Der Hüter der Sphären. Chris Vandoni

Der Hüter der Sphären - Chris Vandoni


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zu antworten starrte sie ihn apathisch an. Es schien, als blicke sie durch ihn hindurch. Christopher kannte diesen Zustand. Alles deutete darauf hin, dass sie einmal mehr mit ihrer Sphäre in Kontakt stand.

      Endlich vernahm er ihre Stimme, konnte aber nicht verstehen, was sie sagte.

      »Wasser«, wiederholte sie.

      »Was ist mit dem Wasser?«, fragte er.

      »Ich muss ins Wasser.«

      »Das geht doch nicht. Du würdest ertrinken.«

      Er setzte sich neben sie, zog seinen Regenumhang aus und bedeckte damit ihre und seine Schultern. Behutsam legte er seinen Arm um sie und zog sie an sich. Sofort spürte er ihren Kopf an seiner Schulter. Kurz darauf wandte sie sich ihm zu, umarmte ihn und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals.

      Schweigend saßen sie an die Felswand gelehnt, dem heftigen Regen und den ungestümen Böen ausgesetzt. Einige Meter von ihnen entfernt brandete Welle für Welle ans Ufer und überflutete einen großen Teil des vor ihnen liegenden Strands. Wäre jetzt nicht Ebbe, würden die Wellen mit ihrer ganzen Urgewalt an die Felswand schlagen.

      Nehas Zittern hatte sich gelegt. Während sie sich noch fester an ihn schmiegte, spürte er ihren warmen Atem an seinem Hals.

      Plötzlich griff sie nach seiner Hand, führte sie unter dem Pullover zu ihrem Bauch und legte sie sanft darauf.

      Wärme. Leben. Eine Woge der Ruhe und des Friedens durchflutete ihn, ließ ihn die Augen schließen und abtauchen. In seinen Gedanken verwandelte sich die Umgebung in eine lichtdurchflutete, riesige Kuppel, formten sich skurrile, blaue Türme. Die Geräusche des Sturms rückten in den Hintergrund, verwandelten sich in Stille und Geborgenheit.

      »Ahen kommt.«

      Nehas Worte drangen wie durch einen dumpfen Schleier zu ihm. Seine Hand streichelte ihren Bauch, als wollte er das ungeborene Kind liebkosen.

      »Wann?«, fragte er.

      »Sehr bald.«

      »Es wird alles gut gehen.«

      Dann entstand eine schweigsame Pause.

      »Ich muss zu meiner Sphäre«, sagte Neha nach einer Weile. »Ich muss ihn dort zur Welt bringen.«

      »Dafür müssten wir nach TONGA-II fliegen.«

      »Ja.«

      »Wann?«

      »So schnell wie möglich.«

      Als Kim drei Stunden später zu Hause ankam, sah sie ihren Nachbarn Benjamin Rosenberg alleine auf seiner spärlich beleuchteten Veranda sitzen. Schon aus einiger Entfernung bemerkte sie, dass mit ihm etwas nicht in Ordnung war. Für gewöhnlich saß er nie alleine im Garten, sondern immer zusammen mit seiner Frau.

      Kim parkte den Roller vor ihrem Bungalow, verstaute den Helm im Gepäckkasten und schritt langsam auf das Grundstück der Rosenbergs zu.

      »Hallo Ben«, rief sie aus einiger Entfernung.

      »Kim«, sagte er und winkte ihr zu.

      »Wie geht’s dir?«

      »Na ja, es geht so. Und dir?«

      »Danke gut. Wo ist Jenny?«

      Benjamins Gesichtsausdruck verdüsterte sich. Er senkte seinen Blick.

      »Ist etwas passiert?«, erkundigte sich Kim besorgt.

      Eigentlich wollte sie Benjamin von ihrer Begegnung mit den eigenartigen Schwärmen erzählen. Doch als sie seinen Gemütszustand bemerkte, rückte dieses Erlebnis in den Hintergrund.

