Wörterbuch alttestamentlicher Motive. Группа авторов
Klaus (1962): Der Spruch „Sein Blut bleibe auf seinem Haupt…“, in: Vetus Testamentum 12, 396–416.
KUNZ-LÜBCKE, Andreas (2007): Interkulturell lesen! Die Geschichte von Jiftach und seiner Tochter in Jdc 11,30 in textsemantischer Perspektive, in: L. Morenz, S. Schorch (Hrsg.): Was ist ein Text? – Ägyptologische, altorientalistische und alttestamentliche Perspektiven, Berlin–New York, 258–283.
MAUSS, Marcel (1923/24): Die Gabe. Die Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften, Frankfurt a.M., nachgedruckt u.a. 2009.
MICHEL, Andreas (2003): Gott und Gewalt gegen Kinder im Alten Testament, Tübingen.
SCHOTT, Siegfried (1938): Das blutrünstige Keltergerät, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 74, 88–93.
SCHWARTZ, Joshua (1993): Treading the Grapes of Wrath. The Wine Press in Ancient Jewish and Christian Tradition, in: Theologische Zeitschrift 49, 215–228.311–324.
WRIGHT, David P. (1987): The Disposal of Impurity. Elimination Rites in the Bible and in Hittite and Mesopotamian Literature, Atlanta.
Ulrike Sals
Bote → Engel
Bruder
Geschwisterverhältnisse gehören zu den grundlegenden Konstellationen menschlichen Daseins und sind in biblischen und altorientalischen Quellen (z.B. aus der hethitischen Großreichszeit; Annalen Muršiliš II. 1345–1315 v. Chr.) zahlreich belegt. Zwar bezeichnet Bruder vorwiegend, wie im zeitgenössischen Sprachgebrauch, ein ursprünglich biologisches Verhältnis zwischen zwei Individuen, doch kann es auch zur Bezeichnung von weiterer Verwandtschaft oder von kultureller oder historischer Nähe gebraucht werden.
1 Bedeutungsspektrum
„Bruder“ bezeichnet zunächst ein biologisches Verwandtschaftsverhältnis zu Geschwistern, Stiefoder Halbgeschwistern (1 Sam 16,13; 17,17.28; 2 Sam 13,4; vgl. Gen 42,13.32: „Brüder, Söhne eines Mannes/unseres Vaters“ und Dtn 13,7: „dein Bruder, der Sohn deiner Mutter“). Dieses Verhältnis kann nicht immer eindeutig geschieden werden von Bruderschaft als Verwandtschaft im weiteren Sinne, wie in der Formulierung Gen 37,27 „unsere Brüder, unser Fleisch“. Terminologisch sind folgende Begriffe belegt, die sich auf Bruderschaft beziehen: „Bruder des Vaters“ (Lev 18,14), „Onkel“ (Lev 10,4; 20,20 u. zweimal in 25,49; Num 36,11; 1 Sam 10,14–16; 14,50; 2 Kön 24,17; Jer 32,7–9,12; Am 6,10; 1 Chr 27,32; Est 2,7.15), „Schwester des Vaters“ (Lev 18,12; 20,19; Ex 6,20), „Frau des Bruders des Vaters“ (Lev 18,14; 20,20), „Bruder der Mutter“ (Gen 28,2; 29,10), „Schwester der Mutter“ (Lev 18,13; 20,19), „Frau des Bruders“ (Lev 18,16) und in Gen 12,5 „Sohn des Bruders“ (vgl. JENNI 1971). Die männliche Bezeichnung „Bruder“ dominiert auffällig, lediglich in Problemsituationen wird die Schwester speziell in den Blick genommen, z.B. in Gen 34 Dina als einzige Schwester der „Söhne Israels“.
Nicht im biologischen Sinne begründete Verwandtschaftsbeziehungen zu einem Bruder umfassen die Beziehung zwischen Freunden wie David und Jonatan in 2 Sam 1,26 (→ Freundschaft), zwischen Verbündeten, zwischen Kollegen, Mitgliedern eines Gemeinwesens (2 Sam 3,8; Jer 9,3; Ps 35,14; ähnlich wie „Nächster“ in Sach 14,13; Ri 7,21–22), zwischen Bündnispartnern wie Hiram und Salomo in 1 Kön 9,13 oder zu Gesinnungsgenossen: Simeon und Levi als (echte) Brüder mit Waffen, mit denen sie physische Gewalt ausüben (Gen 49,5), Leviten als Brüder (Num 8,26) oder Leviten als Brüder der Priester (2 Chr 29,34).
„Bruder“ kann als metonymische Bezeichnung zwischen individueller Erzählmotivik und historischer Repräsentanz gebraucht werden. Genealogische Systeme bilden Relationen zu bekannten Kulturen in Verwandtschaftssystemen ab, innerhalb derer das Bruderverhältnis eine Gleichzeitigkeit bzw. die Verhältnisbestimmung grundsätzlich vergleichbarer Kulturen zueinander bezeichnen kann; vgl. die geographisch aus der Perspektive Palästinas gebotene Aufteilung der bekannten Bevölkerung in der Völkertafel (Gen 10) in Noahs Söhne, den drei Brüdern: Sem im Nord- und Südosten, Mesopotamien, Syrien, die arabische Halbinsel; Ham, die süd-südwestliche Mittelmeerküste; Jafet nördlich-nordwestlich, d.h. Kleinasien, Ägäis, Zypern.
