Der Hüter der Sphären. Chris Vandoni

Der Hüter der Sphären - Chris Vandoni


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zu. Ich floh auf einen großen Stein und stach mit einem Holzstecken mitten hinein. Doch dieser gab gleich nach, als würde er im Boden versinken.«

      »Du bist sicher, dass es keine Insekten waren?«

      »Ja, die einzelnen Partikel des Schwarms waren kaum auszumachen. Der Stecken wurde dann vollständig aufgelöst, als hätte ihn der Schwarm gefressen.«

      »Ich kenne keine Insekten, die Holz so schnell auflösen können.«

      »Das dachte ich mir auch. Also bin ich blitzartig abgehauen, als noch weitere Schwärme auftauchten.«

      Benjamin schien in Gedanken versunken.

      »Kommt dir das bekannt vor?«, fragte ihn Kim nach einigen Augenblicken.

      »Ich hatte nur gerade an etwas gedacht. Es gab vor etwa hundertzwanzig Jahren einen Vorfall in einem Pharmakonzern mit einem Phänomen, auf das deine Beschreibung passen könnte. Aber das Problem wurde damals gelöst.«

      »Was war das für ein Vorfall?«

      »Man hat mit einer Art von Nanopartikeln experimentiert, bis sie mutierten und großen Schaden anrichteten. Es gab einige Tote.«

      »Du glaubst, es könnten solche Partikel gewesen sein?«, fragte Kim erschrocken.

      »Deiner Beschreibung nach könnte es sich um ähnliche Partikel handeln. Aber es ist ausgeschlossen, dass von den damaligen Experimenten nach so langer Zeit noch etwas übrig ist.«

      »Welcher Pharmakonzern war es denn?«

      »Einer der größten. Norris & Roach.«

      »Das ist doch der, bei dem Jenny arbeitet.«

      »Die haben weltweit viele Niederlassungen. Derjenige in Tuba City, in dem sie arbeitet, ist unbedeutend und klein. Ich weiß gar nicht, was genau die da machen. Jenny darf ja nichts verraten.«

      »Von den Experimenten in der Vergangenheit habe ich noch nie etwas gehört. Woher weißt du davon?«

      »Als Geschichtslehrer befasse ich mich viel mit der Vergangenheit. Damals wurde in den Medien ausführlich über diesen Vorfall berichtet. Aber irgendwann verschwand die Angelegenheit von der Bildfläche und es interessierte niemanden mehr.«

      »So ist es oft, wenn etwas Schlimmes passiert«, sagte Kim verächtlich. »Zuerst wird fast über nichts anderes berichtet, bis die Menschen es nicht mehr sehen oder hören können. Aber wie es danach für die Betroffenen weitergeht, interessiert niemanden mehr.« Kim dachte kurz nach. »Könnte es sein, dass irgendjemand erneut mit solchen Partikeln experimentiert?«

      »Davon ist mir nichts bekannt. Aber man weiß ja nie, was im Geheimen alles vor sich geht.« Benjamin machte eine kleine Pause, bevor er sagte: »Lass mich etwas nachsehen.«

      Er griff nach seinem Kommunikator. Kim rutschte mit dem Stuhl neben ihn und blickte gespannt auf das Display.

      »Da haben wir es«, sagte er. »Ein altes Dokument, in dem diese Experimente von damals beschrieben werden. Ich weiß auch nicht, warum ich es aufbewahrt habe. Aber hier drin steht, in welcher Niederlassung von Norris & Roach diese Vorfälle passierten.«

      Benjamin blätterte eine Weile auf seinem Kommunikator. Dann hielt er plötzlich inne, starrte kurz auf das Display und schob das Gerät zu Kim. Gespannt blickte sie an die Stelle, auf die sein Finger zeigte. Dann sah sie es und erstarrte.

      Norris & Roach, Tuba City.

      Kim hob ihren Blick und sah Benjamin bestürzt in die Augen. »Jenny …«, hauchte sie entsetzt.

      »Ja, und der Ort befindet sich nur einhundert Kilometer östlich von der Stelle entfernt, an der dir die Schwärme begegnet sind.«

      Kurz nach dem Start vom regionalen Raumhafen von Cork war die Space Hopper in den Hyperraum eingetaucht und von der Bildfläche eines jeden Ortungsgeräts verschwunden. Michelle hatte zuvor Rick Blattning kontaktiert und ihm von der Dringlichkeit ihres Fluges berichtet. Dank seinen guten Beziehungen hatten sie eine Ausnahmegenehmigung für einen schnellen Abflug ohne lange Wartezeit und ohne große Formalitäten erhalten.

