Fallsucht. Lotte Bromberg

Fallsucht - Lotte Bromberg


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      »Klingt, als wollte sie sich verstecken«, sagte Tanja.

      »Jetzt kommen Sie mir nicht wieder mit der Prostituiertengeschichte, das ist Unfug.«

      »Hat Sie Ihnen den Zustand ihres Körpers erklärt?«, fragte Jakob.

      Der Professor schwieg.

      »Das muß doch ein Schock gewesen sein.«

      »Wir haben enthaltsam gelebt, bis wir nach Berlin zogen.«

      »Sie hat sie nicht rangelassen?«, fragte Tanja. Jakob zog die Augenbrauen zusammen.

      »Wenn Sie so wollen, ja.«

      »Wie schrecklich«, sagte Tanja.

      Der Professor sah Jakob an. »Keineswegs.«

      »Die unerreichbaren Trauben«, sagte Jakob.

      »Wie lange ging das?«, fragte Tanja.

      »Wir haben uns bei ihrer Arbeit kennengelernt. Ich war in jenem Sommer mit meinem Motorrad unterwegs in Dänemark und hatte auf der Heimreise einen schweren Unfall. Ein komplizierter Trümmerbruch von Schien- und Wadenbein. Ich lag etliche Wochen in Hamburg im Krankenhaus. Als ich entlassen wurde, ging ich an Krücken und hatte mir vorgenommen, mit dem Motorrad zurück nach Berlin zu fahren. Bis zum Semesterbeginn waren es noch über zwei Monate, ich wollte die Rekonvaleszenzzeit in Hamburg verbringen. Für die erforderliche Physiotherapie fand ich eine Praxis in Blankenese und mir wurde Sarah zugeteilt. Wir haben uns täglich gesehen, ein halbes Jahr darauf kam sie zu mir nach Berlin.«

      »Und Ihr Semester?«, fragte Tanja.

      »Ich habe mich freistellen lassen.«

      »Für Ihre neue Freundin?«

      »Das finden Sie erstaunlich, nicht wahr? Ich habe meine Frau geliebt, da war alles andere nebensächlich.«

      »Wie lange wohnen Sie schon in diesem Haus?«, fragte Jakob.

      »Das habe ich für uns gekauft. Als sie herkam, war alles gerichtet.«

      »Ohne sie zu fragen?«, fragte Tanja.

      »Wir waren glücklich hier.«

      »Und dann haben Sie ihren Körper kennengelernt«, sagte Jakob.

      Professor Krüger schwieg. Jakob wartete.

      »Das war furchtbar, wie Sie sich sicher vorstellen können.«

      »Hat Sie gesagt, wie sie zu den Verletzungen gekommen ist?«

      Er schüttelte den Kopf.

      »Nichts? Keine Andeutungen, keine Klagen?«

      »Sie hat nichts von ihrem Vorleben erzählt. Seit dem Mord frage ich mich, ob ich sie mehr hätte bedrängen müssen. Sie sagte nur, sie sei Einzelkind und ihre Angehörigen tot. Es war mir, glaube ich, recht so. Mit so etwas wollte ich nichts zu tun haben.«

      Jakob beugte sich vor. »Etliche dieser Verletzungen scheinen jüngeren Datums zu sein, wie erklären Sie sich das?«

      »Gar nicht, davon weiß ich nichts.«

      Jakob sah ihn fragend an.

      »Ganz einfach, wir hatten keinen Sex.«

      »So schlimm war sie nun auch nicht zugerichtet«, sagte Tanja.

      Der Professor sah sie an. »Zu schlimm für mich auf jeden Fall. Mir verging es, um es in Ihrer Terminologie auszudrücken. Ich habe mich kaum getraut, sie anzufassen.«

      »Sie hatten nie Sex mit ihr?«

      »Ich weiß nichts über diese Verletzungen. Mein Beruf bringt es mit sich, daß ich oft lange verreist bin. Ich besuche Kongresse, nehme Gastprofessuren an. Was meine Frau in der Zeit getan hat, weiß ich nicht. Es ist natürlich möglich, daß sie sich prostituiert hat. Vermutlich gibt es genügend Männer, die nicht so empfindlich sind wie ich und zufrieden, wenn sie ihren Schwanz irgendwo plazieren können.«

      »Aber Sie müssen doch gesehen haben, wie ihr Körper immer schlimmer zugerichtet wurde.«

      Der Professor schlug ein Bein über. Das Licht spiegelte sich auf seinem kahlen Kopf. »Wir hatten ein Agreement. Sie hat mich vom Anblick ihres Körpers befreit und ich habe nicht nachgefragt.«

      »Sie haben sie nie nackt gesehen?«, fragte Tanja.

