Ein Jahr für unsere Ehe. Timothy Keller

Ein Jahr für unsere Ehe - Timothy Keller


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führten, brachten die großen Zeitungen seitenlange Reportagen über ihre Argumente.22 Aber wäre einer der beiden die Hauptstraße in irgendeiner Stadt der USA entlanggeschlendert, niemand hätte ihn erkannt. Fotografien konnten zwar bereits gefertigt, aber noch nicht weiterverbreitet werden. Was für die Öffentlichkeit wichtig war, war nicht, wie jemand aussah, sondern was er sagte. Heute leben wir nicht mehr in einer Text-, sondern in einer Bilderkultur, in der der visuelle Eindruck entscheidend ist. Zu den Folgen gehört, dass die Pornografie blüht wie nie zuvor und dass ältere oder übergewichtige Menschen (vor allem Frauen) sich oft selber nicht mehr ausstehen können. Schönheit ist zu einem Götzen geworden, was Ehepartner und Heiratswillige unter Druck setzt. Die Bibel betont andere Dinge – das Denken und den Charakter.

      Zum Nachdenken: Wie trübt der Schönheitskult das Urteilsvermögen heiratswilliger Menschen? Wie schädigt er bereits bestehende Ehen?

      Gebetsimpuls: Meditieren Sie über 1. Petrus 3,3-4: „Eure Schönheit soll nicht darin bestehen, dass ihr euer Haar aufwendig frisiert, Goldschmuck anlegt und kostspielige Kleider tragt. Das sind alles nur äußere Dinge. Sie soll vielmehr von innen kommen und ein Ausdruck eures Lebens mit Christus sein … Ein freundliches und ausgeglichenes Wesen ist etwas Unvergängliches und die Art von Schmuck, die in Gottes Augen einen unvergleichlichen Wert hat.“

       16. Februar

      Auch die Frauen sind tief von unserer Kultur des Konsums geprägt. Männer wie Frauen sehen die Ehe nicht mehr als Mittel zur Entwicklung des Charakters und der Stärkung der Gemeinschaft, sondern als Mittel, ihre persönlichen Lebensziele zu erreichen. Alle suchen sie einen Ehepartner, der ihre emotionalen, sexuellen und spirituellen Sehnsüchte erfüllt. Das Ergebnis ist ein extremer Idealismus, der seinerseits zu einem tiefen Pessimismus führt, ob man je den „richtigen“ Partner finden wird. Dies ist letztlich der Grund dafür, warum heute so viele ihre Hochzeit vertagen und viele großartige potenzielle Ehepartner nicht beachten, weil sie ihnen einfach „nicht gut genug“ erscheinen. (Ehe, S. 31)

      WENN NICHT JETZT, WANN DANN? „Frauen haben heute mehr Optionen als je zuvor. Sie konzentrieren sich länger auf ihre berufliche Karriere und benutzen das Einfrieren ihrer Eizellen und andere Technologien, um ‚Zeit zu kaufen‘“, sagt eine Psychologin.23 Und sie fährt fort, dass die moderne Frau einen Partner sucht, der nicht versucht, sie zu verändern, sondern sie so nimmt, wie sie ist. Und es stimmt ja: Je älter wir werden, umso starrer werden wir; unser Zement härtet gleichsam aus. Aber wenn wir anfangen, uns durch die Augen unseres Ehepartners zu sehen, entdecken wir, dass wir sowohl besser als auch schlechter sind, als wir dachten, und werden frei von Blindheit und Verdrängen. In einer guten Ehe wollen wir anders werden. Warum dann mit dem Heiraten warten, bis wir kaum noch veränderungsfähig sind?

      Zum Nachdenken: Nennen Sie einige Gründe, warum es kurzsichtig ist, mit dem Heiraten zu warten, bis man in seinen Gewohnheiten festgefahren ist.

      Gebetsimpuls: Helfen Sie Ihrem Partner, sich durch Ihre Ehe besser zu erkennen. Bitten Sie Gott, Sie vor zu viel und zu wenig Kritik zu bewahren, und Ihnen zu helfen, alles aus Liebe zu tun.

       17. Februar

      C. S. Lewis hat es treffend formuliert: „Liebe irgendetwas, und es wird dir bestimmt zu Herzen gehen oder gar das Herz brechen. Wenn du ganz sicher sein willst, dass deinem Herzen nichts zustößt, dann darfst du es nie verschenken, nicht einmal an ein Tier. Umgib es sorgfältig mit Hobbys und kleinen Genüssen; meide alle Verwicklungen; verschließ es sicher im Schrein oder Sarg deiner Selbstsucht. Aber in diesem Schrein – sicher, dunkel, reglos, luftlos – verändert es sich. Es bricht nicht; es wird unzerbrechlich, undurchdringlich, unerlösbar. Die Alternative zum Leiden, oder wenigstens zum Wagnis des Leidens, ist die Verdammung.24 (Ehe, S. 34)

