Ein Jahr für unsere Ehe. Timothy Keller
einen Partner sucht, der nicht von einem erwartet, dass man sich groß ändert, der sucht auch einen Partner, der völlig „pflegeleicht“ ist … Mit anderen Worten: Man sucht den idealen Partner, einen Menschen, der glücklich, gesund, interessant und mit dem Leben zufrieden ist. Noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit hat es eine Gesellschaft gegeben, die so voller Menschen war, die alle den idealen Partner suchen. (Ehe, S. 30)
„FERTIG“ IN DIE EHE? Ein Artikel aus dem Jahr 2018 beschreibt, „wie die Millennium-Generation die Ehe neu definiert.“19 Früher heirateten die Menschen relativ früh und „sprangen ins kalte Wasser“. Geduldig entdeckten die Partner ihre jeweiligen Stärken und Schwächen und Aufgaben im Leben – und zwar gemeinsam und nach der Eheschließung, nicht jeder für sich vor ihr. Heute warten die jungen Erwachsenen länger mit dem Heiraten und haben entsprechend mehr Zeit, alleine herauszufinden, wer oder was sie sein wollen, ohne die Mitsprache eines so wichtigen Menschen, wie ein Ehepartner das ist. Und sie wollen einen Partner haben, der ebenfalls „fertig“ ist (ökonomisch, psychologisch und sozial) – und der sie mit Haut und Haaren so annimmt, wie sie sind. Diese „Nimm mich oder lass mich“-Partnerschaft verbindet nicht halb so stark wie eine früh eingegangene Ehe. Und sie ist denkbar unrealistisch, denn auch nach der Heirat verändern wir uns.
Zum Nachdenken: Manche sagen, dass die Ehe früher eine komplette Lebensschule war, während sie heute nur noch den „letzten Schliff“ geben soll. Finden Sie das auch? Wie hat Ihr Ehepartner Ihnen geholfen, der Mensch zu werden, der Sie heute sind?
Gebetsimpuls: Bitten Sie Gott, Ihnen und Ihrer Generation die Angst vor der Ehe zu nehmen, damit Sie sich Ihrem Partner in Vertrauen und Liebe hingeben können.
12. Februar
Ältere Ehekonzeptionen werden als überholt und repressiv abgetan und die neue „Ich-Ehe“ als die große Befreiung gefeiert, aber es ist gerade dieses neue Ehe-Ideal, das die Zahl der Eheschließungen nach unten gehen und das Unternehmen „Ehe“ so hoffnungslos erscheinen lässt. So eine „Ich-Ehe“ erfordert ja zwei seelisch kerngesunde, glückliche Individuen, die weder größere emotionale Bedürfnisse noch irgendwelche Macken haben, die uns Arbeit machen würden. Das Problem ist nur, dass es diesen Idealpartner praktisch nicht gibt! Das Konzept der Selbstverwirklichungs-Ehe hat dazu geführt, dass wir viel zu viel von der Ehe erwarten – und gleichzeitig viel zu wenig. (Ehe, S. 31-32)
WARUM MAN DAS HEIRATEN NICHT AUFSCHIEBEN SOLL. Es ist behauptet worden, dass es weise sei, mit dem Heiraten zu warten, bis man älter geworden ist, seine Identität geklärt hat und weiß, wer man ist.20 Es kann durchaus sein, dass ein Paar zu jung zum Heiraten ist, aber das liegt dann daran, dass die beiden noch nicht die nötige Reife haben, ihre egoistischen Wünsche dem Wohl des Partners unterzuordnen. Zu dieser Reife braucht es Demut, Anstand, Selbstbeherrschung und innere Stabilität. Wer mit der Ehe wartet, weil er zuerst „sich selbst finden“ will, betrachtet Selbsterkenntnis als das sukzessive Entdecken seiner tiefsten Herzenswünsche. Aber wenn wir in unser Herz hineinschauen, finden wir dort Wünsche, die einander widersprechen. Wir brauchen das enge Miteinander mit Menschen, die uns kennen, um herauszufinden, welche Wünsche schlecht, welche gut und welche sehr gut sind, und der beste Ort hierfür ist die Ehe.
Zum Nachdenken: Jesus hat gesagt, dass wir uns in dem Dienst für ihn „verlieren“ müssen, um unser wahres Ich zu „finden“. Christus ist die erste Adresse zum Finden meiner wahren Identität. Ist das in der Ehe womöglich ähnlich? Könnte es sein, dass wir uns selbst finden, indem wir dem Partner dienen?
Gebetsimpuls: Bitten Sie Gott, Ihnen durch Ihre Ehe mehr über Ihre Stärken und Schwächen, Gaben und Aufgaben zu zeigen.
