Phalansterium. Matthias Falke

Phalansterium - Matthias Falke


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      Sie unterdrückte ein Rülpsen und legte schuldbewusst die Hand auf den Mund.

      »Auf alle Fälle.« Jennifer legte den Kopf schief und betrachtete sie mit einem warmen Schmunzeln. Jedem anderen hätte sie die laxe Redewendung verboten, aber Jill genoss bei ihr Narrenfreiheit.

      Wieder breitete sich ein beklommenes Schweigen aus. Wir sahen zu, wie die Planetenfähre draußen andockte und betankt wurde. Die ersten Passagiere erhoben sich und begannen vor der Schleuse eine Schlange zu bilden.

      »Also dann.« Ich stemmte die Fäuste auf die Knie und drückte mich hoch.

      Alle standen auf und wir umarmten einander noch einmal.

      »Pass auf die Kleine auf«, sagte Laertes leise, als er mir die Hand drückte.

      »Viel Glück dort draußen«, sagte ich zu Taylor, während wir uns an den Schultern fassten.

      »Nicht heulen!« Jennifer schloss Lambert in die Arme und strich ihr das verstrubelte Haar.

      Dann rissen wir uns los.

      Die Freunde gingen hinter die Absperrung zurück. Die Ordonnanzen räumten die Gläser und Flaschen weg. Die Lobby leerte sich zusehends.

      In diesem Moment kam John Reynolds in die Wartehalle gestürmt. Er schloss Jennifer in die Arme und reichte mir die Rechte zu einem harten Händedruck. Vorne zischte der Druckausgleich. Die Leute begannen mit der Kontrolle und dem Einsteigen.

      Als wir uns losmachen wollten, hielt er uns zurück und senkte verschwörerisch die Stimme.

      »Die Tloxi haben mir ein Angebot gemacht!«

      »Glückwunsch«, sagte ich zerstreut. »Was heißt das konkret?«

      »Sie haben mir eine weitreichende Zusammenarbeit in Aussicht gestellt.«

      »Wow«, machte Jennifer.

      Wir saßen beide auf Kohlen. Vorne gingen die ersten Passagiere durch die Schleuse. Es waren nur noch wenige Leute vor uns.

      »Ja!« Er schwitzte vor Begeisterung.

      »Darfst du?«, fragte ich. »Darfst du einen von ihnen autopsieren?«

      Es war immer sein sehnlichster Wunsch gewesen, ein Tloxi-Gehirn sezieren zu dürfen. Den demolierten Gefangenen, den wir bei G.R.O.M. an Bord gehabt hatten, hatten wir ihnen wieder ausgehändigt. Das war die Bedingung dafür, dass wir Jennifer von dem Planeten abholen durften. Aber anscheinend hatte seine Weigerung, das Wesen auf eigene Faust und gegen ihren Willen zu untersuchen, bei ihnen einen positiven Eindruck hinterlassen.

      »Sie haben es sehr vage formuliert«, erklärte er. »Aber offenbar habe ich ihr Vertrauen gewonnen.«

      »Das hast du ganz bestimmt«, strahlte Jennifer. »Dein Verhalten war ja auch völlig untadelig.«

      Seine Weigerung, die zu unserem Zerwürfnis mit Rogers geführt hatte, hatte ihr vermutlich das Leben gerettet. Aber nicht nur deshalb war sie so begeistert.

      »Was immer es ist«, sagte ich. »Du kannst dabei sicherlich nur profitieren.«

      Die Tloxi waren uns technisch in einem Maße überlegen, der jeden Kontakt und jede Zusammenarbeit mit ihnen zu einer Lehrstunde machte. Das galt in erhöhtem Maße für unseren ehemaligen WO, den genialsten Wissenschaftler, den die Union je hervorgebracht hatte.

      »Auf alle Fälle.« Er sinnierte zufrieden vor sich hin.

      »Wir müssen dann«, sagte ich.

      Die letzten Reisenden vor uns waren bereits im Verbindungstunnel, der sie an Bord der Fähre brachte. Der Offizier, der das Einsteigen überwachte, sah geduldig, aber unmissverständlich zu uns her.

      »Wir bleiben in Kontakt«, fiel mir noch ein. »Halte uns auf alle Fälle auf dem Laufenden!«

      »Habt ihr ein Kom dabei?«, fragte er.

      »Ja«, sagte ich, obwohl ich wusste, dass Jennifer während des Urlaubs offline bleiben wollte.

      »Ich werde ab und zu Berichte ins Stabslog stellen«, versprach er.

