Ein Blockhaus in der Einsamkeit. Nicole Lischewski
werden die Baumstämme zurechtgesägt
Nicole im Zeltlager
„Ja, wir sägen an den beiden Enden aller waagerechten Stämme so eine Art Zapfen heraus, der dann in die Rillen in den Stützpfeilern greift.“
„Aber da müssen wir ja jeden waagerechten Stamm erst ganz nach oben hieven und ihn von oben zwischen die Stützpfeiler treiben!“
„Hm.“ Ich sah Chris an. So weit hatten wir noch gar nicht gedacht. „Vielleicht können wir eine Art Kran konstruieren“, schlug er vor. „Bei der normalen Blockhausmethode werden die langen Stämme doch über eine Art Rampe hochgerollt“, sagte ich.
„Das wird dann aber für das obere Stockwerk schon etwas haarig, meint ihr nicht?“ Frank hob fragend die Thermoskanne und schenkte uns allen Tee ein.
„Die Chris Czajkowski hat das irgendwie anders gemacht“, grübelte ich. „So detailliert hat sie das alles nicht beschrieben, aber ich glaube, sie hat die waagerechten Stämme mit irgendwelche Latten an den senkrechten festgehalten.“
„Und das hält eine ganze Wand?“, fragte Frank. „Habt ihr diese Baumethode denn nicht mal irgendwo angewandt gesehen?“
„Nein, aber da fällt uns schon noch was ein! So kompliziert ist der Hausbau nicht“, sagte Chris. „Für mein Blockhaus in Atlin habe ich auch nur in ein altes Buch geguckt und mir ein paar Häuser im Ort als Muster angesehen.“
„Solange die Wände im Lot bleiben … Viel kann man eigentlich nicht verkehrt machen“, meinte ich und erhob mich, um die Essenssachen wegzuräumen.
Im Zelt stand auf dem zweiflammigen Campingkocher, der von einer Propangasflasche gespeist wurde, noch der Topf mit dem Rest Soße. Ich räumte ihn mäusesicher in eine der Essenskisten, die entlang der Wände neben Kartons und Plastikkisten voller Kleidung, Bücher, Werkzeug, Lebensmittel und Hundefutter gestapelt waren. Bewegen konnte man sich nur in einem schmalen Gang in der Mitte, aber wir veranstalteten ja keine Tanzpartys. Ich streckte meine schmerzenden Arme, spürte die harte Arbeit der letzten Tage in meinen Rückenmuskeln. Anfang Juli war es bereits, und alles, das wir bisher gebaut hatten, waren acht Zementsockel! Ich suchte im Zelt nach dem Buch von Chris Czajkowski, um die Stellen über den Hausbau noch einmal nachzulesen.
Schlimmstenfalls könnten wir auch noch in den Winter hinein im Walltent ausharren, falls der Hausbau länger als geplant dauerte; das Zelt war mit einem Holzofen bestückt, der Chris und mir bereits im Februar während des Bäumefällens gute Dienste geleistet hatte. Aber eine verlockende Aussicht war das nicht. Unruhig blätterte ich im Buch.
Unser Zeltlager
Hausbau auf Wildnisart
Bei der Arbeit mit der Kettensäge liegen oft die Nerven blank
Hausbau auf Wildnisart
Tagish Lake, Mitte August 2005.
Müde tappte ich aus dem Zelt in die Dämmerung hinaus, ganz leise, um Chris nicht zu wecken. Die Hunde, die an ihren Leinen schliefen, damit sie bei mitternächtlichen Geräuschen nicht aus dem Zelt rannten, kuschelten ihre Nasen tiefer unter die Ruten.
Ein kühler Lufthauch umstrich meine nackte Haut, als ich mich einige Meter entfernt zum Pinkeln hinhockte. Zum ersten Mal seit Monaten war es nachts dunkel genug, dass ich Sterne am Himmel funkeln sah. Meine halbgeschlossenen Augen wanderten vom Himmel zu den ersten gelben Weidenblättern – Herbst. Und hinter dem Weidenbusch … ein unförmiger Schatten, der dort nicht hingehörte.
Plötzlich waren meine Augen riesengroß und ich hellwach. Keine zehn Meter von mir entfernt bewegte sich das dunkle Ding – ein Bär!
Erste Begegnung mit einem Bärennachbarn
„Oh, Mist“, flüsterte ich, konnte aber nicht zu pinkeln aufhören. Wie hypnotisiert starrte ich den Schwarzbären an, der mich ebenso gebannt beobachtete. Mein Herzschlag klopfte in meiner Kehle.
