Die Kolonie Tongalen. Chris Vandoni

Die Kolonie Tongalen - Chris Vandoni


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      »Entschuldige, wenn ich so hereinplatze«, sagte sie unsicher. »Ich wusste nicht, dass du jemand anderen erwartet hattest.«

      »Ich dachte, es wären Eric und Ernest«, erwiderte er nicht weniger verlegen.

      »Soll ich draußen warten?«

      »Worauf warten?«, fragte er verwundert.

      »Bis du dir etwas angezogen hast.«

      »Ach so. Nein, es reicht, wenn du dich umdrehst.«

      Sie ging zum Fenster und blickte nach draußen in die Morgendämmerung.

      So eine vertrackte Situation, dachte er. Da saß er splitternackt auf dem Bett, und vor ihm stand eine bildhübsche Frau und sah aus dem Fenster.

      »Ich verschwinde kurz im Bad«, sagte er, kramte seine Sachen zusammen und verschwand.

      Eine Viertelstunde später saßen sie sich in bequemen Hoversesseln gegenüber.

      »Du hattest es vorgestern ziemlich eilig«, bemerkte Christopher lakonisch.

      »Ja, tut mir leid, dass ich so überstürzt abgehauen bin.«

      »Du hattest bestimmt deine Gründe.«

      Sie zupfte nervös an ihren Haaren, während er zurückgelehnt im Sessel saß und ihr dabei zusah.

      »Mir ist aufgefallen, dass du bei der Erwähnung des Namens Mark Henderson ziemlich erschrocken reagiert hast«, fuhr er fort, ohne sie aus den Augen zu lassen.

      »Ja, ich weiß«, entgegnete sie. Ihr Blick war nach unten gerichtet.

      »Kennst du ihn?«

      »Nicht besonders. Ich habe ihn ein paarmal in der Firma gesehen, als er zu Besprechungen anwesend war, aber bis dahin nie persönlich mit ihm zu tun gehabt.«

      »Wie ist der Name der Firma, in der du arbeitest?«

      »Norris & Roach.«

      Christopher war darüber nicht sonderlich überrascht. »Das ist einer der größten Pharmakonzerne weltweit. Nein, das ist sogar der größte.«

      »Stimmt, aber hier in der Niederlassung in Geneva gibt es vorwiegend administrative Büros und nur wenige Forschungslabors.«

      »Du arbeitest in einem dieser Labors?«

      »Ja, aber wir sind leider nicht an den ganz großen Sachen dran. Die Arbeit hier ist ziemlich langweilig.«

      »Weißt du etwas über unseren Auftrag?«

      Sie zögerte, dann antwortete sie: »Ich wurde einmal unfreiwillig Zeuge eines Gesprächs zwischen diesem Henderson und einem meiner Vorgesetzten.«

      »Ging es dabei um unseren Auftrag?«

      »Ich bin mir nicht sicher. Ich habe nur einen Teil des Gesprächs mitbekommen. Daraus wurde ich nicht ganz schlau.«

      »Deswegen hattest du Ärger?«

      Sie nickte. »Ein anderer Vorgesetzter hat gesehen, dass ich mich zum Zeitpunkt des Gesprächs in der Nähe aufhielt, und schloss daraus, dass ich gelauscht und zumindest einen Teil des Gesprächs mitbekommen hatte.«

      »Leuchtet mir ein.«

      »Es verging keine halbe Stunde, da wurde ich zu meinem direkten Vorgesetzten zitiert, der mir einen gehörigen Rüffel verpasste.«

      »Du hast dich nicht rechtfertigt? Es war doch keine Absicht.«

      »Hab ich, aber er hat mir nicht geglaubt. Und wozu dann weiterstreiten, die Bosse haben doch immer recht.«

      »Leider gibt es viele solche.«

      Erneut ertönte der Türsummer. Diesmal sah Christopher vor dem Öffnen der Tür nach, wer davor stand. Ernest und Eric winkten auf dem Monitor, worauf Christopher die Tür öffnen ließ. Die beiden betraten das Zimmer und grüßten. Überrascht blieben sie stehen, als sie Michelle im Sessel sitzen sahen.