13. Februar
Sie sehen die Ehe nicht als den Versuch zweier fehlerhafter Menschen, in einer herzlosen Welt ein Stück Geborgenheit zu schaffen … eine Insel der Stabilität, der Liebe und des Trostes … Eine Ehe, die nicht auf Selbstverleugnung, sondern auf Selbstverwirklichung basiert, erfordert den absolut pflegeleichten Partner, der alle meine Bedürfnisse erfüllt und selber fast keine Ansprüche stellt. Kurz: Viele unserer Zeitgenossen stellen viel zu hohe Ansprüche an den Ehepartner. (Ehe, S. 33)
WIE EHEGELÜBDE HELFEN. Früher ging es bei der Ehe nicht nur um Zuneigung, sondern auch um Pflichten. Man wusste: Wenn zwei nicht perfekte Menschen (und andere gibt es nicht) heiraten, wird es Phasen geben, wo sie versucht sind, das Projekt Ehe aufzugeben. Genau dafür war das Ehegelübde da. Es war eine Art „Odysseus-Pakt“. In der griechischen Mythologie wusste Odysseus: Wenn sein Schiff zu der Insel der Sirenen kam, würde deren Gesang ihm den Verstand rauben; also befahl er seinen Männern, ihn an den Mast zu binden, sich selber die Ohren mit Wachs zu verstopfen und sein wirres Gerede zu ignorieren, bis sie die Insel hinter sich hatten und er wieder zur Besinnung kam. Ganz ähnlich funktioniert oft das Ehegelübde, wenn die Ehe in raues Fahrwasser kommt. Mit ihm bindet man sich, wenn die Gedanken Amok laufen, am „Mast“ fest.
Zum Nachdenken: Inwiefern ist die Geschichte von Odysseus als Bild für das Ehegelübde hilfreich, und inwiefern trifft es nicht auf die Ehe zu? Erinnern Sie sich an Ihr Ehegelübde?
Gebetsimpuls: Bitten Sie Gott, dass er Ihnen bei Phasen des Zorns, des Selbstmitleids und der Entmutigung, die Ihre Ehe gefährden können, rasch hilft, wieder zur Besinnung zu kommen.
14. Februar
Noch häufiger als die, die sich den perfekten Partner erträumen, sind die, die (auch wenn sie das vielleicht nicht zugeben) eigentlich gar keinen wollen. In unserer Kultur sind Freiheit, Autonomie und Erfüllung des Individuums die höchsten Werte, und jeder nachdenkliche Mensch weiß im Innersten genau, dass jede Beziehung, die das Wort „Liebe“ wert ist, den Verlust von allen dreien bedeutet … Aber es ist nicht leicht, vor den anderen (und sich selber) zuzugeben, dass man gar nicht heiraten will, und so flüchten wir uns in die Mäkelitis. Problem erkannt, Gefahr gebannt … (Ehe, S. 33-34)
FREIHEIT. Viele Menschen monieren heute, dass der juristische Ehebund auf eine „lebenslange Beziehung“ hinausläuft, wo doch viele „sich nicht mehr solch einem Druck beugen wollen“ und es vorziehen, ohne einen Trauschein, der nur ihre Freiheit einschränkt, zusammenzuleben. Sie finden, dass ihre Beziehung „ihnen selber“ gehört und nicht der Gesellschaft und dass sie in „Liebe und Engagement“ gründet und „keines formalen äußeren Nachweises bedarf“.21 Aber der juristische Ehebund wurde nicht geschaffen, um die Liebe „formal nachzuweisen“, sondern um sie zu vertiefen und zu stärken, und es gibt nichts Befreienderes als das Wissen, dass jemand an meiner Seite ist, der feierlich gelobt hat, durch dick und dünn für mich da zu sein.
Zum Nachdenken: Inwiefern beißt sich die moderne Vorstellung von Freiheit mit den Idealen der Ehe?
Gebetsimpuls: Im Book of Common Prayer, dem Liturgiebuch der anglikanischen Kirche, wird im Kollektengebet für den Frieden der Dienst für Gott als „vollkommene Freiheit“ bezeichnet. Bitten Sie Gott, Ihnen zu helfen, diese „Freiheit des Dienens“ in Ihrer Ehe konkret zu erleben.
15. Februar
Eine pornografische Medienkultur kann zu unrealistischen Erwartungen bezüglich des Aussehens des Traumpartners beitragen. Die Flut von Bildern junger sexy Frauen in Fernsehen, Internet und Werbespots z. B. für Dessous kann junge Männer den Gedanken, ihre derzeitige Freundin zu heiraten, auf die lange Bank schieben lassen, in der Hoffnung, irgendwann die perfekte Kombination von Seelenverwandter und Schönheitsideal zu finden. (Ehe, S. 31)
SCHÖNHEITSKULT.