Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 1 - Die Schlacht in Magnitogorsk. Tino Hemmann

Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 1 - Die Schlacht in Magnitogorsk - Tino Hemmann


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»Eine Beretta?«, fragte er.

      »Ja«, sagte Smirnow. »Doch mehr scheinen sie nicht rausbekommen zu haben.«

      »Die Beretta besagt gar nichts. Das könnte auch eine PA MAS G1 der Franzosen sein. Die Beretta ist in Russland eher wenig verbreitet. In Italien und bei den Amis kommt sie zum Einsatz. Ein paar Nachbauten gibt es in Südafrika und Frankreich.« Nach einer kurzen Pause fuhr Artjom fort: »Also eine Beretta.«

      Den Taxifahrer interessierte das Gespräch seiner Kunden nicht. Er pöbelte unablässig über die anderen Verkehrsteilnehmer und ganz besonders die Fußgänger, die zu seinem Ärgernis alles verkehrt machten. Dabei verwendete er den kompletten Moskauer Schimpfwortschatz, obwohl er selbst eher aus dem asiatischen Teil Russlands zu stammen schien.

      Als Fedor schlaftrunken aus dem Bett gekrochen war und sich ohne Hilfsmittel Richtung Badezimmer bewegte, stieß er mit Katie zusammen, die den Jungen glatt übersehen hatte, die zudem an ihrem schlanken Körper lediglich einen winzigen weißen Slip trug und auf dem Rückzug vom Bad ins Schlafzimmer war. Fedor erschrak etwas, denn mit diesem nach Duschbad riechenden Hindernis auf einer gewöhnlich freien Bahn hatte er am frühen Morgen nicht gerechnet.

      Katie hielt sich schützend die Hände vor die straffen Brüste, obwohl Fedor die unmöglich sehen konnte. »Oh, guten Morgen, du bist es, Fedor, Verzeihung.«

      Gewohnheitsgemäß erfühlten Fedors Finger zunächst, was sich ihm da in den Weg gestellt hatte. Als die über Katies Bauch fuhren, sagte er: »Sie müssen sich nicht entschuldigen. Schließlich bin ich derjenige, der nichts sieht. Wohnen Sie jetzt bei uns? – Wissen Sie, was ich glaube, Katie?«

      »Was denn?«

      »Sie sind bestimmt auch eine sehr hübsche Frau.«

      »Na!« Katie löste Fedors Hände von ihrem Körper. »Du kleiner arglistiger Charmeur!«

      Im Hintergrund lachte Sorokin laut auf.

      »Er nutzt seine Blindheit aus, um mich zu befummeln!«, sagte Katie und lachte gleichfalls.

      »Gar nicht!«, wehrte sich Fedor. »Tu ich nicht!«, fuhr er fort und verschwand im Badezimmer.

      Sorokin umarmte das Mädchen. »Er sieht mit den Fingern. Nur was Fedor berühren kann, kann er sich auch vorstellen. Du musst dich nicht grämen.«

      Katie – auf Zehenspitzen stehend – küsste Sorokin intensiv, der nun seinerseits die Hände über den fast nackten Körper des Mädchens gleiten ließ. »Grämen? Das war ein Spaß.« Und wieder lachten sie.

      Fünf Minuten später huschte Fedor in sein Zimmer und Katie folgte ihm. »Das war eben nicht so gemeint«, sagte sie. »Alles okay?« Die Kriminalassistentin sah sich im äußerst aufgeräumten Kinderzimmer um. Auf dem Schreibtisch stand eine kleine Stahlkassette. »Was ist, Fedor, hast du da deine Millionen versteckt?«

      »Wo?«

      »In diesem kleinen Tresor, der auf deinem Schreibtisch steht.«

      Zielgerichtet lief Fedor zum Schreibtisch. Sofort ergriff er die Kassette, drehte den winzigen Schlüssel um und öffnete sie. Alles, was darin lag, war ein Babyschnuller. Und der sah wirklich nicht mehr sehr schön aus. Das gelbe Plastikgestell wirkte schmutzig und der Nuckelgummi zerkaut. »Mama hat ihn gekauft. Er ist das Einzige, was ich noch von ihr besitze. Deshalb ist er eingesperrt.« Fedor nahm den Schnuller in den Mund und nuckelte daran wie ein Baby.

      Nach dem Frühstück brachte Sorokin die Assistentin zu ihrem Auto. Als er in die Wohnung zurückkam, saß Fedor im Schneidersitz vor dem Rechner des Vaters und hörte Musik.

      Sorokin wartete, bis das Lied zu Ende war, dann legte er seine Hände auf Fedors Schultern und fragte: »Und, alles klar?«

      »Katie lacht bestimmt wie Mama«, flüsterte Fedor. Mehr sagte er nicht.

