Die Kolonie Tongalen. Chris Vandoni
Michelle hatte damit begonnen, ihre Sachen zusammenzusuchen und sie in eine Tasche zu packen. Da sie nicht viel besaß, war dies schnell erledigt.
Nach einer knappen halben Stunde standen sie auf der Schwelle der Wohnungstür und ließen ihre Blicke noch einmal durch den Raum gleiten. Für Michelle bedeutete dies der Abschied von einer Umgebung, in der sie für eine gewisse Zeit gelebt hatte. Aber es machte nicht den Anschein, als würde sie ihr nachtrauern.
»Gehen wir«, sagte sie kurz und emotionslos und schloss die Tür. Sie packten die beiden Taschen und verließen das Haus.
Der Mann saß in einem geschlossenen Gleiter mit getönten Scheiben. Er beobachtete, wie Michelle und Christopher das Haus betraten und es nach einer halben Stunde wieder verließen.
Unmittelbar bevor sie hier eingetroffen waren, hatte er das Apartment durchsucht, den bestimmten Gegenstand jedoch nicht gefunden. Er nahm an, dass sie ihn bei sich trug. Er hatte damit gerechnet, dass sie hier auftauchen würde und sich das Problem einfach lösen ließ. Dass sie aber in Begleitung erschien, verkomplizierte die Sache.
Als er sah, wie Michelle und Christopher mit dem Taxigleiter losfuhren, folgte er ihnen in sicherem Abstand. Vielleicht ergab sich später noch eine weitere Gelegenheit, ihr den Gegenstand abzunehmen, denn er durfte das Ziel auf keinen Fall erreichen.
13.
Als sie mit dem Taxigleiter auf dem Rückweg waren, stellte Christopher fest, dass Michelle immer wieder durchs Rückfenster blickte. Irgendwann sagte er zu ihr: »Beruhige dich. Wir sind bald da. Es wir schon nichts passieren.«
»Ich glaube, wir werden verfolgt«, erwiderte sie sorgenvoll. »Da ist ein anderer Taxigleiter mit getönten Scheiben. Er stand am Straßenrand, als wir losfuhren und fährt seither hinter uns her.«
»Das könnte Zufall sein.«
»Er stand aber schon da, als wir bei meiner Wohnung ankamen.«
Christopher drehte den Kopf und sah so unauffällig wie möglich nach hinten. Tatsächlich konnte er das von Michelle erwähnte Fahrzeug sehen. Anscheinend gab sich der Fahrer große Mühe, sich hinter anderen Fahrzeugen zu verstecken. Zudem waren auch die getönten Scheiben, die er bei einem Taxigleiter bisher noch nie gesehen hatte, ein verdächtiges Indiz.
Spontan befahl er ihrem automatisch gesteuerten Taxigleiter, bei der nächstmöglichen Gelegenheit anzuhalten. Als sie wenig später am Straßenrand standen, blickte Christopher erneut unauffällig aus dem Rückfenster. Das verdächtige Fahrzeug hatte ebenfalls angehalten und wartete. »Du hattest recht. Wir werden tatsächlich verfolgt. Der andere hat ebenfalls angehalten.«
»Glaubst du mir jetzt, dass irgendjemand hinter mir her ist?«, sagte Michelle.
»Ja, aber es ist noch lange nicht gesagt, dass Mark dahintersteckt.«
»Er ist es bestimmt.«
Christopher gab ihrem Taxigleiter die Anweisung mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit zum Flughafen zu fahren. Doch kaum waren sie gestartet, setzte sich auch das andere Fahrzeug wieder in Bewegung. Michelle wurde immer unruhiger.
Ihr Verfolger gab sich nun keine Mühe mehr, seine Absicht zu verbergen. Mit riskanten Überholmanövern verringerte er den Abstand zu ihnen mehr und mehr.
»Das kann unmöglich ein automatisch gesteuerter Taxigleiter sein, so wie der fährt«, sagte Christopher als er einmal mehr durchs Rückfenster geschaut hatte. »Dieses Fahrzeug wird manuell gesteuert. Es scheint jemand am Steuer zu sitzen, der das sehr gut beherrscht.«
Nach einigen weiteren Fahrminuten befand sich der Verfolger direkt hinter ihnen und ignorierte jeglichen Sicherheitsabstand.
»Kann denn unser Taxi nicht etwas schneller fahren?«, fragte Michelle verzweifelt.
