Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 1 - Die Schlacht in Magnitogorsk. Tino Hemmann

Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 1 - Die Schlacht in Magnitogorsk - Tino Hemmann


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»Verflixt!« hieß, stand auf und verließ das eigene Hotelzimmer, nachdem er die Waffe entsichert und griffbereit in einer Beintasche platziert hatte. Acht Schritte musste er über den mit dunkelroten, samtig glänzenden Teppichen ausgelegten Flur laufen, um die Tür zu Smirnows Zimmer zu erreichen, vor der ein magerer Typ mit Schnauzbart und billigem Anzug stand, die Kopie eines russischen Gangsters der sechziger Jahre.

      Der Hüne betrachtete diesen Mann aus einer Entfernung von fünfzig Zentimetern. »Ich will zu meinem Freund. Was machen Sie hier? Wer sind Sie?« Seine Stimme ließ keine ausweichenden Antworten zu.

      »Sergei Michailowitsch Smirnow kann Sie jetzt nicht empfangen«, antwortete der dürre Typ trotzig und zuckte mit dem nikotingelb gefärbten Oberlippenbart. »Gehen Sie zurück in Ihr Zimmer.«

      »Kennen wir uns nicht?«, fragte Artjom mit einem Hauch Ironie in der Stimme.

      Argwöhnisch blickte der Mann hinauf zum Gesicht des Hünen. »Nicht, dass ich wüsste.«

      Ein kurzer, harter, trockener Schlag folgte, der Schnauzbärtige klopfte mit dem Schädel dumpf gegen die Zimmertür und ging ansonsten lautlos zu Boden. »Jetzt kennst du mich bestimmt«, raunte Artjom, zog die Waffe aus der Beintasche und wartete.

      Die Zimmertür öffnete sich nach dem Kopfklopfen einen Spalt, den Artjom rasch vergrößerte. Sogleich stand er mitten in Smirnows Zimmer, die Laufmündung am Kopf eines zweiten Mannes. Smirnow saß in seinem Sessel, eine Wodkaflasche in der Hand, und hob abwehrend den zweiten Arm. »Ganz ruhig, das sind ...«

      »Komsomolzev?«, unterbrach Artjom, den zweiten Mann keine Sekunde aus den Augen lassend. »Was suchst du hier?« Er kannte diesen Mann mit der Pistolenlauföffnung an der Schläfe recht gut. Alexander Komsomolzev, Inlandsgeheimdienst, sie waren sich oft begegnet, denn Komsomolzev hatte Artjom beschatten müssen.

      »Es geht nicht um dich, Artjom. Also nimm die Waffe gefälligst runter, du machst dich sonst unglücklich«, raunte Komsomolzev, ohne auch nur mit einer einzigen Wimper zu zucken. »Passt du etwa auf Smirnow auf? Dann solltest du dein Geschäft wegen fehlender Eignung überdenken!«

      »Was soll das dämliche Gequatsche?« Artjom ließ die Waffe sinken, hielt sie jedoch schussbereit und entsichert in der rechten Hand.

      »Jemand hat Smirnows Sohn und dessen Kindermädchen hingerichtet. In Deutschland. Und du, unfähiger, überdimensionierter Affe, hast du was davon gewusst? Immerhin: Du konntest nichts dagegen unternehmen.«

      »Ihr Idioten wusstet doch auch nicht davon!« Zehn Sekunden lang schaute Artjom in Smirnows leichenblasses Gesicht. Dann schlug er mit der Pistole zu, wütend und hart.

      Komsomolzev ging augenblicklich zu Boden, hielt sich die blutende Stirn und fluchte jaulend: »Das wirst du bitter bereuen!«

      Sogleich zog Artjom den körperlich weit unterlegenen Alexander Komsomolzev vom Boden hoch, zischte ihn an: »Einzig und allein, dass ich dich nicht sofort abserviert habe, werde ich bereuen, Hurensohn!« und ließ ihn wieder fallen. »Ist das wahr?«, fragte er Smirnow, der regungslos an einer Wodkaflasche nuckelte. »Hast du jemanden, den du fragen kannst, ob dieses Schwein die Wahrheit sagt?«

      Smirnow nickte. »Mein Junge ist tot«, lallte er. »Mein kleiner Igor wurde erschossen. Anatolij Sorokin, ein Bekannter aus Deutschland, hat es bestätigt. Er hat ihn gesehen. Mein kleiner Igor wurde mit einem Kopfschuss hingerichtet! Igor, der keiner Fliege etwas zuleide tun würde!« Plötzlich sprang Smirnow auf und näherte sich dem Hünen. »Ich will, dass du alle liquidierst, die damit zu tun hatten! Alle! Egal was es kostet. Alle!« Speichel spritzte aus seinem Mund, er ließ sich erschöpft in den Sessel fallen.

      »Anatolij Sorokin?«, raunte Komsomolzev am Boden.