      »Was hast du heute vor?«, fragte Sorokin und Fedor zuckte mit den Schultern. »Hausaufgaben vielleicht.«

      »Ich fahr zur Tankstelle, meine Zigaretten sind alle, jemand hat sie mir weggeraucht.«

      Fedor stach dem Vater zielsicher mit dem Zeigefinger der rechten Hand in den Bauch und lachte auf. »Na klar, Papa. Weggeraucht! Dass ich nicht lache!«

      »He, lass das!« Nun kitzelte Sorokin dem Sohn die Rippen, so dass der lachend aufschrie und fast keine Luft mehr bekam. Als sich Fedor wieder beruhigt hatte, fragte der Vater: »Wie findest du Katie sonst so?«

      Grinsend spitzte Fedor die Lippen. »Geht so.«

      »Geht so?«

      »Ja. Geht so. Sie riecht gut und lacht ein bisschen wie Mama. Viel mehr weiß ich auch nicht. Sie raucht nur, wenn sie mit dir im Bett war. Und im Schlaf stöhnt sie ganz schön laut.«

      Einen Moment lang schwieg Sorokin. »Du Halunke!«, rief er schließlich. »Du hast uns belauscht!«

      Das Grienen in Fedors Gesicht breitete sich aus.

      Sorokin lenkte sicherheitshalber ab: »Kommst du nun mit?«

      »Ich mach das Auto auf!«, rief Fedor, rannte in den Flur, schlüpfte in seine Sportschuhe, holte den Schlüssel aus dem Jackett des Vaters und lief eine schmale Innentreppe hinunter in die Garage, die ein Teil des Kellers war. Als er die Tür zum Garagenraum geöffnet hatte, blieb Fedor wie angewurzelt stehen. Wieder einmal bebten seine Nasenflügel.

      Sorokin stand plötzlich hinter seinem Sohn, erst mit einem Arm in der Lederjacke. »He, was ist los mit dir?«, fragte er.

      Fedor rührte sich nicht von der Stelle. »Es riecht komisch. Und etwas tropft«, flüsterte er.

      Sein Vater roch nichts, abgesehen von abgestandenen Auspuffabgasen, und hören konnte er gleich gar nichts. »Woher kommt denn das Tropfen?« Auch er flüsterte.

      Ganz langsam bewegte sich Fedor auf den BMW zu und ging in die Knie. Er sog die Gerüche in sich ein und zeigte unter den Z4 Coupé. Sorokin kniete sofort neben dem Jungen, lag schließlich fast auf dem Boden. Er schüttelte den Kopf. »So eine Sauerei!«

      Beide Bremsschläuche hingen lose über der Vorderachse, unter dem Sportwagen hatte sich eine Pfütze gebildet und die letzten Tropfen der Bremsflüssigkeit fielen lautlos aus den Schläuchen.

      »Du bist ein Schatz, Fedor«, flüsterte Sorokin, stand auf und zog den Jungen mit hoch. Dann drückte er Fedor fest an sich. »Vielleicht hast du uns beiden gerade das Leben gerettet.«

      Die asphaltierte Ausfahrt vom Grundstück führte auf dem letzten Stück steil bergab und endete als Einmündung in einer dicht befahrenen, vierspurigen Schnellstraße, auf der in diesem Abschnitt zwar nur siebzig Stundenkilometer erlaubt waren, doch hielten sich nur wenige Verkehrsteilnehmer daran. Sorokin malte sich das Szenario aus, das hätte wahr werden können, wäre der flache BMW ungebremst auf die Bundesstraße gerollt und von einem Lkw erfasst worden.

      »Zigarettenkaufen fällt aus. Ich muss telefonieren.« Während er das Handy benutzte, schaute sich Sorokin in der Garage und im angrenzenden Keller um. Die Nebeneingangstür war brachial aufgehebelt worden. Er ging hinaus auf den Hof und erfasste die gesamte Umgebung. Niemand war zu sehen. Fedor blieb in seiner unmittelbaren Nähe.

      »Frau Rattner? Ist Ihr Mann zu sprechen?«

      »Momentchen bitte, ich hole ihn«, antwortete Rattners Frau, die eine gewisse Dringlichkeit in Sorokins Stimme erkannt hatte.

      »Ja, ich warte.« Und kurz darauf: »Hans? Ich brauche dich unbedingt.«

      »Heute ist Sonntag und meine Frau erschlägt mich. Egal. Wo? Bei dir am Haus?«

      »Ja, bei mir am Haus. Erreichst du jemanden von der Spurensicherung?«

      »Ich gebe mir Mühe. Was ist denn los? Ist was Ernstes passiert?«

      »Nein, dank Fedor ist uns nichts passiert. – Bringst du mir bitte eine Schachtel Zigaretten mit?«

      *


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