      »Wenn ich hier war, habe ich in meinem Arbeitszimmer übernachtet.« Er deutete auf die zwei Türen zur Rechten. »Ihr Reich war oben.«

      »Dürfen wir uns dort etwas umsehen?«, fragte Jakob. »Nur, um uns ein Bild vom Zuhause Ihrer Frau zu machen.«

      »Sie werden nichts mehr von ihr finden«, sagte der Mann. »Das Obergeschoß ist leer.«

      »Sie haben renoviert?«, fragte Jakob.

      »Ein Jahr nach ihrem Tod. Je länger die Ermittlungen ergebnislos blieben, desto unerträglicher wurden mir ihre Spuren.« Er sah Jakob an. »Außerdem hatte ich immer das Gefühl, hier war ein Fremder.«

      »Warum?«, fragte Tanja.

      »Einige Wochen nach ihrem Tod fand ich in einer Sesselritze Holzschnipsel. Ich konnte mir das nicht erklären, hier gibt es kein Holz. Meine Putzfrau verkündete auf Befragen, daß sie zwei Tage nach dem Tod meiner Frau – sie kommt immer mittwochs, was ich sehr unpraktisch finde, da das mein vorlesungsfreier Tag ist, aber diskutieren Sie mal mit einer Polin –, also sie fand ähnliche Holzschnipsel vor dem Kamin und auf der Fensterbank in der Küche. Da mir das bemerkenswert schien, habe ich sie den ermittelnden Beamten übergeben, zusammen mit den fremden Unterlagen.«

      »Könnten wir mit ihr sprechen?«, fragte Jakob.

      »Mit wem?«

      »Ihrer Putzfrau. Wenn sie das Haus gereinigt hat, ist ihr vielleicht noch etwas anderes aufgefallen.«

      »Sie arbeitet nicht mehr für mich. Es war nicht zu klären, wo fünfhundert Euro aus meinem Schreibtisch geblieben sind.«

      »Sie bewahren fünfhundert Euro in Ihrem Schreibtisch auf?«, fragte Tanja.

      »Für Notfälle, unvorhergesehene Ausgaben, Stromausfälle. Erscheint Ihnen das viel?«

      »Daß Sie die Frau nicht mehr beschäftigen, ändert nichts daran, daß wir sie sprechen wollen«, sagte Jakob.

      »Das wird nicht gehen. Ich habe sie auf Empfehlung eingestellt und weiß nicht mal ihren Nachnamen. Maria heißt sie, mehr ist mir nicht bekannt. Leider habe ich sie schwarz beschäftigt.«

      »Und wer hat sie empfohlen?«

      »Auch das erinnere ich nicht mehr. Ein Kollege, ein Nachbar, tut mir leid.«

      »Haben Sie wenigstens eine Handynummer?«

      »Nein, leider. Sie kam jede Woche mittwochs um neun, dröhnte durch das Haus und verschwand nachmittags um vier. Letzteres sehnlichst von mir erwartet.«

      »Haben Sie schon eine Nachfolgerin?«

      »So etwas braucht Zeit, das Vertrauensverhältnis, Sie wissen schon. Im Nachhinein schien es mir auch, daß mein Geld schon länger etwas zu schnell dahinschmolz. Aber ich will eine Abwesende nicht leichtfertig verdächtigen, das hat den Beigeschmack des Vorurteils.«

      »Und die Unterlagen?«, fragte Jakob.

      »Bitte?«

      »Sie erwähnten vorhin, daß Sie den Kollegen auch Unterlagen übergeben haben.«

      »Ach so, das waren Lehrbücher für einen Bootsführerschein. Sie lagen auf dem Küchentisch, als ich nach Ostern zurückkam. Und unter der Treppe auf der Kommode lag Knotenübungsmaterial.«

      »Und was war daran so außergewöhnlich?«, fragte die Kollegin.

      »Meine Frau konnte nicht schwimmen. Sie wäre nie auf ein Boot gestiegen. In Hamburg damals wollte ich sie mit einer Hafenrundfahrt überraschen, kreidebleich


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