Innerhalb der israelitischen Geschichtsüberlieferung können Brudererzählungen narrativ kulturelle bzw. geschichtliche Verbindungen darstellen. Die Erzählüberlieferung von Jakob und Esau stellt das Nachbarschaftsverhältnis zwischen Edom und Israel in einer Bruderrelation dar, wobei sie die Konkurrenz zwischen Zwillingen erzählerisch ausgestaltet. Die Erzählung verwendet Motive, mit denen sie den Streit zwischen den beiden Nationen Israel und Edom in pränataler Zeit (Gen 25,22–23), bei der Geburt (Gen 25,24–25) sowie in der Kindheit (Gen 25,27) antizipiert. Das Bruderverhältnis spiegelt mit erzählerischen Mitteln in einigen Zügen das Verhältnis zwischen den metonymisch bezeichneten Nationen wider – vermutlich bezeichnet Esaus Alter das kulturgeschichtliche Alter Edoms im Verhältnis zu Israel. Der Verkauf des Erstgeburtsrechts (Gen 25,29–34), der → Betrug des Bruders um den väterlichen Segen (Gen 27,1–40) und der dadurch entstandene Hass (Gen 27,41–46) führen zur Flucht des Bruders Jakob zu Laban, dem Bruder der Mutter. Die Rückkehr nach vielen Jahren ist erst nach Jakobs Aussöhnung mit Esau möglich, die er durch Geschenke erreicht (Gen 32,1–21; 33,1–15). Sie führt zur territorialen Trennung: Esau siedelt in Seïr und Jakob in Sichem in Kanaan (Gen 33,14.15–17.18). Das Bruderverhältnis kann auch die Unterschiede kultureller Lebensformen widerspiegeln, z.B. ist der eine Bruder Jäger und der andere Feldbauer (Gen 25,27). Am 1,9 erwähnt den „Bruderbund“ zwischen nationalen Größen; genannt werden Tyrus und Israel, was vermutlich auf ein Bündnis zwischen Edom und Israel anspielt.
Die Josefsgeschichte (Gen 37; 39–50) beschreibt das Verhältnis der zwölf Jakobssöhne untereinander als Diasporaerzählung. Die Erzählung des Verkaufs des Lieblingssohnes Josef an eine midianitische Karawane und nach Ägypten dient innerhalb der Erzählung als Ätiologie, um beispielhaft eine typische Aufstiegserzählung eines Judäers an einem fremden Hof und die Überlegenheit judäischer Kultur (Diasporanovelle) zu beschreiben und mit Hilfe der Josefsgestalt eine judäische Diasporaexistenz in Ägypten zu erklären. Durch das Bruderverhältnis hebt die Erzählung insbesondere Jakobs Liebe zu den Rachelsöhnen Josef und Benjamin hervor sowie Josefs Überlegenheit gegenüber seinen Brüdern. Die Erzählung entfaltet verschiedene Aspekte der Bruderschaft: Den Hass zwischen Brüdern, der sich gegen Josef richtet, die Intention, Josef zu töten, den Verkauf des Bruders, die spätere Hilfe des Bruders in Ägypten für seine hungernden Verwandten in Israel (Gen 42–44) sowie die Versöhnung unter Brüdern nach einem Konflikt (Gen 45; 46–48; 50,15–21).
Individuelle und kollektive Bruderverhältnisse setzt die Fehde zwischen den Männern Davids und den Männern Israels in 2 Sam 2,12–17 voraus. Der israelitische Militärführer Abner bezeichnet die Verfolgung von Israeliten und Judäern als Streit zwischen Brüdern (2 Sam 2,26), der in der Konsequenz zur Ausrottung des Volkes führen kann (2 Sam 2,28). Eingefügt in den Kontext des Krieges zwischen Israel und Juda schildert eine Nahkampfszene den Tod des Judäers Asael durch Provo kation im Kampf (2 Sam 2,18–23), sowie in dessen Folge, wie Asaels Tod seine Brüder Joab und Abischai zur Blutrache provoziert (2 Sam 2,24), sodass der Konflikt von Brüdern auf der kollektiven Ebene (Israel, Juda) und zugleich im Rahmen einer Individualhandlung dargestellt wird.
Der prophetische Kommentar in 1 Kön 12,21–24 aus nachexilischer Zeit gipfelt in einer vom Propheten Schemaja verkündeten JHWH-Rede, in der der Prophet einen potentiellen von Juda provozierten militärischen Konflikt mit Israel moralisch verwirft und ihn als Streit zwischen Brüdern ausweist.
2 Kontexte der Bruder-Motivik
Die Problematik der Nachfolgeregelung angesichts konkurrierender Thronfolgeansprüche zwischen den Brüdern eines Monarchen diskutiert die Thronfolgeerzählung an den Brüdern Absalom (2 Sam 13–19), Salomo (2 Sam 11–12; 1 Kön 1–2) sowie des nach Absalom geborenen Adonia (1 Kön 1,5–11.41–53).
Regeln