Fallsucht. Lotte Bromberg

Fallsucht - Lotte Bromberg


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warten Sie, scheißegal hat er gesagt, weil, ich hätte meine Alte abgestochen und er würde mich schon garkochen.« Er lachte wieder. »Krank ist er, haben Sie gesagt, schon länger, das freut mich zu hören.«

      »Haben Sie die Schlösser eigentlich ausgetauscht?«, fragte Jakob.

      »Das erschien mir sicherer, ich weiß ja nicht, wem meine Frau hier Zugang verschafft hat.«

      »Und die Renovierung, wie umfangreich war die?«

      »Ich bin ein gründlicher Mensch, warum fragen Sie?«

      »Das Haus war ja erst aufwendig verändert worden. So fünf, sechs Jahre müßten das sein. Sie haben es doch umgebaut?«

      »Oh ja, das war stillos vorher. Alle Wände raus, die Fenster völlig neu konzipiert, das war das Mindeste.«

      »War wenigstens der Keller trocken?«

      »Da spricht der Sachverstand. Ausgerechnet kurz nach dem Tod meiner Frau hatte ich einen massiven Schaden. Irgendetwas mit Sickerwasser und dann der späte Kälteeinbruch, fragen Sie mich nicht, ich habe nur die Hälfte verstanden von dem, was der Handwerker gesagt hat. Die Physik ist ein weites Feld.«

      »Und, war es kostenintensiv?«, fragte Jakob.

      »Das kann man wohl sagen. Keller ist ein Alptraum. Man sollte ebenerdig bauen, das spart viel Ärger.«

      »Aber wohin dann mit den Kartoffeln, der Waschmaschine und der Vergangenheit?«

      »Eben, zumal es ja auch keine Dachböden mehr gibt.«

      »Die Adresse von den Handwerkern wäre beizeiten von Vorteil«, sagte Jakob. »Falls es nicht wieder ein abgedunkeltes Beschäftigungsverhältnis war.«

      »Ich lasse Sie Ihnen zukommen. Anständige Arbeit zu einem fairen Preis, durchaus empfehlenswert.«

      Jakob stand auf und nickte Tanja zu. »Wir haben dann auch genug von Ihrer kostbaren Zeit in Anspruch genommen. Vielen Dank für Ihr Entgegenkommen. Wenn wir dürfen, würden wir uns gern noch mit der einen oder anderen Frage an Sie wenden.«

      Professor Krüger stand auf. »Aber gern. Ich habe noch Hoffnung, daß Sie herausfinden, wer mir meine Frau genommen hat.«

      Sie gingen zur Tür inmitten der tanzend fröhlichen Buchrücken.

      »Eine Frage hätte ich noch«, sagte Tanja. »Hat Ihre Frau irgendwann angedeutet, woher sie stammt?«

      »Nachdem wir damals in Hamburg unsere Hafenrundfahrt nicht antreten konnten, sagte sie, sie verstünde mehr von Bergen als vom Wasser. Außerdem hatte sie einen süddeutschen Akzent, zumindest, wenn sie übermüdet war. Badisch würde ich sagen.«

      Sie bedankten sich und verließen das Haus, verfolgt vom schmatzend wiederhergestellten Vakuum der Haustür.

      »Und was jetzt?«, fragte Tanja am Wagen.

      Jakob schwieg und sah ins Nichts.

      »Kommissar Hagedorn?«

      »Fahren Sie erst mal los und setzen mich an der nächsten U-Bahnstation ab. Krumme Lanke, ich zeige Ihnen den Weg.«

      »Und was mache ich?«

      Jakob schwieg wieder lange. »Kollege Schuman hat Notizen zum Vorleben von Peter Krüger gemacht. Überprüfen Sie das, und seien Sie genau, Schuman neigt dazu, nur jene Dinge zu sehen, die da sind.«

      »Wollen Sie etwas Bestimmtes wissen?«

      »Stochern Sie einfach und schauen, was an die Oberfläche aufsteigt. Und recherchieren sie, ob Sarah Schubert Vorgängerinnen beim Professor hatte, Schuman hat keine gefunden. Ach ja, besorgen Sie die Baugenehmigung von damals und den Kaufvertrag.«

      Jakob wies sie durch die Nebenstraßen. Er wirkte weiter abwesend und antwortete so einsilbig auf Tanjas Fragen, daß sie sich bald anschwiegen. An der U-Bahnstation ließ sie den Roadster so butterweich ausrollen, als wäre sie seit Jahren mit ihm verwachsen.

