Lindenstadt und sächsischer Kleinkram. Jens Rübner

Lindenstadt und sächsischer Kleinkram - Jens Rübner


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Flasche wurde durch gezielte Reklame zum Erfolg, jedenfalls in der kleinen DDR. Auch wenn die BILD-Zeitung damals im Westen Abfälle aus der Igelitt-Produktion, deren Weichmacher krebserregend waren, darin vermutete. (Womit das Blatt nach heutigen Erkenntnissen sogar Recht hatte). Der Beliebtheit der Bino-Würze oder dem Suppenwürfel tat dies keinen Abbruch, wurde diese Würze doch viele Jahrzehnte heiß umworben und auch gern genommen. Zugegeben, der Bürger, der keine Westverwandtschaft hatte beziehungsweise später nicht über D-Mark oder Forumschecks verfügte, um im Intershop einkaufen zu gehen, hatte ja keine Alternativen. Von älteren ‚Semestern‘ ließ ich mir berichten, dass sie sich sogar an Bino-Reklame in Form einer überdimensionalen großen Bino-Flasche in den 50er Jahren auf dem Leipziger Marktplatz erinnern. Bino war übrigens die Abkürzung des Elektrochemischen Kombinates Bitterfeld- Nord, in dem die Speisewürze hergestellt wurde. Was tatsächlich alles drin war, wusste man nicht oder besser gesagt, man wollte es nicht wirklich wissen. Im Volksmund sprach man von Hornspänen und gemahlenen Klauennägeln – Pfui Teufel, hätte jetzt meine Oma gesagt!

      Erinnern Sie sich an weitere Kultflaschen aus dem W E S T E N oder gar an Flaschen, die in beiden deutschen damals noch getrennten Staaten erfolgreich waren? Ich höre Sinalco, Odol und Underberg. „Odol gibt frischen Atem.“ Ein Mundwasser, das der Sachse, der Dresdner Unternehmer Karl August Linger, 1892 auf den Markt brachte.

      Sie alle sind Flaschen, die über 100 Jahre alt sind und trotz ihres hohen Alters ewig jung und in aller Munde geblieben sind. Denn wenn ein Produkt durch die Form, seine Qualität und seine Eigenheit so eingeführt wurde, dass jedes Kind auf Anhieb weiß, wessen Name, wessen Fabrikat sich dahinter verbirgt, dann hat der Designer, der Erfinder, seine Hausaufgaben sehr gut gemacht. Von einer besonderen möchte ich hier erzählen, zu der auch ich persönlich eine gewisse Beziehung habe. Drei Hinweise gebe ich Ihnen: Sie ist klein, ihre Verpackung ist außergewöhnlich und in der Gastronomie bestellt man sie mit einer typischen Fingerbewegung. Richtig, es ist der UNDERBERG – das grüne Geheimnis! Dieser Kräuterschnaps, Leute vom Fach sprechen von einem natürlichen Kräuter-Digestif, machte die Familie beziehungsweise das heutige Familienunternehmen zu angesehenen, beträchtlichen Unternehmern. Die „Underbergs“ sind verschwiegene Leute, die ihre Rezepturen nie preisgeben. Sie nehmen sie mit ins Grab beziehungsweise geben sie an die nächste Generation weiter. Schließlich sind es Familienrezepte – Familiengeheimnisse, die bewahrt und über Generationen gehütet werden müssen. Demzufolge sind sie auch in keinem Netzwerk der Welt zu finden. Die gut gemachten Internetseiten von www.underberg.com, die originellen Werbefilme und in diesem speziellen Falle gar eine Melodie, die jeder mitpfeifen kann, tragen zu weiteren positiven Effekten bei.

      Der Apotheker Hubert Underberg gründet bereits 1846 im niederrheinischen Rheinberg unter dem Motto „Semper idem" (immer gleich – in seiner Qualität) das Unternehmen, das noch heute im Familienbesitz ist. Er war „Kammerlieferant seiner Majestät des Kaisers von Österreich und Apostolischen Königs von Ungarn“. Somit war die Firma H. Underberg-Albrecht eine der ersten deutschen Firmen, welcher diese seltene Auszeichnung zuerkannt wurde. Das heutige kleine 20 ml-Fläschchen im Strohpapier, mit der die meisten die Marke Underberg in Verbindung bringen, wurde jedoch erst 1949 von Emil Underberg, dem Enkel des Firmengründers, erfunden und trat (s)einen triumphalen Siegeszug um die Welt an. Gut gefertigte Werbung – Kinowerbung - sowie bekannte Sympathieträger aus Film und Fernsehen, die diese Marke ins rechte Licht setzten, sorgten dafür, dass dieses Produkt noch populärer und erfolgreicher wurde. Im April 2009 schrieb der freie Journalist Sven Heitkamp in der Leipziger Volkszeitung: „Damit sich dieser Slogan auch im Bewusstsein der Menschen verankern konnte, kreisten in den 1950er Jahren Luftschiffe und Hubschrauber mit Werbebanner über Deutschland und den Nachbarländern. Des Weiteren wurden zu dieser Zeit Gutscheine an sechs Millionen Haushalte verschickt, die dazu aufriefen, eine Portionsflasche Underberg beim Gastwirt oder Kaufmann einzulösen.“

      Das oft kopierte Getränk, das seit zig Jahrzehnten als Allheilmittel gegen das Unwohlsein gilt und das zum internationalen Verkaufsschlager wurde, das man trinken, besser gesagt maßvoll genießen sollte. Wie steht es so treffend auf den Webseiten der Firma Underberg: „Underberg ist mehr als ein Bitter oder Amaro. Underberg ist hundertprozentige Natur ohne Farbstoffe oder Zusätze. Underberg ist kein Kräuterlikör, denn er enthält keinen zugesetzten Zucker. Underberg ist durch seine wissenschaftlich erwiesene Wirkung eine Kategorie für sich.“ (Underberg Webseiten – Zugriff erfolgte am 4.3.2013)

      Anfang der 70er Jahre folgte der nächste Paukenschlag oder sollte man besser sagen, eine geniale Idee der Marketing-Strategen – die Einbindung einer der bekanntesten Film-Melodien, wurde zum Erkennungszeichen der Underberg-Marke.

