Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands 1929 – 1945. Frank Baranowski

Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands 1929 – 1945 - Frank Baranowski


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des Internationalen Suchdienstes Arolsen, des „Service des Victimes de la Guerre“ in Brüssel, der Staatsarchive Freiburg, Münster und Wolfenbüttel, der Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung“ in Warschau, der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung (Zentralnachweis zur Geschichte von Widerstand und Verfolgung 1933 – 1945 auf dem Gebiet des Landes Niedersachsen) sowie der Thüringer Landesanstalt für Umwelt. Für ihr überragendes persönliches Engagement und den unermüdlichen Einsatz gebührt besonderer Dank Frau Karola Wagner (Leiterin des Referats R 4 des Bundesarchivs), Frau Ingrid Glogowski (Stadtarchiv Blankenburg), Frau Anke Boeck (Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Dessau) und Frau Katrin Weiss (Thüringisches Hauptstaatsarchiv), Frau Roswitha Henning (Stadtarchiv Mühlhausen) und Frau Barbara Speiser (Museum der Stadt Sömmerda).

      Herr Heinz W. Pahlke hat sich in ambitionierter Weise um die Gestaltung und die Satzlegung des Buches gekümmert. Dafür sei ihm an dieser Stelle ebenfalls gedankt.

      Dafür, dass das Buch überhaupt gedruckt werden konnte, gebührt dem Verlag Rockstuhl Anerkennung. Ohne ihn und das selbstlose Engagement hätte das Buch nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickt.

      Zu einem Zeitpunkt, als im gesamten Deutschen Reich Kriegsführung und -rüstung erste Zerfallserscheinungen zeigten, der bevorstehende Zusammenbruch der Fronten sich abzeichnete und gezielte Luftangriffe der Alliierten die Schaltstellen der Rüstungsindustrie massiv lähmten, gab es in quasi letzter Minute Bestrebungen, wichtige Rüstungsbetriebe namentlich der Flugzeugindustrie in den Südharz zu verlegen. Dies, obwohl die Region um Nordhausen bis dahin in der Rüstungspolitik keine wesentliche Rolle gespielt hatte. Mit Ausnahme der unterirdischen Munitionsanstalten, die das Heer ab 1934 in stillgelegten Kaliwerken von Bernterode bis Sondershausen eingerichtet hatte, war im Gegensatz zum angrenzenden Gau Südhannover-Braunschweig ein nennenswerter rüstungskonjunktureller Aufschwung bis Mitte 1943 ausgeblieben; allenfalls Zulieferaufträge gingen in geringem Umfang an Betriebe südöstlich des Harzes. Auch hatten sich bis zu dem Zeitpunkt nur wenige Firmen zum Zwecke der Kriegsproduktion in Nordthüringen neu angesiedelt, so etwa die Gerätebau GmbH oder der Röhrenhersteller Lorenz in Mühlhausen. In den westlichen Harzkreisen Goslar und Osterode bot sich hingegen ein anderes Bild. Dort ließ sich in den Jahren 1934 bis 1938 eine Vielzahl neu gegründeter Betriebe nieder; eine Vorrangstellung nahmen dabei die chemische und die metallverarbeitende Industrie ein. In Göttingen verzeichneten Unternehmen der Feinoptik starke Zuwächse, ein weiteres wichtiges Standbein stellten Luftwaffenaufträge dar.1 Noch weitaus prononcierter war die Entwicklung in und um Braunschweig. Die Grundlagen dafür hatte die Reichswehr bereits Anfang der 1930er Jahre mit ihrem Bestreben gelegt, sich trotz der auferlegten Beschränkungen des Versailler Vertrages ein engmaschiges Netz an Zulieferern für den „Bedarfsfall“ zu schaffen. Eine Vielzahl gerade alteingesessener Unternehmen profitierte davon. Bereits frühzeitig warben sie Rüstungsaufträge ein, die ihnen das Überleben in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sicherten, bevor sie später ganz von Rüstungsaufträgen abhängig wurden. So entstand – zudem durch die Ansiedlung der Reichswerke Hermann Göring und einiger anderer mit Staatsmitteln alimentierter Firmen – eine Industriedichte, die im Reichsgebiet beispiellos blieb und zur Gründung ganzer Städte (Salzgitter, Wolfsburg) führte.2

      Diese Ausweitung der Kriegsproduktion im Gau Südhannover-Braunschweig hatte zur Folge, dass in zunehmendem Maße Fremd- und Zwangsarbeiter herangezogen, später auch mehr und mehr KZ-Sklaven eingesetzt wurden. Da in der nordthüringischen Industrie ein solcher rüstungskonjunktureller Aufschwung nicht stattfand, blieb die Nachfrage nach ausländischem Personal zunächst gering. Erst mit der verstärkten Einberufung zur Wehrmacht im Zusammenhang mit dem Überfall auf die Sowjetunion begann ein stetiger Anstieg der Zahl der Fremd- und Zwangsarbeiter; bis Ende 1943 war das allerdings nur in den wenigsten Fällen auf eine wesentliche Aufstockung der Rüstungskapazitäten zurückzuführen. Allein Rheinmetall-Borsig behauptete mit seinem Betrieb in Sömmerda eine Sonderstellung. Der Konzern hatte in Thüringen unter Missachtung der Bestimmungen des Versailler Vertrages bereits im April 1921 die Zünderfertigung wieder aufgenommen und im Folgejahr die Entwicklung einer neuen Maschinenpistole vorangetrieben. Im Oktober 1922 beauftragte die Reichswehr das Unternehmen, die gesamte von den Alliierten für Deutschland zugelassene Menge an Zündern herzustellen.3