      »Darf ich euch vorstellen. Das ist Michelle Evans.« Danach zeigte Christopher zu Ernest und Eric und fuhr fort: »Das sind Ernest Walton und Eric Daniels, meine Freunde und Arbeitskollegen.«

      Michelle erhob sich, lächelte die beiden verlegen an und streckte ihnen die Hand entgegen. »Hallo.«

      Ernest erwiderte den Gruß misstrauisch, während Eric sein freundlichstes Gesicht aufsetzte. Dann wandte sich Ernest an Christopher und flüsterte: »Was macht die denn hier?«

      Christopher antwortete nicht darauf und bat alle, Platz zu nehmen. Anschließend wiederholte er kurz, was er bisher von Michelle erfahren hatte.

      »Sie hatten noch nie persönlich mit Mark Henderson zu tun?«, fragte Ernest nicht minder misstrauisch als vorher.

      »Nein.«

      »Sie haben ihn auch nicht unmittelbar vor der Begegnung mit Christopher in der Hotelbar getroffen?«

      Michelle starrte Ernest verzweifelt an.

      »Warum wollten Sie uns das verschweigen?« Ernest Stimme wurde etwas energischer. »Was hatten Sie mit Mark zu besprechen, was wir nicht wissen sollten?«

      Michelles Gedanken rotierten. Sie war freiwillig hierhergekommen, um sich bei Christopher für ihren ungebührlichen Abgang zu entschuldigen. Nun bereute sie ihren Entscheid, weil sie sich damit in große Schwierigkeiten gebracht hatte. Sie durfte ihnen die Wahrheit nicht sagen, sonst war alles verloren.

      »Beim Verlassen der Firma bin ich Mark Henderson über den Weg gelaufen, und er flüsterte mir zu: Wir müssen reden«, begann sie zaghaft ihre Erklärung. »Dann drückte er mir unauffällig ein Kärtchen in die Hand und verschwand eilig.«

      »Was stand darauf?«

      »Der Name des Hotels und der Bar, ein Datum und eine Uhrzeit. Also bin ich hingegangen.«

      »Das war vorgestern Abend, bevor wir unseren Zusammenstoß hatten?«, fragte Christopher sicherheitshalber.

      »Ja.«

      »Worüber habt ihr gesprochen?«

      Sie zögerte und blickte zum Fenster. »Er hat mir Fragen gestellt und versucht herauszufinden, wie viel ich von dem Gespräch mitbekommen habe. Also habe ich ihm erzählt, was ich gehört hatte.«

      »Wie viel weißt du denn?«

      »Scheinbar nicht viel, denn ich habe nur wenig mitbekommen. Eigentlich habe ich nur unfreiwillig ein paar Gesprächsfetzen aufgeschnappt. Ich habe sie mir nicht gemerkt. Was mir geblieben ist, sind ein paar Wörter wie Chemische Substanzen. Dann war noch die Rede von irgendeinem Medikament. Sie hatten dafür einen Namen, aber den hab ich vergessen. Und sie redeten über Nachrichten und Informationen. Aber um was es dabei ging, hab ich ebenfalls nicht mitbekommen. Vielleicht können Sie mir ja mehr darüber erzählen.«

      »Das dürfen wir nicht.«

      »Das habe ich mir schon gedacht.«

      »Worüber habt ihr sonst noch geredet?«

      »Nichts mehr, was den Auftrag direkt betraf. Aber er hat mir gedroht, ich würde ernsthafte Schwierigkeiten bekommen, wenn ich irgendetwas darüber weitererzählen sollte. Oder wenn ich versuchen würde, weitere Einzelheiten in Erfahrung zu bringen.«

      »So kenne ich Mark gar nicht. Aber ich kann jetzt verstehen, dass du so erschrocken reagiert hast, als ich dir seinen Namen nannte.«

      Sie hob den Kopf und sah ihm in die Augen, sagte aber nichts. Er konnte die Angst in ihrem Gesicht erkennen. Ernest und Eric saßen schweigend daneben.

      »Was ist?«, fragte er sie nach einer Weile.

      »Ich glaube, ich werde beschattet«, antwortete sie ängstlich.

      »Von Mark?«

      »Nein, aber mir ist ein Typ aufgefallen, der sich an denselben Orten befand, an denen ich mich aufgehalten hatte. Ich glaube nicht,


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