Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 1 - Die Schlacht in Magnitogorsk. Tino Hemmann

Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 1 - Die Schlacht in Magnitogorsk - Tino Hemmann


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zitterte plötzlich am ganzen Körper. Er erhob sich unsicher und begrüßte Lauras Vater, »Guten Tag, Herr Sonberg«, der ihm die Hand fest drückte. Fast etwas zu fest.

      »Und, alles in Ordnung, junger Mann? Ich wollte nur sagen, ich bin sehr erfreut, dass du Laura besuchst. Ist ja immerhin eine völlig fremde Umgebung für dich.«

      »Funktioniert schon.« Fedor wandte sich Laura zu: »Gehen wir wieder in dein Zimmer?«

      Laura war angesichts dieser Frage erleichtert. Sie zog ihn sofort mit sich. Fedor schloss die Tür des Kinderzimmers und setzte sich auf eine Liege neben das Mädchen.

      »Ich habe einen Freund«, flüsterte Fedor. »Sein Name ist Igor. Er stammt aus Moskau und lebt schon ziemlich lange hier. Ich war oft bei ihm.«

      »Und?«

      »Er hat sich auf seinen Geburtstag gefreut. Nächste Woche wäre er zehn geworden.«

      »Wäre?«

      »Igor hat sich einen ganzen Tag mit seinem Papa gewünscht. Das war sein Geburtstagswunsch. Sie wollten in einen Vergnügungspark fahren. Und ich war eingeladen. – Igor wurde gestern erschossen. Ganz aus der Nähe. Und sein Kindermädchen Anja auch. Verstehst du? Gestern erst.«

      »Gestern? Das tut mir leid, Fedor.« Laura ergriff die rechte Hand des Jungen. »Weiß die Polizei wenigstens, wer es war?«

      »Nichts wissen die. Absolut nichts. Ich habe es dir nur gesagt, damit du weißt, warum es mir nicht ganz so gut geht.« Fedor holte tief Luft und schwieg zunächst. »Als was arbeitet eigentlich dein Vater?«, flüsterte er nach langem Schweigen und lauschte gleichzeitig, ob Lauras Vater nicht ins Zimmer kommen könnte.

      »Er ist oft bei den Amis. Finanzgeschäfte, sagt er. Er fährt von einer Börse zur nächsten, ist in irgendwelchen Vorständen.«

      »Auch in Vorständen von Bauunternehmen?«, flüsterte Fedor.

      »Was du alles wissen willst! Keine Ahnung. Ist doch auch egal. – He, willst du mir einen Kuss geben?«

      Erschrocken drehte sich Fedors Gesicht zu dem von Laura um. »Soll ich denn wollen müssen?«, fragte er schüchtern und spürte bereits die Lippen des Mädchens auf den seinen. Nur ganz kurz, für eine halbe Sekunde. Fedor holte trotzdem tief Luft. »Ich glaube, ich muss jetzt gehen«, flüsterte er und log: »Mein Vater hat heute noch viel vor.« Er griff in die Hosentasche und berührte einige Tasten seines Handys. Die Abhol-SMS war bereits abgeschickt. »Er wird gleich hier sein.« Sofort erhob sich Fedor.

      »Magst du mich etwa nicht?«, fragte Laura, erstaunt über Fedors plötzlichen Ausbruchversuch.

      Der Junge suchte verunsichert die Tür. »Doch, schon. Aber ... Ich bin noch nicht so weit.«

      »Okay.« Laura ergriff die rechte Hand des Freundes. »Ist nicht so schlimm.«

      »Vielleicht kannst du mich mal besuchen?« Fedors linke Hand berührte die Türklinke.

      »Ich denke, eher nicht. Mein Vater lässt mich nicht allein raus. Seit ein paar Wochen geht das schon so. Er sperrt mich regelrecht ein.«

      Einen Moment zögerte Fedor. »Warum tut er das?«

      »Keine Ahnung. Er sagt, es wäre zu meinem Besten. Aber das sagt er ja ständig.«

      »Schade«, flüsterte Fedor und ließ die Klinke wieder los. Mit beiden Händen tastete er vorsichtig Lauras Gesicht ab, die Wangen, die Nase, die Lippen und die Ohren. »Mein Papa hat wahrscheinlich recht.«

      »Womit denn?«

      »Dass du ein sehr schönes Mädchen bist. – Bringst du mich an die Tür?«

      »Das hat er wirklich gesagt?« Laura streckte stolz die Hühnerbrust raus. »Klar doch, ich bring dich.«

      Auf dem Flur wurden sie von Lauras Eltern empfangen.