      »Darf ich Sie mal was fragen, Kommissar?«

      »Hmmh.«

      »Warum wollten Sie das über den Keller wissen?«

      »Sie sind sehr aufmerksam, Kollegin.« Er sah sie an, ruhig und ernst. »Mir ist aufgetragen worden, eine Folterkammer zu suchen.«

      VII

      Neben dem Eingang lehnte rauchend ein Mann an der Hauswand und fixierte Jakob, der sich, beidseitig mit einer Einkaufstasche beladen, seiner Wohnung näherte. Jakob sah die Straße runter. Weit und breit nur gedankenverlorene Nachbarn auf dem Weg in den Feierabend. Bepackt und abgespannt strahlten sie jene gleichgültige Erschöpfung aus, die nur Metropolen auf den Schultern ihrer Bewohner ablegen. Ein paar Stunden Schlaf hinter all den Wohnungstüren und der neue Tag durfte ihnen wieder entgegenprasseln. Was kein Schlaf zu vertreiben vermochte, waren die Schatten um die Augen, die angeschärften Züge um die Münder. Dafür bedurfte es kleiner Fluchten. Zwei Wochen bayrische Kuhglocken, Ostseesand zwischen den Zehen, eine Prise Mark in der Nese.

      Auch Jakob war müde. Es half nichts, wer immer der ihn mit Blicken aus schmalen Augen verfolgende Mann war, er stand neben dem Eingang zu seinem Bett. Jakob nahm die Taschen in eine Hand und zog den Schlüssel aus der Jacke. Er stieß die Tür mit Fuß und Schulter auf und schlüpfte in den Flur. Der Mann folgte ihm. Jakob ging zur Treppe, in seinem Rücken verharrte der Mann. Jakob nahm vorsichtig die erste Stufe.

      »Hagedorn?«

      Jakob drehte sich um.

      »Der Briefkasten«, sagte der Mann. Seine Sporthose glänzte im trüben Licht der klickernden Flurbeleuchtung. Die breitgestellten Beine nahmen den Flur in Besitz wie eingepflockte Grenzpfähle. »Du hast Post, Hagedorn.«

      Jakob stellte seine Einkäufe auf der Treppe ab und sah in den Briefkasten. Ein winzigklein gefalteter Zettel lag darin, kariert, ohne Umschlag. Jakob zog ihn heraus, nahm die Taschen und machte sich an den Aufstieg zu seiner Wohnung. Auf dem ersten Treppenabsatz hörte er die Haustür ächzend ins Schloß fallen. Er drehte sich um, glaubte eine knisternde Hose und quietschende Turnschuhe zu hören, aber der Hausflur war leer. Er schüttelte den Kopf über den neuen Hang seines Gehirns zu Langatmigkeit. Vor seiner Wohnung stand eine schwere Wolke aus Schweiß und einem großblütigen Rasierwasser. Jakob rief sein Gehirn zur Ordnung. Unwillkürlich schnupperte er beim Schließen der Tür, roch aber nur die übliche Mischung aus Holz und alten Büchern. Er stellte die Einkäufe auf den Küchentisch, warf den karierten Zettel daneben, füllte den Wasserkessel, bereitete die Teekanne vor, setzte sich und las. Der Zettel war mit einer akkuraten Schrift gefüllt, die die vorgegebenen Quadrate als Richtschnur nutzte.

       Geehrter Kommissar. Entschuldigung, wenn mein Kumpel aussieht, als will er Sie ausrauben. Ich kenne nur solche Leute, obwohl ich noch nie eine Vorstrafe auf mich geladen habe. Ist aber echt zuverlässig. Was wichtig ist, wie Sie gleich verstehen. Im Gericht waren Sie bei meiner Verhandlung. Das fand ich gut. Wo Sie doch krank sind. Deshalb glaube ich, Sie sind ein guter Mensch, wollten gucken, was denn jetzt wird aus mir. Hier im Knast sprechen auch alle gut über Sie, schon wegen der Sache mit Ihrem Kollegen damals. Sind natürlich auch keine Mörder. Kann sein, die sehen das anders. Egal. Sie sind der einzige Bulle, der mir jetzt helfen kann. Da läuft ein Komplott. Nicht, daß Sie denken, ich spinne, ist hundertprozentig sicher. Wenn Sie mir helfen wollen, sagen Sie meinem Kumpel Bescheid, der wartet auf Antwort. Ist auch gut für Sie, Sie werden schon sehen.

       Hochachtungsvoll W. (Übrigens hasse ich Salamipizza, so deutsch werde ich nie. Habe ich nur gegessen für Sie.)

      Jakob ging zum Wohnzimmerfenster. Der Bote stand auf der anderen Straßenseite, einen Fuß gegen die Hauswand gestemmt, und sah zu ihm hoch. Jakob öffnete das Fenster und winkte ihn in die Wohnung. Der Mann zog an seiner Zigarette und schüttelte den Kopf. Er deutete auf Jakob und vor sich auf die Füße.

      Jakob grinste, holte den Wasserkocher, hielt ihn schaukelnd aus dem Fenster und winkte erneut. Er öffnete die Wohnungstür einen Spalt, füllte zwei Teeschalen


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