Die Kolonie Tongalen. Chris Vandoni
und nahm einen weiteren Schluck. »Wann müssen wir aufbrechen?«
»Es wäre gut, wenn ihr möglichst schnell starten könntet.«
Ernest überlegte kurz. »Meine Leute befinden sich gerade nicht in der Nähe. Eric macht Urlaub, und Christopher befindet auf einer Fotosafari.«
»Wie schnell können sie hier sein?«
»Theoretisch innerhalb eines Tages. Die Frage ist nur, ob sie darüber begeistert sein werden, ihre momentane Tätigkeit abzubrechen.«
»Eure Reise wird gut bezahlt. Es sind ja zwei Aufträge.«
»Damit kannst du sie nicht ködern. Geld ist ihnen nicht wichtig.«
»Dir wird schon etwas einfallen. Ich würde den Auftrag ungern jemand anderem geben.«
»Ich bin überzeugt, das brauchst du auch nicht.« Ernest lächelte versöhnlich.
»Wo steht euer Raumgleiter?«
»In einem Hangar hier in Geneva. Eigentlich hätte er mal wieder eine Generalüberholung nötig.«
»Solltet ihr technische Probleme haben, im Gelände des Raumhafens von Tongala befindet sich eine Zweigstelle einer irdischen Wartungsgesellschaft, in der ihr euren Raumgleiter vor dem Rückflug kontrollieren und überholen lassen könnt.«
»Ich hoffe nicht, dass wir Probleme haben werden.«
»Man kann nie wissen. Wart ihr schon einmal im TONGA-System?«
»Nein, bisher nicht. Was weißt du über den Planeten und die Kolonisten?«
»Ihre Sozialstruktur ist ziemlich einfach. Ursprünglich waren es Auswanderer aus den verschiedensten Ecken der Erde. Ihre Technik hat sich jedoch seit der Besiedlung des Planeten nur in bestimmten Bereichen weiterentwickelt. Die Leute pflegen einen sehr einfachen Lebensstil. Es gab nie Probleme mit ihnen. Aber wenn alles nach Plan verläuft, werdet ihr mit der Bevölkerung kaum Kontakt haben.«
»Wie sind die klimatischen Bedingungen?«
»Der Sauerstoffgehalt und die Gravitation sind etwas geringer als auf der Erde. Es gibt nur einen einzigen großen Kontinent. Der Rest besteht aus einem riesigen Ozean.«
»Temperaturen?«
»Kommt drauf an, wo ihr landet. Die Polkappen sind vereist, am Äquator ist es zu heiß und zu trocken. Unmittelbar nördlich davon befindet sich eine feuchtwarme Tropengegend. Tongalen selbst befindet sich an der Westküste in gemäßigten Breitengraden der nördlichen Hemisphäre. In den äquatorialen Trockengebieten und im Inneren des Kontinents gibt es riesige Sandstürme, die sich kilometerweit auftürmen, während es in den tropischen Gegenden heftige Unwetter mit sintflutartigen Regenfällen und Überschwemmungen geben kann.«
»Keine Gegend für Urlaub.«
»Definitiv nicht. Kannst du mir bis morgen Abend Bescheid geben?«
»Kein Problem Ich werde sofort mit Eric und Christopher Kontakt aufnehmen.«
5.
Eric Daniels saß in der Lobby des Concorde El Salam Hotels in Kairo und blätterte auf seinem Kommunikator in einem digitalen Reiseprospekt. Er hatte jedoch nicht vor, eine Rundreise zu den Pyramiden zu buchen, sondern betrachtete die Bilder lediglich aus Langeweile, da sich sein persönlicher Touristenführer wieder einmal verspätete.
Das Concorde El Salam lag im modischen Heliopolis auf der Ostseite Kairos, nur wenige Kilometer vom internationalen Raumhafen und etwa fünfundzwanzig Kilometer vom Stadtzentrum entfernt.
Trotz seiner fünfundsechzig Jahre war Erics Tatendrang und seine Abenteuerlust noch lange nicht verblasst. Er hatte das Schreiben aufgegeben, weil es seiner Ansicht nach nichts mehr über die Erde zu schreiben gab. Seine Bücher hatten vorwiegend grenzwissenschaftliche Bereiche thematisiert. Zu Beginn seiner Karriere wurden seine Thesen von der Fachwelt nur belächelt. Man hatte ihn sogar als Scharlatan bezeichnet, schrieb er doch vorwiegend von Außerirdischen, die in der Frühzeit der menschlichen Evolution die Erde besucht und sich mit den damaligen Urmenschen vermischt hätten.