      Artjom packte ihn erneut am Kragen und zog ihn hoch. »Was wisst ihr noch? Wer steckt dahinter?«, brüllte er, zog den Beamten mit zur Tür, öffnete diese und richtete die Waffe auf den zweiten Typ, der sich im Hotelflur gerade aufgerappelt hatte. »Rein mit dir, Lebedev! Los!« Er zwang die Kundschafter auf einen Diwan, die Pistole nach wie vor stets auf einen der beiden gerichtet. »Wer hat euch informiert?«

      »Hör zu, du aufgeblähtes Muskelpaket«, entfuhr es Komsomolzev wütend. Blut lief über seine Stirn. »Interpol hat uns informiert und wir haben lediglich die Nachricht überbracht. Kapiert das dein Spatzengehirn?«

      Der Hüne sicherte die Waffe und packte sie weg. Dann schaute er Komsomolzev lange in die Augen. »Ihr geht mir besser aus dem Weg. Ich habe einen Auftrag. Und den werde ich kompromisslos ausführen. Wer mir im Weg steht, wird vernichtet. – Ich weiß, wo ihr wohnt. – Verstanden?«

      Komsomolzev zog ein Taschentuch heraus und tupfte sich Blut von der Stirn. »Das wirst du nicht tun, sonst ...«

      »Einen Scheiß werde ich nicht. Wir haben uns verstanden. Und jetzt verschwindet! Alle beide! Mischt euch nicht in meine Angelegenheiten!« Er starrte die beiden an, einer Mumie gleich, die kleine Kinderchen verschrecken wollte.

      Smirnow rührte sich nicht. Doch plötzlich öffnete sich sein Mund: »Nicht, dass mein Freund Sorokin meinen Sohn ermordet hat? Immerhin hatte er Zugang zum Haus. Und eine Waffe hat er bestimmt auch.«

      Komsomolzev und Lebedev spitzten die Ohren.

      »Raus jetzt mit euch!«, forderte Artjom nochmals.

      Zwei FSB-Leute räumten geräuschlos die Bühne. Die Zimmertür fiel ins Schloss.

      »Pack deine Sachen! Ich bring dich hier raus. Willst du morgen trotzdem zu deinem Treffen?«

      »Es wäre eine Kapitulation, wenn ich das Angebot nicht übergeben würde«, raunte Smirnow und ließ die Wodkaflasche fallen.

      »Okay. Ich bring dich an einen sicheren Ort und morgen fahren wir zusammen nach Moskau City.« Artjom schaute Smirnow scharf an. »Komsomolzev scheint diesen Anatolij Sorokin zu kennen.«

      »Tolik ist ein guter Freund. Er ist aus Russland geflüchtet. Vielleicht war Komsomolzev irgendwann hinter ihm her. Jedenfalls vertraue ich Tolik.«

      *

      Als Alexander Komsomolzev neben seinem jüngeren Kollegen im Wagen saß, raunte er: »Hast du gehört? Smirnows Freund ist Anatolij Sorokin, die Ameise. Ewig habe ich ihn gesucht! Sollte mich nicht wundern, wenn der hinter dem Mord steckt. Der hat sich Smirnows Vertrauen erschlichen, lebt in der gleichen Stadt in Deutschland und arbeitet dort für eine Polizeispezialeinheit.«

      »Du kennst diesen Sorokin?«, fragte Michail Lebedev.

      »Seit meinem zweiten Lebensjahr. Er wohnte nebenan, in Magnitogorsk.«

      »Ein Fall für Interpol?«

      »Wir haben keine Beweise«, erwiderte Komsomolzev.

      »Brauchen wir die neuerdings?«

      »Sorokin hasst mich ganz bestimmt. Er hat mit seiner Frau gegen Russland gearbeitet. Sie kam zufälligerweise ums Leben. Ich mochte sie nicht mehr, denn sie hat mich wegen Sorokin abgewiesen. Ausgerechnet mich hat er dann um Hilfe gebeten, weil er glaubte, seine Galina wäre ermordet worden, dieses Arschloch. Ich sollte ihn von seinem blinden Balg trennen und zugrunde richten, dann ist er aber nach Deutschland geflüchtet. Er kann mir nichts beweisen, wird aber ganz bestimmt viel ahnen. Jetzt kann ich es beenden. – Du hast recht. Wir brauchen keine Beweise. Vielleicht erledigt Sorokin diesen fetten Sergei Michailowitsch Smirnow und seinen Schutzengel für uns? Oder die erledigen Sorokin. Egal ...«

      Michail Lebedev grinste. »Ich liebe es, wenn du deinem Hass freien Lauf lässt, Alex!«

      Fedor saß regungslos am Tisch im Wohnzimmer. Er hatte belanglose Fragen von Lauras Mutter beantworten müssen, Tee getrunken und Kuchen gegessen. Laura saß dicht neben ihm, so dass er ihren Atem spürte, wenn sie Fedor beobachtete.

      Der Junge hörte ein Geräusch an der Wohnungstür. »Dein Vater kommt«, sagte er und drehte sich zur Wohnzimmertür um, die etwas offen stand.

      »Ich habe gar nichts gehört«,


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