      DER SARG DER SELBSTSUCHT. Lewis’ Zitat zeigt uns das Dilemma, vor das uns die Liebe stellt. Wenn wir jemanden lieben, wird es auch Enttäuschungen, ja Verletzungen geben. Dies verfolgt viele junge Erwachsene wie ein Gespenst und macht sie zu Ehe-Skeptikern. Aber die Alternative ist nicht weniger risikoreich. Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Angst (1. Johannes 4,18), denn Liebe bedeutet, dass ich mich öffne; ich möchte das Beste des anderen, und das macht mich verletzlich. Der einzige Schutz vor Verletzungen in einer Beziehung ist der Ausstieg aus der Beziehung. Aber dieser Selbstschutz entpuppt sich als Sarg für meine Liebesfähigkeit; er macht mich hart und einsam. Solch ein Rückzug ist auch innerhalb einer Ehe möglich und wir sollten ihn um jeden Preis vermeiden.

      Zum Nachdenken: Haben Sie das, was C. S. Lewis da sagt, schon einmal ganz real erlebt? Inwiefern ist es besser, Schmerz zu riskieren, als sich vor ihm zu schützen?

      Gebetsimpuls: Meditieren Sie über 1. Johannes 4,18: „Gottes vollkommene Liebe vertreibt jede Angst.“ Bitten Sie Gott, Ihnen so viel von seiner vollkommenen Liebe zu geben, dass Ihre Ängste in Ihren Beziehungen weniger werden.

       18. Februar

      Immer wieder habe ich den Satz gehört: „Warum ist die Liebe so schwer? Sie sollte doch ganz natürlich kommen und wachsen.“ Ich antworte dann: „Wie kommen Sie darauf? Sagt denn jemand, der Profifußballer werden will: ‚Warum ist es so schwer, ein Tor zu schießen?‘ Oder jemand, der einen großartigen Roman schreiben möchte: ‚Warum ist es so schwer, realistische Figuren und eine spannende Handlung zu schaffen?‘.“ Worauf mein Gegenüber verständlicherweise meist erwidert: „Aber es geht hier doch nicht um Fußball oder Schriftstellerei, es geht um Liebe, und Liebe hat doch das Natürlichste von der Welt zu sein, wenn die beiden wirklich zueinanderpassen.“ (Ehe, S. 35)

      NIEMAND HAT EIN TALENT FÜR DIE EHE. Der Vergleich mit dem Fußballspielen und der Schriftstellerei hat seine Grenzen. Fußballspielen und Schreiben erfordern Übung und Disziplin, aber sie setzen auch eine gewisse natürliche Begabung voraus. Es gibt Menschen, die sind einfach besser in diesen Dingen als wir Normalsterblichen. Nicht so bei der Ehe. Niemand hat ein „Talent“ für die Ehe, so wie manche ein Talent für bestimmte Sportarten haben. Die Ehe ist wegen unseres Charakters und unserer Selbstsucht so schwer; da mag die „Chemie“ zwischen den Partnern noch so stimmen. Es ist möglich, meine Selbstsucht vor den Mitmenschen, ja in gewissem Grade vor mir selber zu verbergen, aber in der Ehe tritt sie ins hellste Licht, für mich wie für meinen Partner. Es ist Schwerarbeit, unseren natürlichen Mangel an Talent für die Ehe zu überwinden.

      Zum Nachdenken: Können Sie sich an einen Konflikt erinnern, wo Sie die Schuld Ihrem Ehepartner gaben – und in Wirklichkeit war es nur Ihr eigener Egoismus?

      Gebetsimpuls: Bitten Sie Gott, Ihnen offene, ehrliche Augen für Ihre Selbstsucht zu geben. Und Sie von all den Selbstrechtfertigungsversuchen frei zu machen.

       19. Februar

      Stanley Hauerwas … nimmt uns hier alle Illusionen: „Ein absolutes Gift für die Ehe ist die Ethik der Selbstverwirklichung, die davon ausgeht, dass Ehe und Familie in erster Linie unserer persönlichen Erfüllung dienen, dass wir sie brauchen, um ‚ganz‘ und glücklich zu werden. Irgendwo, so glauben wir, wartet genau der richtige Partner auf uns; wir müssen nur die Augen offen halten. Diese ethische Annahme übersieht einen ganz zentralen Aspekt der Ehe – nämlich die Tatsache, dass wir immer die falsche Person heiraten.“25 (Ehe, S. 35)

      WIR HEIRATEN EINEN SÜNDER. Mit dem berühmt gewordenen Satz, dass „wir immer die falsche Person heiraten“, will Hauerwas uns wachrütteln. Er meint nicht, dass es keine zwei Menschen geben kann, die in Charakter, Kultur, Alter oder in einem anderen Punkt


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