      Immer noch stand er da, die Hand auf meinem Arm. Wir kannten ihn lange genug, um zu wissen, dass er noch nicht fertig war.

      »Die Sache hat einen kleinen Haken«, brachte er schließlich heraus.

      »Was denn?« Jennifer nahm die Tasche, in dem sie ihre wenigen persönlichen Habseligkeiten transportierte. Ihr Blick nahm diese eindringliche Färbung an, die ich nur zu gut kannte.

      Reynolds nickte zum Zeichen, dass er unsere Eile zur Kenntnis nahm.

      »Sie wollen mich mit sich nehmen«, sagte er schnell. »Auf eine andere Station, die sie irgendwo weiter draußen unterhalten.«

      »Das ist doch großartig«, sagte ich.

      »Vermutlich wollen sie mich so unter Kontrolle haben«, meinte er.

      »Auf alle Fälle wirst du faszinierende Einsichten bekommen.«

      »Diese Station scheint sehr weit weg zu sein.«

      »Im Zeitalter von Quantenboxen und oszillierendem Warp dürfte das keinen Unterschied machen.«

      Der Offizier machte ein paar Schritte auf uns zu und wedelte mit der Zeitanzeige seines Handkoms.

      »Es ist deine Entscheidung«, sagte ich, schon halb im Gehen. »Ich denke, es wird sich auf alle Fälle lohnen.«

      »Ich werde es mir auch nicht entgehen lassen!« Wenn er grinste, sah er aus wie ein großer Junge. »Ich wollte euch nur bescheid sagen.«

      »Danke, dass du persönlich vorbei gekommen bist.« Jennifer drückte ihm einen Kuss auf die bärtige Wange. »Hat diese Station einen Namen?«

      »Ich wurde nicht ganz schlau daraus«, versetzte John Reynolds. »Da ist eine Tloxi-Hieroglyphe in den Protokollen, die ich nicht entziffern kann!«

      »Du schaffst das schon!«

      Wir gingen durch die Schranke.

      Mit hässlichem Pfeifen schloss sich die Schleuse.

      ***

      Die Planetenfähre war nicht allzu groß. Einhundert Passagiere. Der Aufenthaltsbereich sah aus wie eine Lounge in einem Club. Offiziere, Ingenieure und Geschäftsleute waren unsere Mitreisenden. Der Flug erfolgte bei oszillierendem Warp. Allerdings war es ein ziemlich altertümliches Aggregat, so dass die Reise mehrere Stunden dauerte. So etwas waren wir gar nicht mehr gewohnt! Wir genossen es allerdings in vollen Zügen. Hostessen gingen herum und brachten einem, was immer man wünschte. Es gab eine kleine Bar. Jennifer hatte ihren gravimetrischen Sessel ganz nach hinten gefahren und die Beine hochgelegt. Ich unterhielt mich mit einem Mann vom Stab, der zu den Besatzungstruppen nach Sin Pur kommandiert war. Später auch mit einem Spezialisten für Wasseraufbereitung, der die einschlägigen Anlagen in Pura City wieder in Betrieb nehmen sollte.

      Als wir den Warp drosselten und das Doppelsystem anflogen, weckte ich Jennifer, die sich in ihrer Liege aufrichtete. Schweigend sahen wir aus dem Fenster, während die Fähre über der zerstörten Stadt in Sinkflug ging. Pura City war in seiner Entwicklung um Jahrzehnte zurückgeworfen. Die Innenstadt war völlig ausgebombt. Immerhin waren Pioniertrupps dabei, die schwersten Schäden zu beheben. Überall ragten gravimetrische Kräne in den Himmel. Ganze Viertel wurden niedergelegt und neu aus dem Boden gestampft. Die Infrastruktur würde nach der Instandsetzung in einem besseren Zustand sein als vor unserer Invasion. Materiell würde es den Leuten bald wieder mindestens so gut gehen wie vor dem Krieg. Wie man hörte, kam sogar der Tourismus langsam wieder in Gang. Wenn es auch vor allem Techniker und Geschäftemacher waren, die den Planeten anflogen.

      Etwas anderes war der Hass, der der Union dort noch auf Generationen entgegenstehen würde. Wir bekamen einen Eindruck davon, als wir im Transitbereich des Raumhafens der Hauptstadt abgefertigt wurden. Er war die einzige Einrichtung dieser Art auf Sin Pur, wie Pura City die einzige größere Stadt der Wasserwelt war. Beizeiten würde man damit


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