Nina und die Sphinxwelt. Sarah Nicola Heidner
Krawatte, hatte sich seine Brille bis auf die Nasenspitze geschoben und löste mal wieder Rechenaufgaben auf seinem Block.
„Aber auch nur fast! Die beiden unterscheiden sich in etwa wie Jana und Mia.“ Nina grinste.
Die Fahrt ging los und die frühe Morgensonne schien in den Bus. Nina blinzelte in die Helligkeit und lehnte sich zurück. Sie schloss die Augen und ließ die Sonne, die durch die Fenster schien, ihr Gesicht wärmen. Jetzt ging es auf Klassenfahrt! Zwei wundervolle Wochen Jungs ärgern und Faulenzen, Baden gehen, Volley-, Hand- und Fußball spielen lagen vor ihr – und natürlich Zeit zu quatschen, quatschen, quatschen. Außerdem hatte sie sich fünf Bücher mitgenommen, denn viel Programm stand nicht auf dem Plan, schließlich war Frau Barinkson nicht sehr fantasievoll. Nina freute sich aber nicht nur, weil sie auf Klassenfahrt waren, sondern auch wegen ihres dreizehnten Geburtstags in ein paar Tagen! Die Mädchen hatten deshalb – verbotenerweise – ganze Vorräte an Süßigkeiten in den Koffern verstaut.
„Wie lange fahren wir noch?“, fragte Jana.
„Das fragst du jetzt schon?“ Mia kicherte. „Also wirklich! Ohne Stau fahren wir, schätze ich mal, knappe zwei Stunden.“
„Oh nein!“, stöhnte Jana.
„Busfahrtmuffel“, kommentierte Mia.
„Wer’s sagt, ist’s selber!“, gab das Mädchen zurück.
„Nicht jetzt! Ich will schlafen“, stöhnte Maria, die sich zurückgelehnt hatte und die Augen geschlossen hielt, und Mia verkniff sich eine weitere Bemerkung.
Da es auch im übrigen Bus still war, schwiegen sie. Die Jungen spielten leise Karten, aber die meisten Klassenkameraden versuchten zu schlafen. Das frühe Aufstehen machte den Schülern zu schaffen.
Nun lehnte sich auch Nina nach hinten und schloss die Augen. Ihren Rucksack hatte sie neben sich gestellt. Wie die Jugendherberge wohl sein würde? Sie versuchte sich an die Unterkunft während der Klassenfahrt in der dritten Klasse zu erinnern. Ein großes Gebäude, mehrstöckig, mehrere kleine Anbauten, ein großer Garten …
Plötzlich machte es laut: „Miau!“
Einige drehten sich zu Nina um, denn es war ihr Rucksack, aus dem das Geräusch gekommen war. Schläfrig öffnete Tom sein rechtes Auge und linste zu den Mädchen herüber.
Wieder: „Miau!“
„Nina Steller!“, ertönte die unheilverkündende Stimme der Klassenlehrerin. „Herr Raschon, halten Sie bitte den Bus an!“
Der Busfahrer bremste und fuhr auf den Standstreifen der Autobahn.
Frau Barinkson stand auf, schritt zügig den Gang entlang und blieb vor Nina stehen. „Rucksack!“, verlangte sie.
Kleinlaut gab Nina ihr das Gewünschte. War Schneewittchen wirklich darin? Aber dann war sie wohl allein reingesprungen!
Frau Barinkson packte die Katze und hob sie aus dem Rucksack. „Miau“, machte Schneewittchen kläglich und zappelte.
„Zum Zurückfahren ist es jetzt zu spät. Aber das wird noch Folgen haben, Nina!“, versprach die Klassenlehrerin und drückte ihr die Katze in die Hand. Schneewittchen schmiegte sich zufrieden in Ninas warme Hände und schloss die Augen.
Der Bus setzte sich wieder in Bewegung. „Sie muss unbemerkt reingesprungen sein“, verteidigte sich Nina leise und zuckte mit den Schultern, als ihre Freundinnen sie halb überrascht, halb grinsend anschauten. „Mensch, was hast du mir da nur eingebrockt?“, fragte sie und streichelte ihrer Katze das Fell. Doch die schien sich gar nicht darum zu scheren, was für einen Aufruhr sie gerade veranstaltet hatte.
„Das schaffst auch wirklich nur du“, grinste Mia.
„Ich hätte Missi auch gern dabei.“ Maria schaute verträumt. „Ja, ich vermisse sie jetzt schon. „Ihr weiches Fell, das leise Wiehern …“
„Schon gut, Maria“, sagte Jana, die Pferde von ihnen am wenigsten ausstehen konnte. „Wir wissen es.“
Maria drehte sich beleidigt weg.