      »Jenny ist angeblich zu ihrer Mutter gefahren. Als ich nach Hause kam, fand ich eine Notiz auf dem Notepad. Die Speicherzeit zeigte zwanzig Uhr dreiundzwanzig an. Also ist sie gestern Abend gleich nach der Arbeit gefahren.«

      »Sie hat dir vorher nichts davon gesagt?«

      »Nein. Das sieht ihr gar nicht ähnlich.«

      »Hat sie geschrieben, warum sie gefahren ist?«

      »Nein, aber ich habe vor einer halben Stunde ihre Mutter angerufen. Nur, die wusste nichts davon und war völlig überrascht.«

      »Hattet ihr Streit?«

      »Um Gotteswillen, nein. Wo denkst du hin?«

      »Sonst ist nichts passiert?«

      »Nicht, dass ich wüsste … Sie war in letzter Zeit vielleicht etwas ruhiger als sonst. Aber nicht so, dass man sich darüber hätte Sorgen machen müssen.«

      »Hast du sie nach dem Grund gefragt?«

      »Nein, ich hatte nicht darauf geachtet. Aber jetzt, wo sie weg ist, ist es mir plötzlich eingefallen. Wahrscheinlich bilde ich es mir auch nur ein.«

      Die Rosenbergs waren ein liebenswertes Ehepaar in den Sechzigern. Benjamin arbeitete als Geschichtslehrer an der Schule, während Jenny als Sachbearbeiterin bei der Niederlassung des Pharmakonzerns Norris & Roach in Tuba City ihren Anteil zum Lebensunterhalt beitrug.

      Seit Kim in ihren Bungalow eingezogen war, hatte sich zwischen ihr und den Rosenbergs ein herzliches Nachbarschaftsverhältnis entwickelt. Man half sich gegenseitig aus, wenn etwas fehlte; man achtete aufs Haus, wenn die Gegenseite in den Urlaub fuhr. Kim fütterte die Katzen der Rosenbergs und gab den Hauspflanzen Wasser, während die Rosenbergs umgekehrt nicht so viel zu tun hatten, da Kim weder Haustiere noch Zimmerpflanzen besaß.

      »Hat sie dir gegenüber irgendetwas erwähnt?«, fragte Benjamin, während Kim vor sich hin sinnierte.

      »Oh, entschuldige, ich war gerade in Gedanken versunken. Was hast du gefragt?«

      »Ob sie dir vielleicht etwas erzählt hat. Ich meine, so im Vertrauen, von Frau zu Frau.«

      »Nein, nicht, dass ich wüsste. Ehrlich nicht. Ich kann mir echt nicht vorstellen, was mit ihr nicht in Ordnung sein sollte.«

      Benjamin dachte einige Augenblicke nach. Dann murmelte er: »Also, ich werde mir jetzt etwas zu essen machen. Großen Hunger habe ich zwar nicht.« Er sah kurz zu Kim, erhob sich und wollte sich auf den Weg ins Haus machen, als er sich noch einmal umdrehte und sagte: »Wenn du möchtest, können wir zusammen etwas essen. Alleine macht es keinen Spaß.«

      »Sehr gerne. Ich geh mich nur schnell umziehen und etwas frisch machen und komme dann rüber.«

      »Okay, einen Drink lehnst du nicht ab, oder?«

      »Nein, bestimmt nicht«, antwortete sie schmunzelnd.

      Benjamin drehte sich um und verschwand im Haus. Kim blieb noch ein paar Sekunden nachdenklich stehen, ging ebenfalls heim und schloss die Tür auf. Im Vorbeigehen griff sie nach ihrem Kommunikator, der einsam auf der Kommode im Flur lag, und erkundigte sich nach eingegangenen Nachrichten. Während ihrer regelmäßigen Streifzüge durch die Wüste ließ sie das Gerät bewusst zu Hause. Sie wollte in der freien, unberührten Natur alleine und ungestört sein.

      Keine neuen Nachrichten. Auch gut, dachte sie.

      Zwei Stunden später saßen Kim und Benjamin immer noch am Tisch und plauderten über alltägliche Dinge. Das von Benjamin zubereitete Abendessen hatte vorzüglich geschmeckt. Der Wein hatte sein Gemüt etwas aufgeheitert. Aber zwischendurch versank er immer wieder ins Grübeln.

      »Heute ist mir etwas Unheimliches passiert«, begann Kim irgendwann, als Benjamin erneut schweigsamer wurde. Sofort blickte er auf und sah ihr in die Augen.

      »Ich war wieder beim Canyon. Auf der Rückfahrt flitzte plötzlich etwas vor mir über den Weg. Ich hielt an, ging zurück, fand aber nichts. Doch nicht dies war das Unheimliche, sondern das, was danach geschah.«

      Benjamin blickte sie neugierig an.

      »Als ich so auf dem Boden kauerte, sah ich am Abgrund plötzlich einen dunkelgrauen Schwarm. Zuerst dachte ich, es


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