Tod auf der Massagebank. Joachim Bräunig
bereits Unterlagen aus einem älteren Fall bereitgelegt, welche der neue Kommissar Siegel, auf Anweisung von Ullmann, zunächst nochmals bezüglich neuer Anhaltspunkte überprüfen sollte. Alle warteten auf Kommissar Ullmann und dessen Auswertung seiner Besprechung beim Polizeipräsidenten.
Der Polizeipräsident saß in seinen Chefsessel und außer ihm war auch die Gerichtsmedizinerin, Frau Kesser, anwesend und gab Ullmann mit einem Lächeln die Hand.
„Ich habe unsere Gerichtsmedizinerin zu unserer Besprechung hinzugebeten, da ihre Information von ausschlaggebender Bedeutung ist und zur Aufklärung eines Verbrechens beitragen soll“, begann der Präsident seine Ausführungen und zündete sich eine Zigarette an, was bei ihm auf Probleme hinwies, denn im Normalfall war er Nichtraucher und nur bei schwierigen Aufgaben griff er, weil er überzeugt war, dass dies zu seiner Beruhigung beitrug, zur Zigarette.
„Wir haben es bei dem aufgefundenen weiblichen Leichnam in Bad Saarow mit einem raffinierten Verbrechen zu tun. Nach ersten Erkenntnissen waren nach dem Leichenfund alle, einschließlich des gerufenen Notarztes, von einem natürlichen Tod durch Herzversagen ausgegangen. Der gleichfalls anwesende Revierleiter von Bad Saarow war jedoch der Ansicht, dass die Frau, welche er gut kannte, kerngesund war und einen Selbstmord schloss er ebenfalls aus. Nach einigem Zögern entschloss er sich den Leichnam zur Autopsie in die Pathologie nach Brandenburg zu überweisen. Ich bitte nun Frau Kesser ihre Erkenntnisse zu schildern.“
„Ich muss ehrlich gestehen, dass ich einen solchen Fall an Gerissenheit und gleichzeitiger guter Überlegung zur Tötung eines Menschen bisher noch nicht gesehen habe. Es hat mich viel Mühe und große Aufmerksamkeit gekostet, die Todesursache zu ermitteln, aber nach genauester Analyse bin ich mir sicher, dass die Tötung der Frau auf ein Verbrechen zurückzuführen ist, wobei festzustellen ist, dass die Frau an Herzversagen gestorben ist.“
„Demnach kein Verbrechen?“, fragte ungläubig Ullmann.
„Doch, Herr Hauptkommissar“, entgegnete die Gerichtsmedizinerin, die bereits häufig bei der Aufklärung von Verbrechen mit dem Hauptkommissar zusammengearbeitet hat.
„Das müssen Sie genauer erklären.“
„Ich habe im Rahmen der Autopsie alle möglichen Varianten einer gewaltsamen Tötung der Frau durchgespielt und bin immer wieder von der Tatsache des Herzversagens ausgegangen und habe erst nach mehreren Versuchen den wahren Grund dafür finden können. Nachdem ich im Brustbereich der Getöteten keinen Hinweis auf ein Verbrechen finden konnte, haben wir diese in die Bauchlage gedreht und mit der Lupe nach möglichen Einstichen gesucht. Dort konnte ich genau im Bereich der Herzgegend einen winzig kleinen Einstich feststellen. Anschließend habe ich die Frau einer exakten Resektion unterzogen und konnte den exakten Verlauf des Stichkanals ermitteln. Er verlief genau Richtung Herz und hat den sofortigen Tod der Frau herbeigeführt. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass die Frau keine Schmerzen gespürt hat und ihr Tod sofort beim Eintreten der Nadel ins Herz eingetreten ist.“
„Damit ist der Mord nachgewiesen?“, fragte Ullmann.
„Ja, die Frau wurde Opfer eines Verbrechens“, sagte Frau Kesser mit entschlossener Stimme.
„Darf ich fragen, um wen es sich handelt?“
„Die Getötete ist Julia Geisler“, ergriff nun der Präsident wieder das Wort.
„Ist uns die Frau aus einem anderen Zusammenhang bekannt?“, wollte Ullmann wissen.