„Ich bin müde“, gähnte Pia. „Ich glaube, ich schlafe ein bisschen.“
„Ja, das mach ich auch“, stimmte Mia ihr zu.
Auch die anderen lehnten sich wieder zurück und schlossen die Augen. Nur Nina grübelte noch eine Weile. Ihr war schleierhaft, wie Schneewittchen in ihren Rucksack gekommen sein sollte. Sie hatte ihn doch zugemacht!
Später spielten sie – leise, weil Pia schlief – „Wahl, Wahrheit oder Pflicht“ und hörten erst auf, als Jana sich auf ihren Sitz stellen und „Alle meine Entchen“ singen musste.
„Sind wir denn hier im Kindergarten?“, empörte sich Frau Barinkson. Die gesamte Klasse lachte.
„Jana – sofort runter von dem Sitz!“
Verlegen grinsend beendeten sie das Spiel und entschuldigten sich bei Frau Barinkson. Nur Pia, die durch den Lärm aufgewacht war, brummte missmutig etwas vor sich hin und drehte ihren Kopf zum Fenster, um weiterzuschlafen.
Die nächste Stunde verbrachten sie mit verschiedenen Spielen wie „Ich sehe was, was du nicht siehst“, die zwar auch nicht gerade ihrem Alter entsprachen, aber ein guter Zeitvertreib waren.
Irgendwann musste Nina wohl eingeschlafen sein, denn sie erwachte, als Mia ihr vorsichtig in die Seite boxte. „Wir stehen schon seit fast einer Stunde im Stau“, jammerte sie. Gähnend schaute Nina aus dem Fenster – tatsächlich.
Der Bus hatte angehalten, sie standen im Stau. Pia und Maria schliefen, nur Jana döste und kraulte dabei Schneewittchen, die, während Nina geschlafen hatte, wohl zu ihr auf den Arm gekrochen war. Neben dem Bus hupten Autofahrer wie wild und schrien aus den Fenstern, sie hätten es eilig.
Plötzlich traf Nina von hinten ein Papierkügelchen am Kopf. Sie hob es auf und drehte sich zu Tom um, der ihr zuzwinkerte.
„Haha!“, sagte sie tonlos und entfaltete das Blatt Papier. Als sie es gelesen hatte, weckte sie auf der Stelle ihre schlafenden Freundinnen.
„Was’n?“, stöhnte Jana genervt, aber die anderen hörten Nina aufmerksam zu, als sie laut vorlas: „Wir schlagen euch einen Tausch vor: Zehn Euro – und wir lassen euch in Ruhe. Wir kennen da zwei Damen und einen Herrn, die Nina nicht mögen. Wenn wir die zehn Euro innerhalb von drei Tagen nicht bekommen, könnte es sein, dass wir den dreien – natürlich nur aus Versehen – sagen, wo sie steckt.“ Sie machte eine kurze Pause und fügte dann lachend hinzu: „Na, das ist ja mal ein fantasievoller Scherz!“
Maria und Pia lachten schallend und Maria prustete: „Mensch, die sind echt besser geworden! Wisst ihr noch, letztes Jahr am Wandertag haben sie behauptet, ein paar Kühe hätten ihre Süßigkeiten gefressen und wir müssten ihnen neue kaufen.“
Mia nickte. „Zu viel Fantasie“, meinte sie.
Jana war gerade eingeschlafen.
Sogleich schrieben die Mädchen einen Brief zurück: „Ihr habt zu viel Fantasie. Zehn Euro – nein danke. Und wenn ihr wirklich jemanden kennt, der Nina etwas antun will, sind wir alle zusammen der Kaiser von China! Ihr seid echt nicht mehr ganz dicht! PS: Denkt an die Kühe!“
Pia faltete den Zettel und warf ihn in Richtung der Jungen, die ihn begierig öffneten. Anscheinend schienen sie nicht zufrieden zu sein, eine Reaktion kam aber auch nicht.
Den Rest der Fahrt verbrachten sie halb schlafend, halb redend und sie rätselten nebenbei, wie klug Schneewittchen war, wenn es ihr gelungen war, unbemerkt in den Rucksack zu springen.
Die Jugendherberge bestand aus vielen kleinen Bungalows, für jede Klasse einen. Nina und ihre Klasse wohnten in Haus zwölf und Nina, Mia, Pia, Jana und Maria teilten sich ein Zimmer. Sie warfen nur schnell die Koffer in die Ecken und trafen sich kurz darauf mit der ganzen Klasse auf dem Volleyballfeld. Sie teilten sich in Mannschaften ein und begannen zu spielen.
Am Abend gab