„Ich bin ein Mensch“, wisperte ich eindringlich. Das Tier hatte wohl noch nie einen nackten Zweibeiner gesehen, der wasserlassend vor ihm auf der Erde kauerte.
Plötzlich zuckte der Bär zusammen und sprang mit einem gewaltigen Satz in die Büsche, wo ihn sofort die Dämmerung verschluckte. Ich stand auf, froh, dass er das Weite gesucht hatte, aber ich hatte mich zu früh gefreut: Das Laub raschelte, und prompt war der Schwarzbär wieder da. Er richtete sich halb auf und witterte, konnte sich anscheinend keinen Reim auf mich machen. Mein Pulsschlag jagte noch immer in meinen Ohren, dabei waren es doch nur ein paar Meter bis zum Zelt, und das Tier war offensichtlich ganz verdattert. Bedrohlich verhielt sich der Bär nicht. Alles in Ordnung, beruhigte ich mich.
„Buh“, sagte ich und wandte mich zurück zu den Hunden, Chris und dem millimeterdünnen Zeltstoff, der uns vom Geschehen im Gesträuch trennte. Es krachte, und ohne Rücksicht auf Verluste rannte der Bär durchs Gebüsch davon, fort von mir, unter Ästeknacken und -geprassel nichts wie den Hügel hinunter in Richtung See, auf der Flucht vor dem blasshäutigen Zweibeingespenst. Chris' verschlafene Stimme tönte aus dem Zelt und die Hunde schlugen an, wie sie es fast jede Nacht in der letzten Woche getan hatten. Nun wusste ich, warum.
„Alles okay“, rief ich. Meine Haut prickelte vor Aufregung. Ich begann zu zittern, nicht nur vor Erleichterung. Es gab sie also doch, die Wildtiere! Wir hatten sie nicht alle verscheucht. Lebensfreude und Glück durchströmten mich; eine wilde Freude darüber, dass ich hier war, mit meinem Freund, unseren Hunden und einem halbfertigen Blockhaus mitten im herbstlichen Wald, wo man in der Dämmerung Zwiesprache mit einem Bären halten konnte.
„Verdammt noch mal!“ Missmutig setzte ich die Kettensäge ab und betrachtete die Nut, die ich aus dem Stammende herausgesägt hatte. Wie üblich war sie schief geraten. Ich sah zu Frank hinüber, der konzentriert vor seinem Stamm kniete und langsam mit Bleistift anzeichnete, wo er die Säge ansetzen musste.
Unser Nut- und Fugensystem
„Bei mir wird das nie was“, bekannte ich. Wenn ich wenigstens wüsste, was ich verkehrt machte. Es schien, als ob bei identischer Vorgehensweise Franks Stämme jedes Mal gelangen, während meine selbst mit Nachsägen nie so richtig passten. Chris hatte ebenfalls kein Händchen und keine Geduld für die akribische Nut-und-Fugen-Arbeit: Er sägte mit der Alaskan Mill, einem Aufsatz für die Kettensäge, den ganzen Tag lang die Stämme zurecht, sodass sie zwei flache Seiten zum Aufeinanderliegen hatten. In Akkordarbeit stellte er die Dutzende von Brettern her, die wir nicht nur für als Fußbodenbohlen, sondern auch für Fenster- und Türrahmen sowie Dachgebälk benötigten. Eine staubige, laute Arbeit, um die wir ihn nicht beneideten.
Frank zuckte die Achseln. „Schau dir doch das Werkzeug an, mit dem wir arbeiten! Das kann ja nur ungenau werden.“
„Bei mir auf jeden Fall.“ Ich schleppte das bereits geschälte Stämmchen zum Bau, wo sich die Blockhauswände inzwischen in den Himmel reckten. Isolierendes Moos hing zwischen den Stämmen heraus, und an der Südseite gähnten die beiden großen Fensteröffnungen.
Ich schob den Stamm auf die halbfertige Ostwand. Mit einem Ende steckten die waagerechten Stämme bereits in der Fuge des Stützpfeilers, während der zweite Stützpfeiler noch nicht gesetzt war: Unsere Lösung des Problems mit den waagerechten Stämmen. Erst wenn die Wand ganz in die Höhe gezogen war, schoben wir den zweiten Stützpfeiler heran und nagelten ihn an den Fußbodenbohlen