Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands 1929 – 1945. Frank Baranowski

Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands 1929 – 1945 - Frank Baranowski


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von 1920 – 1933 offen. Er stellt den Aufbau des Junkers-Werkes im russischen Fili, den Beginn der Zusammenarbeit beider Luftwaffen seit 1924/​25, den Aufbau des Waffenerprobungszentrums in Lipeck, der Panzerschule in Kazan und des Testgeländes für chemische Kampfstoffe in Vol’sk ausführlich und detailreich dar.16 Barbara Hopmann hat sich in ihrer 1996 erschienenen Dokumentation über die Geschichte der Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG) intensiv mit der Entwicklung und der Ausgestaltung der ‚fabrikatorischen Vorbereitung‘ von Rüstungsbetrieben in staatlicher Hand befasst, so etwa der sprengstoffverarbeitenden Industrie, durch die „Montan“.17 Für die Flugzeugindustrie und die Luftrüstung hat die 1998 von Lutz Budraß verfasste Studie Vorreitercharakter. In einem separaten Kapitel arbeitete er die gemeinsamen Rüstungsbestrebungen der Reichswehr und der Flugzeugindustrie in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre akribisch auf und belegt seine Erkenntnisse erstmals in der Literatur an Hand ausgewählter Unternehmen wie Rohrbach, Heinkel und Junkers.18 Insbesondere die Arbeiten von Hansen, Zeidler und Budraß zeigen, dass die im Geheimen betriebenen Aufrüstungsmaßnahmen viel umfangreicher waren als weithin angenommen und über rein theoretische Planspiele hinausgingen. Welchen Stellenwert sie tatsächlich hatten, ist bis heute empirisch nicht aufgearbeitet. Eine systematische Dokumentation über die Verflechtungen der Reichswehr und Industrie, den tatsächlichen qualitativen/​quantitativen Umfang sowie das Ausmaß der geheimen Aufrüstung steht, mit Ausnahme des Bereiches der Luftwaffe, bis heute aus.

      Bedeutend besser erschlossen ist das Phänomen des Ausländer- und Zwangsarbeitereinsatzes in der deutschen Rüstungsindustrie. Das Thema rückte in Absetzung vom politischen Mainstream und der bis dahin vorherrschenden Rechtfertigungsmentalität erstmals Mitte der 1980er Jahre in das Bewusstsein einer größeren Öffentlichkeit, angestoßen durch regionale Geschichtswerkstätten und Schülerarbeiten, die anfangs zumeist auf Interviews von Zeitzeugen – Oral History – fußten. Während auf dem Gebiet der DDR schon seit den 1950er und verstärkt seit den 1960er Jahren zum Thema Zwangsarbeit geforscht wurde,19blieb die Fremdarbeiterproblematik bis in die 1980er Jahre in der westdeutschen Geschichtsschreibung weithin unbeachtet. Positive Ausnahme waren die Arbeiten von Martin Broszat,20 Hans Pfahlmann21 und Eberhard Jäckel.22

      Ulrich Herbert setzte mit seiner 1985 in erster Auflage veröffentlichten Publikation „Fremdarbeiter. Politik und Praxis des ‚Ausländer-Einsatzes‘ in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches“ einen Meilenstein und schuf die Grundlagen für eine neue Qualität der Geschichtsschreibung im Sinne einer zeitkritischen und quellenorientierten Auseinandersetzung. Mit seinen in den Jahren von 1991 bis 2001 herausgegebenen Studien, die nahtlos an das Erstlingswerk anknüpften, beleuchtet Herbert weitere Facetten des „Reichseinsatzes“.23 2001 präsentierte Marc Spoerer eine Gesamtdarstellung zum „Zwangsarbeitereinsatz unter dem Hakenkreuz“, die einen Überblick über das Thema in seiner ganzen Breite gibt. Zudem bietet sein Buch eine umfangreiche Literaturliste und ein ausführliches Kapitel über die Entschädigung von Zwangsarbeitern. Der Komplexität des Themas entsprechend erschienen ab Mitte der 1980er Jahre vornehmlich Einzelstudien, die sich auf bestimmte Firmen24 – oft im Zusammenhang mit der Darstellung ihrer Rüstungsbetriebe – Regionen oder bestimmte Nationalitäten,25 oder aber einzelne Gesichtspunkte des Ausländereinsatzes konzentrierten.26 Mittlerweile ist ein nahezu flächendeckendes Netz an Regional- und Detailstudien entstanden, auch für die von der vorliegenden Arbeit erfassten Region. Den Anfang machte Gerd Wysocki mit seiner 1982 veröffentlichten Dokumentation über den Zwangsarbeitereinsatz bei den Reichswerken Hermann Göring in Salzgitter.27

      Unter dem Titel „Geschichte und Gegenwart einer deutschen Stadt 1942 – 1992“ erschien genau zehn Jahre später ein von Wolfgang Benz herausgegebener Sammelband zur Entwicklung der Stadt Salzgitter. Darin liefert Beatrix Herlemann einen Beitrag, der sich mit den Lebensbedingungen ausländischer Zwangsarbeiter in den Reichswerken befasst.28 Daran schloss 1995 eine Studie von Gudrun Pischke über das nationalsozialistische Lagersystem in Salzgitter nahtlos an.29 Für die Stadt und das Land Braunschweig leistete Paul Liedtke seit 1983 Pionierarbeit.30 Als Mitautor war er auch an dem 2003 von Gudrun Fiedler und Hans-Ulrich Ludewig herausgegebenen Gemeinschaftswerk über „Zwangsarbeit und Kriegswirtschaft im Lande Braunschweig 1939 – 1945“ beteiligt, einer ersten Vor-Ort-Studie, die sich zusammenfassend mit der Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte durch Kriegswirtschaft, Verwaltung und Landwirtschaft innerhalb einer ‚geschlossenen‘ Region befasste.