      Es blieb auch keine Zeit, um David Mitchell und seine Freundin Jamalla Sahil aus ihrem Urlaub in Australien abzuholen. Zudem hatte ihnen David beim letzten Gespräch über den Kommunikator mitgeteilt, dass Jamalla schwanger sei und er sich überlegen würde, auf weitere Raumflüge zu verzichten, um sich auf das Familienleben vorzubereiten.

      Somit hatte sich das Team auf Michelle, Neha und ihn selbst reduziert. Christopher hatte sich bereits Gedanken über einen neuen Copiloten gemacht. Dabei war ihm spontan Devian Tamlin eingefallen, den Gleiterpiloten aus Tongalen, mit dem sie sich während des Aufstands angefreundet hatten und der sich bei der letzten Begegnung bereits für diesen Posten interessiert hatte. Christopher nahm sich vor, ihn nach der Rückkehr zu kontaktieren.

      Obwohl sie über keine Flugerfahrung verfügte, übernahm Michelle auf diesem Flug zumindest symbolisch die Rolle des Copiloten. Neha hatte sich in eine eigene Kabine zurückgezogen und ruhte sich aus. Sie verweilte die meiste Zeit in ihrem seit einigen Wochen typischen meditativen Zustand, in dem sie Kontakt zu ihrer Sphäre unterhielt. Während des Flugs durch den Hyperraum wurde der Raumgleiter mittels Autopiloten gesteuert, sodass sich auch er und Michelle in ihrer Kabine Ruhe gönnen konnten.

      Nach dem Eintauchen in den Normalraum innerhalb des TONGA-Systems offenbarte sich Christopher und Michelle ein mittlerweile vertrautes Bild. Für Neha hingegen bedeutete es die erste Rückkehr zu ihrem Heimatplaneten auf ­konventionellem Weg.

      Christopher steuerte unverzüglich den Nordpol an. Michelle nahm mit dem leitenden Wissenschaftler Kevin Steffen Kontakt auf und kündigte ihm ihre bevorstehende, unplanmäßige Ankunft an. Kevin, der sich durch das nicht lange zurückliegende gemeinsame Abenteuer mit dem Team der Space Hopper verbunden fühlte, freute sich sehr darüber. Michelle teilte ihm den Grund des überraschenden Besuchs mit, worauf Kevin ihnen versicherte, sofortige Vorbereitungen für einen Tauchgang in den untereisischen See in die Wege zu leiten.

      Auf dem Grund dieses Gewässers, zum größten Teil im Boden vergraben, lag seit Urzeiten eine Sphäre. Bei ihrem letzten Abenteuer hatte Christopher eigenmächtig einen waghalsigen Tauchgang unternommen und war ins Innere dieser fremden Kugel geholt worden. Nach einem weiteren Transfer in eine andere Sphäre war er überraschend der tot geglaubten Neha begegnet.

      Christopher zeigte sich erleichtert darüber, dass es für einen schnellen Tauchgang keine Hindernisse gab und dass Kevin sich bereit erklärte, ihn und seine Gefährtinnen zu unterstützen. Kevin bot sogar an, sie beim Tauchgang zu begleiten und das Boot zu steuern.

      Nach der Landung am Nordpol versammelten sich Christopher und Michelle zusammen mit Kevin und Sil Weaver im Aufenthaltsraum, versorgten sich, während das Tauchboot vorbereitet wurde, mit Snacks und Getränken und informierten sich gegenseitig über die neuesten Errungenschaften und Erlebnisse. Neha hatte es vorgezogen, bis das Tauchboot bereit war, in ihrer Kabine an Bord der Space Hopper zu bleiben.

      »Wir haben im Wasser Mikroorganismen entdeckt«, berichtete Kevin. »Nach eingehenden Untersuchungen stellten wir fest, dass es dieselben oder ähnliche Organismen sind wie jene, die schon im einundzwanzigsten Jahrhundert im Lake Wostok in der Antarktis auf der Erde entdeckt worden sind.«

      »Ist ein Irrtum ausgeschlossen?«, fragte Christopher skeptisch.

      »Ja, die Abweichungen sind derart minimal, dass es sich nur um geringe Mutationen handeln kann. Ein weiterer Faktor unterstützt diese Theorie. Die Organismen, die wir hier gefunden haben, sind wesentlich älter als jene im Lake Wostok. Wir gehen davon aus, dass dies der Grund für die kleinen Unterschiede ist.«

      »Kann es Zufall sein, dass auf zwei verschiedenen Planeten in verschiedenen Sonnensystemen dieselben Organismen gedeihen?«

      »Kaum.«

      »Aber das würde heißen, dass sie den Weg von einem zum anderen Planeten gefunden haben. Fragt sich dann nur, von welchem zu welchem.«

      »Hier


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