Der Hüter der Sphären. Chris Vandoni

Der Hüter der Sphären - Chris Vandoni


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es ausgeschlossen, dass sie von der Erde hierhergelangt sind, sondern umgekehrt.«

      Christopher starrte Kevin verwundert an. »Wie sollen sie denn in den Lake Wostok ge…«

      Noch bevor er seine Frage vollständig ausgesprochen hatte, traf ihn die Antwort wie ein Geistesblitz. »Eine Sphäre.«

      »Genau«, bestätigte Kevin. »Eine andere Möglichkeit sehen wir nicht.«

      »Das würde heißen, die Sphäre aus dem Lake Wostok müsste auch im See hier auf TONGA-II gewesen sein.«

      »So muss es gewesen sein. Wir vermuten, dass dies geschah, bevor der See mit einer Eisschicht zugedeckt wurde.«

      Christopher dachte eine Weile über Kevins Aussage nach. Es passte alles zusammen. Die Sphären hatten die Erde seit ihrer Entstehung überwacht. Sie mussten gewusst haben, dass sich irgendwann intelligentes Leben entwickeln würde. So auch hier auf TONGA-II. Wie viele Planeten gab es im Universum noch, die von ihnen überwacht wurden und die ebenfalls intelligentes Leben hervorgebracht hatten oder es noch würden?

      Doch eine andere Frage bereitete Christopher weit mehr Kopfzerbrechen: Wer waren die Wesen, für die die Sphären all diese Planeten überwachten? Er hatte bei seinem Aufenthalt in Nehas Sphäre erfahren, dass die Erbauer der Sphären einer unbekannten außerirdischen Spezies angehörten, die seit Jahrmillionen das gesamte Universum bevölkerten und mit den Partikeln in Symbiose lebten.

      Sein Interesse an diesen fremden Wesen war mehr denn je geweckt. Aber er wusste auch, dass der Weg zu ihnen zum einen über die Sphären und zum anderen über die Nanopartikel führte. Daher wandte er sich an Sil.

      »Gibt es Neues bei deiner Partikelforschung?«

      Sil Weaver war Nanotechnikerin und arbeitete für gewöhnlich in Rick Blattnings Technologiekonzern. Doch seit einigen Monaten unterstützte sie das Forschungsteam, das bei den Bohrungen zum untereisischen See auf dieselben Nanopartikel gestoßen war, die schon früher sowohl im Lake Wostok auf der Erde wie auch im untereisischen Meer unter dem Eispanzer des Jupitermondes Europa entdeckt worden waren. Dass diese Partikel außerirdischen Ursprungs waren, galt seit dem Fund auf dem Jupitermond als erwiesen. In welchem Zusammenhang all diese Fundorte zueinander standen, war nach wie vor unbekannt.

      Die Partikel selbst besaßen im Kollektiv große Fähigkeiten, deren Ausmaß ebenfalls nicht vollständig bekannt war. Zum einen lenkten und beeinflussten sie die Sphären, große, transparente Energiekugeln, die zur einen Hälfte mit Wasser und zur anderen mit einem anpassbaren Luftgemisch gefüllt und seit langer Zeit im gesamten Universum auf der Suche nach geeignetem Rohmaterial waren, aus dem neue Partikel generiert werden konnten. Die vor kurzem gefundenen Partikel auf MOLANA-III hatten sich jedoch als ungeeignet, ja sogar als äußerst gefährlich erwiesen.

      Zum anderen waren die Partikel in der Lage, Lebewesen zu beeinflussen. Wie stark dieser Einfluss sein konnte, war ebenfalls nicht bekannt. Ob Menschen ihres eigenen Willens beraubt werden konnten, wussten sie nicht. Sil hoffte, durch ihre Forschung mehr darüber zu erfahren.

      »Über die Partikel selbst gibt es nichts Neues. Lediglich die Bestätigung, dass es sich bei den in den untersten Eisschichten gefundenen um dieselben Partikel handelt, die auch auf dem Grund des Sees, in der Nähe der Sphäre sowie in ihrem Innern entdeckt worden sind.«

      »Das bestätigt auch die Annahme, dass die Sphäre schon seit Urzeiten da unten liegt«, kommentierte Kevin.

      »Und es deckt sich mit den Informationen, die ich damals von Nehas Sphäre erhalten habe«, fügte Christopher hinzu.

      »Wie geht es Neha eigentlich?«, fragte Kevin.

