), das Land/die Erde selbst werden trunken vom vergossenen Blut (Jes 34,7), die Vögel des Himmels, die nach der Schlacht das Blut der Erschlagenen trinken, werden davon trunken (Ez 39,17.19). Insgesamt ist Blut ein Bild für den gewaltsamen Tod: „Ich werde Wunder vollbringen im Himmel und auf der Erde; Blut und Feuer und Rauchsäulen, und die Sonne wird in Finsternis verwandelt, und der Mond in Blut im Angesicht des kommenden Tags JHWHs, des großen und schrecklichen.“ (Joel 3,3f.)

      Wie sehr Motive für Untergang und gewaltsamen Tod im Krieg ineinander übergehen, wird in Hab 2,15–17 deutlich: „Wehe dem, der seinen Nächsten trinken lässt und seine Zornesglut beifügt und Zorn zum Trunkenmachen, um spannen zu können auf deren Geschlechtsteile. Du hast dich befriedigt mit Schande und nicht mit Ehre: Trinke auch du, und zeige deine Vorhaut; es kommt zu dir der Becher aus der Rechten JHWHs und Schande über deine Ehre. Denn die Gewalttat am Libanon wird dich bedecken, und die Verwüstung der Tiere macht dich mutlos. Vom Blut der Menschen, der Gewalttat am Land, der Stadt und allen, die darin siedeln.“ Alle diese Assoziationen zusammen mit dem grundsätzlichen Verbot von Blutgenuss und Mord sind angespielt im Bild der „Hure Babylon“ (→ Hurerei), die trunken ist vom Blut der Heiligen und Märtyrer Jesu Christi (Offb 17,6).

      In diesen Zusammenhang des Blutrausches gehört auch die Vorstellung vom Keltern als Bild für Blutvergießen im → Krieg und beim gewaltsamen → Tod (Jer 51,15–19). Gott ist es, der die Kelter eines Volkes tritt, was in einem buchstäblichen und übertragenen Blutbad für die Völker endet (vgl. Joel 4,13; für Edom in Jes 63,1–6; für die Tochter Juda in Klgl 1,15). Über den Völkern wird der Ruf des Keltertreters angestimmt (z.B. über Moab Jes 16,9; über Babel Jer 25,30; 51,14). Das Bild des Kelterns als göttliches Gericht an den Menschen findet sich schon im Alten Ägypten. Der Gott Schesmu, Gott der Öl- und Weinpresse, presst die Leiber der Menschen aus. Im Berlin-Papyrus 3148 und dem Papyrus des Thutmose in Turin sind Schesmu und der Mondscheibengott Chonsu beim Pressen abgebildet, wobei die Trauben Köpfe und die Tropfen Blut sind (SCHOTT 1938, 89, Tafel VI).

      7 Das Blut schreit zu Gott

      Wie in allen Kulturen und zu allen Zeiten ist Mord auch im AT das größte Verbrechen. Mord kann nur mit dem Tod des Mörders gesühnt werden, weil schließlich der Mensch Ebenbild Gottes ist (Gen 9,5f.). Im AT wird schon in der Genesis konstatiert, dass die Fähigkeit zum Mord zum Menschsein gehört wie sein Geschaffensein durch Gott. Gleich der erste geborene Mensch tötet seinen Bruder (Gen 4,8). Mörder werden „Blutmänner“ genannt (2 Sam 16,8; Ps 26,9 u. ö.).

      Gewaltsam vergossenes Blut schreit zu Gott um Gerechtigkeit (Gen 4,10). Bei Blutschuld wird auch die Erde verunreinigt: „Schändet das Land nicht, darin ihr wohnt; denn wer des Blutes schuldig ist, der schändet das Land, und das Land kann nicht entsühnt werden vom Blut, das darin vergossen wird, außer durch das Blut dessen, der es vergossen hat“ (Num 35,33; s. auch Dtn 19,10–13). Religionsgeschichtlich handelt es sich wahrscheinlich um Reste chthonischer Vorstellungen. Die Redewendung, dass das (vergossene) „Blut über jemandes Haupt ist“ (z.B. Jos 2,19; 2 Sam 1,16; 1 Kön 2,33; Ez 18,13 und Mt 27,25) fügt denselben Gedanken in soziale Bezüge ein.

      8 Blutrache

      Um dem Blut eines Mordopfers Gerechtigkeit zu verschaffen, gibt es die Einrichtung der Blutrache, die – anders als der heutige deutschsprachige Gebrauch des Begriffs – weder etwas mit Aggression noch mit Mordlust zu tun hat. Es handelt sich vielmehr um ein streng geregeltes Verfahren, an dem der jeweilige Bluträcher teilnehmen muss, ob er will oder nicht (Num 35,9–15.16–34; Dtn 19,1–13; Jos 20). Hierbei geht es nicht so sehr um das Einstehen für Verwandte (man ist ja nicht über das Blut verwandt, s.o.), sondern vor allem darum, die Verunreinigung der Erde durch das wiederum gewaltsam vergossene Blut des Mörders zu sühnen. In den Erzähltexten des AT kommt Blutrache als Handlungsmotiv nicht vor, wohl aber als Argument der weisen Frau von Tekoa, die David zu überzeugen versucht, dass Absalom begnadigt werden muss (2 Sam 14,1–24). Insbesondere aber rächt Gott das Unrecht, das die Völker über seinen Auftrag hinaus an Israel taten, mit dem Blut dieser Völker (z.B. Jes 47,3; Jer 50,15.28; 51,6.11.36).

      9 Literatur

      FEIX, Josef (Hrsg.) (62001): Herodot, Historien Griechisch–Deutsch, Düsseldorf.

      GIRARD, René (1994): Das Heilige und die Gewalt, Frankfurt a.M.

      HAAS, Volkert (1993): Ein hurritischer Blutritus und die Deponierung der Ritualrückstände nach hethitischen Quellen, in: B. Janowski, K. Koch, G. Wilhelm (Hrsg.): Religionsgeschichtliche Beziehungen zwischen Kleinasien, Nordsyrien und dem Alten Testament. Internationales Symposium Hamburg 17.–21. März 1990, Fribourg/Göttingen, 67–85.

      HORNUNG, Erik (1982): Der ägyptische Mythos von der Himmelskuh. Eine Ätiologie des Unvollkommenen, Fribourg/Göttingen.

      JANOWSKI,


Скачать книгу