„Nein, es ist eine völlig unbescholtene Person.“
„Hat das zuständige Revier bereits Ermittlungen begonnen?“
„Nein, sie gehen weiter von Herzversagen aus, nur der Revierleiter hat von unseren Ermittlungen Kenntnis.“
„Kennt er das Ergebnis der Obduktion?“
„Nein.“
„Wie geht es weiter?“, fragte Ullmann, obwohl er sich diese Frage selbst beantworten konnte.
„Auf Grund des Obduktionsergebnisses habe ich die diesbezüglichen Schritte eingeleitet und ich beauftrage Sie und Ihre Mitarbeiter mit der Aufklärung des scheußlichen Verbrechens.“
„Wo ist die getötete Frau wohnhaft?“
„Sie bewohnt mit ihrem Gatten ein großes Haus mit entsprechendem Grundstück in einer Siedlung am Rande von Wendisch Rietz.“
„Das ist nach meinen Kenntnissen in der Nähe des Ferienparkes Scharmützelsee.“
„Das ist richtig, aber die Siedlung ist nicht direkt im Ferienpark.“
„In dieser Gegend wimmelt es von Urlaubern.“
„Auch dieser Fakt stimmt und wird die Aufklärung des Verbrechens nicht vereinfachen.“
„Wann ist die Frau getötet worden?“, erkundigte sich Ullmann.
„Eine hundertprozentige Aussage zum Todeszeitpunkt ist nicht möglich, da durch Verzögerungen bis zur Obduktion eine gewisse Zeit vergangen ist. Wir haben heute Mittwochvormittag und unter Berücksichtigung des Zustandes des Opfers müssen wir davon ausgehen, dass die Frau vor circa achtundvierzig Stunden getötet wurde“, sprach Frau Kesser.
„Das bedeutet, sie wurde am Montagvormittag getötet.“
„Im Laufe des Montagvormittag, Karenzzeit ungefähr vier Stunden.“
„Setzen wir den Vormittag mit zehn Uhr an, so erfolgte die Tat zwischen sechs und vierzehn Uhr“, schlussfolgerte der Hauptkommissar und schaute zu der Gerichtsmedizinerin, die zustimmend nickte.
„Das ist ein ziemlich großer Zeitraum.“
„Exakter kann ich die Tatzeit, auf Grund der bereits von mir dargelegten Schwierigkeiten, nicht festlegen.“
„Ich habe noch eine entscheidende Frage.“
„Wenn wir sie beantworten können“, entgegnete der Präsident.
„Können wir davon ausgehen, dass der Fundort zugleich der Tatort ist?“
„Ich denke, dass wir davon ausgehen können.“
„Ich gehe davon aus, dass Frau Geisler verheiratet ist.“
„Ja.“
„Weiß die Familie von der Obduktion und deren Ergebnis?“
„Nein.“
„Die Familie geht demnach von einem natürlichen Tod der Frau aus.“
„Ja.“
„Ich habe noch eine wichtige Frage, Frau Kesser.“
„Ich werde mich bemühen, sie sachkundig zu beantworten.“
„Die Beantwortung der Frage kann für unsere Ermittlungen von immenser Bedeutung sein.“
„Davon gehe ich aus, schließlich kenne ich Sie im Rahmen unserer bisherigen Zusammenarbeit gut genug, um zu wissen, dass Sie keine unbedeutenden Fragen stellen“, lächelte sie den Kommissar an.
„Erfordert diese Tötungsart gewisse medizinische Vorkenntnisse?“
„In gewissem Umfang würde ich diese Frage bejahen, was nicht unbedingt auf einen Täter hinweist, der im medizinischen Bereich tätig ist.“
„Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch gegeben?“
„Ja, aber bei den heutigen technischen Möglichkeiten, ich meine damit das Internet, kann sich jeder erforderliche Informationen einholen. Ich würde den Täter oder die Täterin nicht nur im medizinischen Bereich suchen.“
„Kann die Tat auch eine Frau ausführen?“, bohrte Ullmann weiter.
„Die Frage kann ich mit ruhigem Gewissen bejahen.“
„Wer hat die Tote gefunden?“
„Nach Aussage des Revierleiters der blinde Mitarbeiter, er ist ein Masseur des Studios.“
„Verstehe