»Es hält sich an die Verkehrsregeln, was man von unserem Verfolger nicht behaupten kann.«
Durch die Aufforderung an ihr Taxigleiter, möglichst schnell zu fahren, nutzte das Fahrzeug jede sich bietende Möglichkeit, andere Fahrzeuge zu überholen und anhand von laufenden Verkehrsanalysen die derzeit schnellste Route zu wählen. Doch all das hinderte ihren Verfolger nicht daran, sich an ihre Fersen zu heften und unmittelbar hinter ihnen zu bleiben.
Bodengleiter schwebten zwar über den Boden, konnten aus Sicherheitsgründen jedoch lediglich eine maximale Höhe von anderthalb Meter über dem Boden erreichen, was es ihnen unmöglich machte, vertikale Überholmanöver auszuführen.
Als Christopher sich erneut umdrehte, stellte er fest, dass das Fahrzeug ihres Verfolgers langsam zu steigen begann. »Das ist doch nicht möglich«, sagte er erstaunt.
Auch Michelle sah nun wieder aus dem Rückfenster und erkannte, was Christopher meinte.
Der Verfolger hatte mittlerweile die zweifache Höhe ihres Taxigleiters erreicht und schickte sich an, über sie hinwegzufliegen.
»Das ist definitiv kein Taxigleiter, auch wenn er so aussieht«, musste Christopher mit Ernüchterung feststellen. »Bei der nächsten Straße rechts abbiegen!«, wies er ihren Gleiter spontan an.
Als sie abbogen, konnten sie gerade noch sehen, wie der fremde Gleiter über sie hinweg geradeaus weiterfolg, daraufhin scharf abbremste und sich anschickte zu wenden. Es dauerte nicht lange, tauchte er hinter ihnen wieder auf. Erneut gab Christopher dem Gleiter den Befehl, auf dem derzeit schnellsten Weg zum Raumhafen zu fahren, worauf er bei der nächsten Kreuzung rechts abbog. Hier war der Verkehr jedoch ziemlich dicht, sodass es für den Verfolge keine Möglichkeit gab, sich vor sie zu setzen. Daher reihte er ich wieder bodennahe unmittelbar hinter ihnen in den Verkehr ein.
Glücklicherweise wurde der Verkehr, je mehr sie sich dem Raumhafen näherten, noch dichter. Der Verfolger blieb jedoch hartnäckig hinter ihnen und schien auf eine Gelegenheit zu warten, um zuzuschlagen. Christopher fragte sich, was passieren würde, wenn sie beim Raumhafen ankamen und aus dem Taxigleiter stiegen. Würde der Verfolger dann zuschlagen und sie angreifen?
Christopher kramte seinen Kommunikator hervor, schrieb eine Nachricht und schickte sie ab.
»Wem hast du geschrieben?«, fragte Michelle neugierig.
»Rick Blattning. Er ist ein langjähriger Freund von uns und Mitglied des Diplomatischen Rat der Erde. Ich habe ihm die Situation kurz geschildert und ihn gebeten, kurzfristig vor der Einfahrt zum Raumhafen eine Polizeikontrolle anzufordern.«
»Geht das so schnell?«
»Mit seinen Beziehungen sollte das kein Problem sein.«
»Da bin ich mal gespannt.« Michelle blickte noch mal zurück, konnte aber hinter der getönten Frontscheibe des fremden Gleiters niemanden erkennen.
Eine halbe Stunde später näherten sie sich dem Raumhafengelände. Der Verfolger hatte nach wie vor keine Gelegenheit gefunden, sie zu überholen, saß ihnen aber immer noch im Nacken.
»Wir nähern uns der Raumhafeneinfahrt. Gleich müssten wir die Kontrolle sehen.« Christopher wies ihren Gleiter an, langsamer zu fahren, worauf sich der Abstand zum Gefährt vor ihnen mehr und mehr vergrößerte. Es dauerte nicht lange, stieg ihr Verfolger langsam in die Höhe und setzte zu einem vertikalen Überholmanöver an.
»Ich frage mich, was er damit bezweckt«, sagte Christopher. »Will er etwa mitten auf der Fahrbahn anhalten und über uns herfallen? Hier gibt es doch zu viele Zeugen.«
Der fremde Gleiter verschwand langsam aus dem Blickfeld des Rückfenster.
»Er ist jetzt genau über uns.«
»Wo ist die Kontrolle?«, fragte Michelle ängstlich.
Christopher hielt nach vorne Ausschau, antwortete aber nicht, da er sie ebenfalls noch nirgends sehen konnte.
»Er darf sich nicht zu früh vor uns setzen«, sagte Christopher und wies den Gleiter an, ein bisschen schneller zu fahren. Als er sich vorbeugte, um durch die Frontscheibe nach oben zu schauen, konnte er bereits den Bug des fremden Gleiters erkennen, der sich langsam