      »Musst du etwa schon gehen?«, fragte Lauras Vater.

      Fedor atmete tief ein und aus. Er antwortete nicht.

      Die Antwort übernahm Laura: »Fedors Vater kommt gleich, der hat heute noch was vor.«

      »Okay.« Frank Sonberg hielt Fedor die rechte Hand hin. »Also dann, auf Wiedersehen und pass gut auf dich auf.«

      Fedor griff zielsicher nach der Hand des Mannes und drückte sie fest, etwas zu fest. »Passiert schon nichts«, meinte er. »Auf Wiedersehen, Frau Sonberg. Vielen Dank für Tee und Kuchen.«

      Während seiner vornehm anmutenden Verbeugung klingelte es an der Wohnungstür.

      Sonberg berührte einen Sensor unter einem Bildschirm neben der Wohnungstür. Die Überwachungskamera schickte Bilder von der Haustür hoch. »Ah, sieh an. Dein Vater wartet bereits unten.«

      Zuletzt gab Fedor Laura die Hand. »Tschüss«, flüsterte er nur.

      Und Laura sagte: »Schick mir eine SMS.«

      *

      »Meinst du, ich könnte noch mal in das Haus?«

      Stirnrunzelnd fragte Anatolij Sorokin: »Welches Haus meinst du?«

      »Na, in das Haus von Igor.«

      »In Onkel Sergeis Haus? Was willst du dort? Ich weiß nicht, ob du das könntest.«

      »Es wäre wichtig für mich.«

      Sorokin bremste den BMW ab. »Wichtig?« Er wusste, dass Fedor keine weiteren Auskünfte geben würde, ahnte aber auch, dass es für seinen Sohn tatsächlich bedeutungsvoll war, den Tatort erneut aufzusuchen.

      »Okay, ich frage Herrn Rattner, ob du darfst. Wäre dir morgen recht?«

      Fedor rutschte unruhig in seinem Sitz hin und her.

      Tief durchatmend wählte Sorokin Rattners sichere Nummer. »Anatolij hier. Können wir uns noch mal in der Leutzscher Villa umsehen? Es ist wichtig.«

      »Ich habe ihr Gesicht abgetastet«, flüsterte Fedor in diesem Moment.

      Mit der rechten Hand fuhr Sorokin dem Sohn über den Kopf. »Immerhin ein Anfang. Und was hat sie gesagt?«

      Kommissar Rattner meldete sich nach einer kurzen Pause wieder: »Okay. Katie ist dort. Sie wartet auf dich. Ist der Junge mit dabei?«

      »Ja, er ist dabei«, sagte Sorokin. »Wir sind in acht Minuten da.«

      »Nur das Gesicht. Sie hat sich nicht dagegen gewehrt. Erzählst du es niemandem weiter?«, flüsterte Fedor.

      »Ich kann schweigen. Versprochen.«

      »Laura hat mir vorher einen Kuss gegeben. – Meinst du, sie mag mich?«

      »Laura?« Sorokin lachte auf. »Und wie sie dich mag!«

      Fedors Gesicht färbte sich ein wenig rot. Er lächelte trotz der Scham.

      »Warum willst du noch mal dahin, wo Igor getötet wurde?«, fragte der Vater plötzlich.

      Fedor saß wieder ruhig. »Ein Gefühl. Mehr nicht.«

      »Okay. Du vertraust mir aber, falls du mehr wissen solltest als ich?«

      Jetzt nickte der Junge. Das tat er sehr selten. Meist sagte Fedor »Ja« oder »Nein«.

      Sorokin nahm es zur Kenntnis, denn Fedors Nicken bedeutete nicht zwangsläufig ein »Ja«.

      *

      »Katie, was tust du hier so allein?« Die Begrüßung zwischen Sorokin und Rattners Kriminalassistentin Katie war überaus intim. Fedor bekam davon nichts mit.

      »So richtig weiß ich das selbst nicht.« Katie hatte die beiden unten im Foyer der herrschaftlichen Villa empfangen. »Es lässt mir keine Ruhe. Ich habe ja schon viel erlebt, aber so ein kaltblütiger Mord, da gehört schon mächtig was dazu. Und was suchst du hier?«

      Sorokin zeigte auf Fedor, der in tiefen Zügen ein- und ausatmete. »Er wollte hierher.«


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