      Wussten Sie eigentlich, dass die Geschichte dieser Melodie bis ins Jahr 1914 zurück reicht? In diesem Jahr komponierte der britische Kapellmeister Kenneth J. Alford den eingängigen Marsch. Wirklich bekannt wurde er allerdings erst durch den Film Die Brücke am Kwai aus dem Jahr 1957. Und 1958 war The River Kwai March sogar ein Nummer Eins Hit in Deutschland. In den 70er-Jahren hat den „Meister“ die ansteckend-wohltuende Melodie so begeistert, dass sie mit dem Text „Komm doch mit auf den Underberg“ zum Erkennungszeichen der Marke wurde.

      Nach all diesen Informationen drängt sich die Frage auf, ob es Underberg im Osten, sprich auch in der DDR gab. Und wenn ja, ab wann und wo?

      Bereits 1968 hatte Emil II. erste Kontakte mit den DDR-Oberen geknüpft. Das Unternehmen möchte, dass ihr Magenbitter auch im Dienste des Wohlbefindens sozialistische Mägen beruhigt. Trotz der Hartnäckigkeit des konservativen Katholiken vom Niederrhein sollten drei weitere Jahre ins Land gehen, ehe 1971 ein Ost-Berliner Spirituosenbetrieb im Rahmen eines Gestattungsvertrages – dem ersten seiner Art – die Underberg-Abfüll- und Verpackungslinie unter Qualitätskontrolle des West-Berliner Betriebs in Gang setzt. „Es war Herrn Underberg wichtig, als Familienunternehmer fair mit einem anderen Familienbetrieb umzugehen”, sagt Herr Barwinski – Prokurist und Mitglied der Underberg-Geschäftsleitung in Rheinberg. Was war passiert? Familie Meinel, Gastronomen aus dem Hotel Fichtelberghaus in Oberwiesenthal, hatten im Jahr 2002 einen hauseigenen Hausschnaps Oberberg, kreiert. In starker Anlehnung an die Marke Underberg. Tatsächlich aber schützt der schon 1846 gegründete Magenbitterproduzent Underberg auf dem Markt der Kräuterschnäpse fast alles, was auf Namen wie „Unter” und „Berg” hört. Seit 1894 gab es dazu Eintragungen beim Kaiserlichen Patentamt und darauffolgend beim Deutschen Patent- und Markenamt. Der entschiedene Kampf um den Markennamen gehört dabei zur Unternehmensgeschichte wie das weiß-bräunliche Wickelpapier: „Die früheren Generationen der Gesellschafter haben in den vergangenen 163 Jahren die Marke permanent gegen Nachahmungen verteidigen müssen”, erzählt Barwinski, weiter. In mehr als 1.200 Fällen musste sich Underberg gegen Plagiatsversuche von Flaschenform, Verpackung, Etikett und Namen wehren. Die „Oberberg”-Familie bildet da eine glückliche Ausnahme! (Quelle: LVZ, April 2009, Sven Heitkamp – freier Journalist)

      Letztendlich konnte man sich gütig einigen, weil es für das Unternehmen eine Frage der Solidarität zwischen West und Ost war. Underberg hatte ja schon 1973 als erstes westdeutsches Unternehmen seinen Original-Magenbitter beim Berliner VEB Bärensiegel produzieren lassen, sicherlich auch, um neue Absatzmärkte zu schaffen. Fortan können ausländische Besucher und Besitzer von harten Devisen Underberg in den Intershops kaufen, kurze Zeit später ist er auch in der gehobenen Gastronomie zu haben. Mir ist in Erinnerung, dass man diese Marke auch in meiner Stadt erwerben konnte. Abgesehen von den Intershops und am Flughafen im Duty Free Shop gab es diesen „Verdauerli“ auch im Hotel (später Interhotel) „Astoria“, dem ersten Grand-Hotel der Stadt, dem einst nobelsten Wahrzeichen Leipzigs gleich neben dem Hauptbahnhof. Nur leider erinnert heute (März 2013) sehr wenig an den Glanz dieses Gebäudekomplexes, in dem über mehr als 80 Jahre die Elite aus Politik, Wirtschaft und Kultur zur Nachtruhe gebettet wurde. Seit 1997 steht es leer und ist dem Verfall preisgegeben. Des Weiteren war der gleichnamige Magenbitter, das bekannteste Produkt von Underberg, auch im Gästehaus des Ministerrates und Politbüros der DDR in der Leipziger Schwägrichenstraße zu bekommen. Somit ist die Marke Underberg eine der ersten Westmarken, die es auch jenseits der Mauer gab.

      Im Jahr 1975 schafften die besonderen Flaschen gar den Sprung in


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