Nina und die Sphinxwelt. Sarah Nicola Heidner

Nina und die Sphinxwelt - Sarah Nicola Heidner


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fragte Maria und sie versuchte, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken.

      „Schweig, Menschenmädchen!“, sagte der rechts stehende Mann mit einer so gefährlichen Ruhe in der Stimme, dass Pia einen Schritt zurücktrat und den Kopf senkte.

      Maria tat es ihr gleich.

      Nur Nina musterte die beiden Frauen und den Mann immer noch, ohne eine Spur von Angst zu zeigen. Natürlich fürchtete sie sich, doch sie hatte gelernt, das Ziehen in der Magengegend nicht zu beachten und die schlotternden Glieder zu verbergen. Außerdem war sie – aus welchem Grund auch immer – wütend auf diese Menschen, die hier so einfach aufgetaucht waren. Aber Hilfe war nicht in Sicht, die Lehrer waren weit weg und Jana und Mia waren inzwischen wahrscheinlich schon ins Meer gekugelt.

      „So, ihr beiden“, sprach der Mann und trat auf Maria und Pia zu, die schnell noch einen Schritt zurück machten. „Ihr dreht euch jetzt um und kniet euch auf den Boden.“

      Mit banger Miene blieben die beiden stehen.

      „Wird’s bald!“, forderte die links stehende Frau. Ein paar Spitzen ihrer roten Haare lugten unter der Kapuze hervor und sie schob sie energisch wieder nach hinten.

      Die zweite Frau hob den Dolch. „Hier soll niemand unnütz verletzt werden, Kinder. Also tut, was ich euch sage.“ Ihre Stimme klang kalt und fuhr den Mädchen wie Eis zwischen die Glieder.

      Als Pia und Maria sich immer noch nicht dazu durchgerungen hatten, sich hinzuknien, hielt der Mann den beiden einen Dolch gegen den Rücken und zwang sie so auf die Knie. Die Frau mit den roten Haaren grinste höhnisch.

      Nina hatte mit erstarrter Miene zugesehen, doch jetzt trat sie auf den Mann zu und ihre Wut gewann die Oberhand. „Spinnen Sie denn, uns einfach so anzugreifen? Wir haben Ihnen nichts getan!“, rief sie.

      Doch ihre Reaktion war nicht sehr geschickt gewesen.

      Der Mann beugte sich zu ihr herunter und sie konnte seine unnatürlich gelben Pupillen sehen. „Deine hübschen Freundinnen müssen sich angewöhnen zu gehorchen“, sagte er langsam und deutlich. „Dann tue ich ihnen auch nichts!“

      Jetzt trat Tim vor. „Eigentlich dachte ich, Sie machen einen Scherz. Aber das geht wirklich zu weit. Sie haben uns versprochen, sie nur zu erschrecken. Sie – Sie haben gesagt, Sie wollten den Mädchen einen Streich spielen!“

      Der Mann lächelte immer noch und winkte der Frau neben ihm zu, die daraufhin den Jungen mit seinem Dolch zu Boden zwang. „Liegen bleiben“, riet sie, „sonst bekommst du ihn hier zu spüren!“ Sie deutete auf seinen Dolch und grinste genauso grausam wie der Mann.

      „Jetzt reicht’s“, sagte Nina und sie spürte, dass der Mann ihr nichts anhaben konnte. „Jetzt reicht’s endgültig!“ Sie wusste nicht, wieso sie es tat, doch sie hob ihre Hände und ließ ihrer Wut freien Lauf. Ihre Sicht war verschwommen. Vor ihren Augen tanzten rote Punkte. Dann wurde ihr kalt und sie begann zu zittern. Mit blauen Lippen fiel sie ins Gras. Sie wollte noch nach den Männern schauen, aber da wurde ihr schon schwarz vor Augen.

      Sie erwachte auf der Wiese. Neben ihr lagen Rucksäcke und die drei Lehrer beugten sich besorgt über sie. „Wir haben schon von Tim, Pia und Maria gehört, was passiert ist“, sagte Herr Malan halb besorgt, halb wütend. „Wir werden mit der Jungenbande sprechen müssen.“

      Nina zitterte. „K-K-Kalt!“, stotterte sie und sie spürte, dass sie wieder im Begriff war, das Bewusstsein zu verlieren. Pia stand besorgt und verängstigt neben ihr, während Maria eine Jacke aus ihrem Rucksack kramte und sie wie eine Decke über Nina ausbreitete.

      „Woher hast du die Kette?“, wollte Frau Barinkson wissen, als Nina sich besser fühlte.