      Die Thematik des Zwangsarbeitereinsatzes in Hildesheim wurde von Max Lichte,31 Gerhard Notzon-Hillmann32 und Markus Roloff33 aufgearbeitet. Das 1937 mit Staatsmitteln im Hildesheimer Stadtwald errichtete Bosch-Werk beherrschte die örtliche Szene. Die Unterlagen des Betriebsarchivs überstanden den Krieg nahezu unversehrt. Sie hatten Manfred Overesch uneingeschränkt zur Verfügung gestanden, als er 2008 die Ergebnisse seiner fünfjährigen Recherchen präsentierte. Umfassend handelt er die einzelnen Entwicklungsphasen des Hildesheimer Bosch-Werkes ab, von der Ansiedlung über die Aufnahme der Produktion bis zum Kriegsende und in die Anfänge des Wiederaufbaus nach 1945 hinein. Ein eigenständiges Kapitel befasst sich mit den mehreren hundert ausländischen Arbeitskräften, die der Rüstungszulieferer an seinen Werkbänken beschäftigte.34 Für Göttingen sind die Arbeiten von Cordula Tollmien maßgeblich, vor allem ihre Dissertation aus dem Jahr 1999.35 Im Auftrag der Stadtverwaltung forschte sie über Zwangsarbeiter in Ämtern, Dienststellen und Betrieben der Stadt,36 ebenso wie in der Göttinger Rüstungsindustrie.37 Zudem ist sie Initiatorin der Homepage www.zwangsarbeit-in-goettingen.de. Weiterführend zeigte Eckart Schöle 2007 am Beispiel von Sartorius und Feinprüf (Mahr) den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte in Göttinger Industriebetrieben auf.38

      Die Arbeit von Günter Siedbürger gibt einen Gesamtüberblick über den Zwangsarbeitereinsatz im gesamten Landkreis Göttingen, von Hann.-Münden bis Duderstadt und dem Eichsfeld.39 In einem gesonderten Teil befasst sich seine Synopse mit der Geschichte des Rhumspringer Schickert-Werkes und des Duderstädter Polte-Werkes. Mit diesen beiden Kapiteln knüpft Siedbürger an die vorangegangenen Arbeiten von Hans-Heinrich Hillegeist40 und des Autors aus den 1990er Jahren an.41 In vier Sammelbänden sorgfältiger Detailforschung dokumentiert Detlef Creydt Zwangsarbeit und Rüstungsindustrie im Weserbergland.42

      Im Oberharz hoben erstmals Michael Braedt und die von ihm mitbegründete Initiative gegen Rüstungsaltlasten das Thema Mitte der 1980er Jahre am Beispiel der Sprengstofffabrik „Tanne“ in Clausthal-Zellerfeld ins öffentliche Bewusstsein. Ende November 1989 stellte die Initiative auf dem Bundeskongress „Altlasten der Rüstungsindustrie“ in Göttingen ihre Ergebnisse vor. Dieser Beitrag und die Resultate ähnlicher Projekte in anderen Regionen erschienen noch im gleichen Jahr in einem Kongressbericht,43 der weitere Forschungen anregte. 1993 erschien in einem von der Arbeitsgemeinschaft Südniedersächsischer Heimatfreunde e. V. veröffentlichten Sammelband eine erste Übersichtsdarstellung von Michael Braedt, Hansjörg Hörseljau, Frank Jakobs und Friedhart Knolle über die Sprengstofffabrik „Tanne“, die den Ausländereinsatz in dem Werk nicht aussparte. 1998 legte das Autorenteam eine erweiterte Fassung des Textes als Monographie vor.44 Neben einem Beitrag zur Rüstungsindustrie in Clausthal-Zellerfeld hatte Hans-Heinrich Hillegeist in dem 1993 editierten Sammelband der Südniedersächsischen Heimatfreunde e. V. Einzelbeiträge über die Rüstungsbetriebe OIGEE und HEMAF in Osterode, die Schickert-Werke in Bad Lauterberg und Rhumspringe sowie das Untertageprojekt „Dachs IV“ publiziert; der Einsatz von Zwangsarbeitern stand dabei nicht im Vordergrund.45

      Für Walter Struve steht – minutiös erhoben – der Ausländereinsatz in wichtigen Industriebetrieben der Stadt Osterode im Mittelpunkt seiner Arbeit aus dem Jahr 1992.46 Struve stützt sich dabei auf eine sorgfältige Auswertung von Archivquellen, aber auch auf eine Vielzahl Interviews, die er mit Zeitzeugen geführt hat; sie geben einen Einblick in die Einstellung der deutschen Bevölkerung gegenüber den ausländischen Arbeitskräften. Friedhart Knolle befasste sich mit der Geschichte der Metallwerke Silberhütte, Schmiedag und Odertal.47 2007 veröffentlichte er gemeinsam mit Michael Braedt und Peter Schyga einen Artikel über „NS-Zwangsarbeit und Kriegsgefangeneneinsatz im Westharz unter besonderer Berücksichtigung medizinischer Aspekte“. Schyga war es auch, der 1999 zur NS-Geschichte Goslars forschte.48 Helmut Lüder arbeitet seit Jahren über Bad Lauterberg und hat mehrere Arbeiten über Zwangsarbeiter, die in der Harzstadt ihr Leben ließen, vorgelegt.49 Einen Gesamtüberblick


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