      Unmittelbar nach der Machtübernahme begann Rheinmetall-Borsig mit einer stetigen Ausweitung seiner Kriegsproduktion in Sömmerda, die von nun an nicht mehr verdeckt betrieben werden musste. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich das Werk zum bedeutendsten Rüstungsunternehmen Nordthüringens, stand damit jedoch allein und völlig losgelöst von der sonstigen Entwicklung in der Region. 1944 beschäftigte Rheinmetall Sömmerda zeitweise 13.000 Arbeitskräfte; damit mehr als die im Juni 1944 jeweils 12.000 Beschäftigten bei Hanomag oder Conti, den beiden größten Unternehmen des Rüstungskommandos Hannover.4 Die wirtschaftliche Situation in Nordthüringen änderte sich in dem Moment, als die Raketenmontage in die von der Wirtschaftlichen Forschungsgesellschaft (Wifo) geschaffene und von Häftlingen des eigens gegründeten Buchenwalder Außenkommandos Dora unter unmenschlichen Bedingungen ausgebaute Stollenanlage bei Niedersachswerfen verlagert wurde. In ihrer Verblendung plante die NS-Führungselite seit dem Frühjahr 1944, nach dem Beispiel „Dora“ weitere Produktionsstätten in Nordthüringen unter Tage zu dislozieren, vorrangig solche der Flugzeugindustrie, wie es das Heer seit 1934 vorexerziert hatte. Dadurch bedingt wurden fast explosionsartig weitere KZ-Außenlager gegründet, um deren Insassen als Arbeitssklaven auf den zahlreichen Baustellen der Sonderstäbe auszubeuten, bis ihre Lebenskräfte sie verließen. Keine dieser projektierten und unter hohen Menschenopfern in Angriff genommenen „Großanlagen“ ging in Betrieb.

      Gleichzeitig fand ab Mitte 1943 in immer stärkerem Umfang eine oberirdische Verlagerung von wichtigen Rüstungsbetrieben in diesen „Mittelraum“ statt. Die Betriebsverlegungen nahmen derartige Ausmaße an, dass spätestens im zweiten Quartal 1944 kaum mehr freier Produktionsraum zur Verfügung stand und das Rüstungskommando dazu überging, im ganzen Gebiet Wirtschaftszweige insbesondere der Textilindustrie, zugunsten rüstungsindustrieller Verlagerungsbetriebe stillzulegen. Deren Nutznießer war erneut vor allem die Flugzeugindustrie, die damit zu einer führenden Stellung in Nordthüringen gelangte. Federführend war dabei der Junkers-Konzern, der zahlreiche seiner dezentralisierten Betriebe im Harz und Harzvorland unterbrachte. Mit dieser Verlagerungsbewegung erhöhte sich allein die Zahl der in Nordhausen tätigen Ausländer, bezieht man die in der Boelcke-Kaserne untergebrachten Zivilarbeiter der „Nordwerke“ ein, auf über 10.000.5 Auf diese Weise kam es im Stadtgebiet zu einem Ausländeranteil von fast 25 %, weit mehr als z. B. in der Industriestadt Essen, die die meisten ausländischen Arbeitskräfte im Arbeitsamtsbezirk Rheinland zählte.6

       Im Rohbau erstellte Werksanlage der Firma Bruns Apparatebau, ab Oktober 1944 von den Heinkel-Werken genutzt (Sammlung Baranowski)

      Intention der vorliegenden Arbeit ist es, diese Strukturveränderungen und ihre Gründe zu analysieren. Es soll der Weg vom „Notstandsgebiet“ Nordthüringen zu einem wenn auch unvollendet gebliebenen Rüstungszentrum dokumentiert und nachgezeichnet werden; eine Zusammenballung von Waffenschmieden, die als Torso nur durch Ausbeutung von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen entstand und Zahllosen das Leben kostete. Als Kontrast wird im ersten Kapitel ein Blick auf den schon ab 1933 zur Blüte gelangten industriellen Ballungsraum Salzgitter-Braunschweig-Hildesheim – eines der Rüstungszentren des Reiches von Anfang an – und die weitaus geringer, aber dennoch intensiv vom Rüstungsaufschwung betroffenen südniedersächsischen Landkreise Göttingen, Goslar, Osterode und Northeim geworfen. Bei nahezu gleichen Ausgangsbedingungen nahm die Entwicklung dort einen ganz anderen Verlauf. Der rüstungsbedingte Aufschwung hielt in diesen Kreisen bis Kriegsbeginn an, erhielt nach 1939 durch den Krieg aber keine neuen Impulse. In der Endphase des NS-Regimes blieben hier nennenswerte Verlagerungstendenzen aus, wie sie in Nordthüringen zu umwälzenden Veränderungen führten. Von gewisser Relevanz waren lediglich die Untertage-Bauvorhaben im Hils bei Holzen (Projekt „Hecht“), in denen Zwangsarbeiter in großer Zahl zum Einsatz kamen; eine rüstungswirtschaftliche Nutzung der Untertagebauten war dennoch nicht erkennbar.7 Nennenswert ist


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