Als sich die Menschheit in jüngster Zeit anschickte, den Weltraum zu erobern und eines Tages auf einem fernen Planeten eines anderen Sonnensystems Spuren von humanoiden Wesen entdeckte, wurde Eric als Visionär gefeiert. Doch sein Ruhm verblasste schnell, und es dauerte nicht lange, da ging der Erfolg seiner Veröffentlichungen massiv zurück. Nachdem seine Thesen nicht mehr kontrovers genug waren, interessierte sich praktisch kein Mensch mehr dafür.
Eric hatte in den letzten Jahren an Leibesfülle etwas zugelegt, was ihm mit seiner Größe von einem Meter siebzig nicht zum Vorteil gedieh. Sein dunkelgraues, kurzes Haar trug er meist nach hinten gekämmt.
Seine Hektik aus früheren Zeiten hatte sich etwas gelegt, doch auch heute hielt er es nur schwer an einem Ort aus. Andererseits war er immer bereit für ein ausgelassenes Fest, bei dem es stets die allerbesten Weine zu trinken gab. Als ehemaliger Hotelier war er ein exzellenter Fachmann.
Mit seinem Beitritt zu Ernests Transportunternehmen begann für ihn ein neuer Lebensabschnitt. Nachdem er auf der Erde genug geforscht hatte, nahm er sich vor, die Tiefen der Galaxis zu ergründen.
Das Summen des Kommunikators riss ihn aus den Gedanken. Im Hörer des Headsets vernahm er Ernest Waltons Stimme. »Hallo Eric, immer noch im Urlaub?«
»Klar, was denkst du denn? Wenn ich schon mal auf der Erde bin. Ist ja in letzter Zeit selten genug vorgekommen.«
»Dann schwing deinen Hintern nach Geneva. Es gibt Arbeit. Ich wohne im Intercontinental an der Chemin Du Petit Saconnex.«
»Ich weiß, wo das ist. Ist es denn so dringend?«
»Scheint so. Dafür werden die Aufträge gut bezahlt.«
»Du sprichst in der Mehrzahl. Das riecht nicht nur nach Arbeit, sondern nach viel Arbeit.«
»Nicht unbedingt. Es sind zwei Aufträge, die wir in einem Flug erledigen können.«
»Das klingt schon besser.« Eric atmete erleichtert aus.
»Wann kannst du hier sein?«
»Rein theoretisch könnte ich sofort aufbrechen.«
»Okay. Ich versuche noch, Christopher zu erreichen. Ich weiß gar nicht, wo der sich gerade herumtreibt.«
»Als ich das letzte Mal mit ihm gesprochen habe, war er gerade in Kalkutta. Soviel ich weiß, wollte er zu einem Gletscher im Himalaja.«
Ernest bedankte sich und unterbrach die Verbindung.
Eric erhob sich aus dem Kunstledersessel und begab sich zur Rezeption. Er checkte aus, bezahlte seine Rechnung und buchte einen direkten Flug nach Geneva.
Eine Stunde später saß er in einem halbgefüllten Fluggleiter und blätterte weiter durch den Prospekt über Pyramiden.
6.
Christopher Vanelli spürte mit jedem Schritt, wie ihm schwindlig wurde, was auf den geringeren Sauerstoffgehalt der Luft in dieser Höhe zurückzuführen war. Er hatte sich gegenüber dem Bergführer bisher nichts anmerken lassen, aber nun verstärkte sich der Effekt so sehr, dass er es nicht mehr verbergen konnte.
Sein Begleiter Dawa Tshering, ein Einheimischer aus dem tibetischen Hochland, hatte dies jedoch schon längst erkannt und sein Tempo sukzessiv an Christophers Leistungsfähigkeit angepasst, ohne dass dieser davon etwas bemerkt hatte.
Christopher, knapp einen Meter neunzig groß und schlank, kannte Dawa schon seit einiger Zeit. Es war nicht das erste Mal, dass er mit seinem tibetischen Freund zu einer der letzten Gletscherregionen auf der Erde im Gebiet des Himalaja unterwegs war.
Christopher war von Gletschern fasziniert. Vor den großen Krisen gab es sie noch an vielen Orten auf der Erde. Doch während des massiven Klimawandels seit Ende des zwanzigsten Jahrhunderts waren die meisten von ihnen dahingerafft worden. Bevor sich Christopher Ernest Walton und Eric Daniels angeschlossen