      »Den Umständen entsprechend gut. Sie hat in letzter Zeit das Alleinsein vorgezogen. Ich nehme an, sie steht oft mit ihrer Sphäre in Verbindung.«

      »Hat sie einen Grund genannt, warum sie ihr Kind unbedingt dort zur Welt bringen will?«

      »Nein, aber bei meinem letzten Aufenthalt in einer der Kugeln hat mir dieser Junge namens Ahen berichtet, er sei der neue Hüter der Sphären.«

      »Ist er nicht das Produkt einer Mentalprojektion?«

      »Dachte ich auch, aber anscheinend steckt mehr dahinter. Er behauptete jedenfalls, Neha und ich wären seine Eltern. Am Ende unserer Begegnung, als wir ihn fragten, ob wir ihn wiedersehen würden, meinte er, wir müssten zunächst dafür sorgen, dass es ihn in Zukunft auch wirklich geben werde.«

      »Du glaubst, Neha wird ihn demnächst zur Welt bringen?«

      »Neha glaubt daran. Ich bin mir nicht so sicher. Gezeugt wurde er aber vor meiner ersten Begegnung mit ihm.«

      »Dann könnte es sich um eine von Neha ausgehende Projektion gehandelt haben.«

      »Das hatte ich zuerst auch gedacht. Dem widerspricht jedoch die Tatsache, dass unser Freund Ernest Walton ihm schon vor über sechzig Jahren begegnet ist.«

      »Das ist allerdings merkwürdig.«

      Plötzlich summte Kevins Kommunikator.

      »Was gibt’s?«, fragte er.

      »Das Tauchboot ist bereit«, hörten sie aus dem Lautsprecher.

      »Dann lasst uns abtauchen.«

      Eine halbe Stunde später standen sie vor der Einstiegsluke des Tauchbootes. Christopher stieg als erster ein, gefolgt von Neha und Michelle. Kevin bildete den Schluss und verschloss den Einstieg hinter sich. Dann setzte er sich auf den Pilotensessel und aktivierte das Steuersystem.

      Kurz darauf setzte sich das Boot an den Gleitschienen entlang nach unten in Bewegung, durchquerte die Dekontaminations- und die Druckausgleichsschleuse und verließ wenig später den Schacht. Die Umgebung außerhalb des Bootes verdunkelte sich sofort. Auch als das Boot die Wasseroberfläche berührte und untertauchte, änderte sich daran nichts. Kevin übergab der Schiffssteuerung die Koordinaten des Sphärenstandortes und schaltete die Scheinwerfer ein.

      Michelle saß neben Neha auf einem der beiden hinteren Sitze und beobachtete das Geschehen schweigend. Seit dem Start des Tauchbootes konnte sie bei Neha eine ungewohnte Nervosität erkennen. Ihr Atem ging teilweise ruckartig, und sie änderte häufig ihre Sitzposition im Sessel. Konnte es sein, dass sie von ihrem Vorhaben nicht hundertprozentig überzeugt war?

      Kevin beschleunigte und ließ das Boot senkrecht in die Tiefe tauchen. Minuten vergingen, in denen sich weder das Bild im Panoramafenster noch auf den Anzeigen änderte. Nur die Zahl des Tiefenmessers stieg in gleichbleibender Geschwindigkeit.

      Michelle wusste nicht, wie lange sie schon unterwegs waren, als unter ihnen plötzlich das vertraute blaue Leuchten erschien. Die Sphäre schien sie zu erwarten und machte sich bemerkbar.

      Kevin drosselte die Geschwindigkeit und steuerte das Boot auf das Licht zu. Dieses verstärkte sich beinahe zu einem Weiß, bevor es den Anschein erweckte, es befände sich überall um sie herum. Wenig später schwächte es sich wieder ab, während sich gleichzeitig das Blau intensivierte.

      »Ich bin gespannt, ob wir auch diesmal wieder zusammen mit dem Boot reingeholt werden«, sagte Kevin.

      Doch bis es soweit war, mussten sie sich noch gedulden. Es dauerte eine ganze Weile, bis die Lichtpunkte erschienen, auf sie zuschossen und sie einhüllten.

      Michelle erinnerte sich an Christophers Schilderung über seinen ersten Tauchgang zum selben Ort, als die Lichtpunkte ins Innere des Bootes drangen, seinen Körper umhüllten und er sich gleich darauf an einem anderen Ort wiederfand. Damals hatte die Sphäre nur seinen Körper aus dem Boot geholt. Sämtliche anderen Gegenstände, auch seine Kleider und Schuhe, waren zurückgeblieben.

      Als sie die mittlerweile vertrauten Lichtpunkte außerhalb des Bootes sah, wartete sie nur darauf, dass sie auch diesmal ins Innere dringen und sie alle umhüllen würden.

      Aber sie taten es nicht. Stattdessen wurde das Tauchboot durch immer mehr Lichtpunkte eingehüllt, bis von dem blauen Licht dahinter nichts mehr zu sehen war. Gespannt starrte sie durch das Panoramafenster nach draußen. Die Lichtpunkte


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