      „Welche …?“ Das Mädchen sah an sich herunter. An seinem Hals hing eine wunderschöne, silberne Kette mit einem roten Anhänger in Form eines Feuers. Darauf stand ein großes N und Nina wusste, dass sie diese Kette noch nie in ihrem Leben gesehen hatte. Sie versuchte, die Kette abzumachen, doch sie klebte förmlich auf ihrer Haut. Gerade wollte sie etwas erwidern, als Jana und Mia auf sie zustürmten.

      „Wie geht es dir?“, fragte Jana, während Mia sie stürmisch umarmte.

      „Ganz gut. Nur etwas kalt ist mir“, sagte Nina und lächelte.

      Die Lehrer zogen sich zurück und ließen die fünf allein.

      „Mensch, wir haben uns solche Sorgen gemacht! Du warst total unterkühlt“, sagte Maria, als Jana die Kette auffiel, die um Ninas Hals hing.

      „Sie war plötzlich da“, sagte Nina, die den Blick bemerkte. „Einfach so – schwupp! Ich weiß wirklich nicht, woher ich sie habe“, fügte sie hinzu. „Ich habe sie vorher noch nicht umgehabt, echt, Leute!“

      „Na gut“, sagte Jana.

      „Wir glauben dir ja. Aber komisch ist es trotzdem, oder?“, warf Mia ein.

      „Auch schon bemerkt? Cool, Blitzmerkerin“, meinte Jana und zwinkerte.

      „Blitzmerkerin, du Schlange? Weißt du eigentlich, wie fies Schlangen sind und wie dumm im Gegensatz zu Blondinen?“

      „Oh nein!“, stöhnten Maria und Nina gleichzeitig.

      „Bewahrt uns!“, flehte Pia.

      Herr Malan kam wieder zu den Mädchen. „Könnt ihr diese Angaben bestätigen?“, fragte er. „Zwei große, schlanke Frauen, ein Mann. Alle schwarz und mit Regenmänteln bekleidet?“

      „Sie hatten … Dolche bei sich.“ Pia erschauderte.

      „Diese eine Frau“, fiel Nina ein. „Sie hatte rote Haare.“

      „Gut.“ Herr Malan nickte ihnen dankend zu. „Wir werden natürlich sofort die Polizei verständigen, aber als Pia und Maria uns geholt haben, waren die drei schon verschwunden. Weiß jemand von euch, weshalb das Feuer ausgebrochen ist und wieso es so schnell wieder aus war?“, fragte er. „Das ganze Gras war versengt und Rauch hing in der Luft.“

      „Feuer?“, fragte Nina verwirrt.

      „Plötzlich hörten wir eilige Schritte“, sagte Maria, „und wir haben uns umgedreht. Anscheinend war Feuer ausgebrochen und der Mann und die Frauen liefen davon, ebenso die Jungs. Aber bevor Pia und ich etwas tun konnten, war es plötzlich weg – einfach so.“

      Herr Malan nickte ernst. „Wir werden uns langsam auf den Rückweg zur Fähre machen. Die sechs Jungen sind gerade aus der Stadt eingetroffen.“

      Die Mädchen verließen die Fähre als Erste und liefen voraus zur Jugendherberge und in ihr Zimmer.

      Nina duschte sich, während die anderen noch einmal rausgingen und Federball spielten. Etwas später verschwanden nacheinander Jana, Mia, Pia und Maria im Badezimmer, während Nina nach Schneewittchen suchte, die sich anscheinend davongemacht hatte. Ob es ihr gut ging? Wo sie wohl war? Und was hatten bloß die beiden Frauen und der Mann von ihnen gewollt? Als sich Nina nach erfolgloser Suche unter die Eiche setzte, schnurrte es neben ihr und ein weiches Fellbündel sprang ihr in den Schoß.

      „Schneewittchen!“, flüsterte Nina. „Was geht hier vor? Was wollten diese Frauen und der Mann? Worüber reden Herr Malan und Blyn – wer immer sie auch sein mag? Und was bedeutet diese Kette an meinem Hals?“ Nachdenklich berührte sie den Anhänger.

      Die Katze sprang von ihrem Schoß und tauchte eine Minute später mit einem Blatt Papier im Maul wieder auf. Sie sprang erneut auf Ninas Schoß und hielt ihr das Blatt vor die Nase.

      Nina nahm es und erkannte, dass es aus einem Buch herausgerissen worden war. „Warst du das? Böses Schneewittchen“, tadelte sie und runzelte die Stirn, als sie die Überschrift gelesen hatte. „Das Zeichen der Sphinxen?“, fragte sie. „Sind Sphinxen nicht diese Orakeldinger aus Ägypten?“ Sie erinnerte sich vage an eine Geschichtsstunde in der fünften Klasse, in der es irgendwie um Sphinxen gegangen war, aber dann hatte Jana ihr unbedingt von ihrem neuem Hobby, Volleyball, erzählen wollen und sie waren sogleich vom Thema abgekommen.

      Gerade


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