Ein Jahr für unsere Ehe. Timothy Keller

Ein Jahr für unsere Ehe - Timothy Keller


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Lösung“ ersetzt hat. Früher erwartete man von Ehe und Familie Liebe, Geborgenheit und Sicherheit, aber für den Sinn des Lebens, die Zukunftshoffnung, den moralischen Kompass und die Selbstidentität waren Gott und das Leben nach dem Tod zuständig. Doch in unserer heutigen Kultur haben wir gelernt, dass man sich auf Gott und das Jenseits (so es das denn geben sollte) nicht verlassen kann. Die so entstandene Lücke musste etwas füllen, und oft ist dieses Etwas die romantische Liebe. Wir erwarten von Sex und Liebe das, was wir früher vom Glauben an Gott erwarteten. (Ehe, S. 39)

      KEIN ERSATZ FÜR GOTT. Ernest Becker und auch der Kirchenvater Augustinus sagen: Wenn unsere höchste Liebe und Hoffnung nicht Gott ist, sondern etwas anderes, dann wird dieses andere zu einem Pseudo-Gott. Je mehr wir Gott aus unserem Leben verdrängen, umso größer wird der Druck auf Sex, Romantik und Ehe, die große Erfüllung und Transzendenz „bringen“. Kein Wunder, dass die heutigen Menschen kein Verständnis für voreheliche sexuelle Enthaltsamkeit haben. Kein Wunder, dass sie vor lauter Suchen nach dem idealen Seelenfreund das Heiraten aufschieben. Sex und Romantik sollen heute transzendente Erlebnisse liefern, für die sie nie gedacht waren. Die Ehe soll, ja kann uns nicht so befriedigen, wie die Gemeinschaft mit Gott das kann.

      Zum Nachdenken: Was für negative Folgen hat diese Vergötterung der Ehe – für Singles, für Paare, für Sie speziell?

      Gebetsimpuls: Gestehen Sie Gott, dass Ihnen seine Liebe zu Ihnen zu abstrakt ist und seine Gemeinschaft mit Ihnen zu schwach und dass Sie deswegen von anderen Dingen, einschließlich Ihrer Ehe, das große Glück erwarten.

       25. Februar

      Becker schreibt: „[Der Liebespartner] wird zum göttlichen Ideal, in dem sich unser Leben erfüllen soll. Alle geistigen und moralischen Bedürfnisse konzentrieren sich auf ein einziges Individuum … Kurz: Das Liebesobjekt ist Gott … Als die Vorstellung einer von Gott beherrschten, gelenkten und großen religiösen Gemeinschaft erlosch, griff der Mensch zu einem ‚Du‘ … Was wollen wir, wenn wir den Liebespartner zum Gott machen? Wir wollen erlöst werden – nicht mehr und nicht weniger.“29 (Ehe, S. 39)

      KEIN ERSATZ FÜR DIE ERLÖSUNG. Wenn wir Gott nicht in unserem Leben haben, machen wir etwas anderes zur Quelle unserer Erlösung, und einer der häufigsten Kandidaten für dieses „Vergöttern“ ist der Liebes- bzw. Ehepartner. Übertreibt Becker, wenn er sagt, dass wir „erlöst“ werden wollen? Wohl kaum. Wir alle spüren doch, dass wir nicht so gelebt haben, wie wir sollten, und nicht die Menschen sind, die wir sein sollten. Und so erwarten wir womöglich von unserem Partner, dass er uns und der Welt versichert, dass wir es wert sind, geliebt zu werden. Dies setzt ihn nicht nur unter einen ungeheuren Druck, uns pausenlos gut zu finden, es gibt ihm auch viel zu viel Macht zu definieren, wer wir sind – ein Privileg, das allein Gott zukommen sollte.

      Zum Nachdenken: Gibt es noch andere Arten, auf die wir in unserer Kultur von unserem Ehepartner eine Art „Erlösung“ erwarten? Was meinen Sie – verfolgen Frauen und Männer hier unterschiedliche Strategien?

      Gebetsimpuls: Meditieren Sie über Johannes 19,30, wo der sterbende Jesus sagt: „Es ist vollbracht.“ Danken Sie Gott für die völlige, hundertprozentige Erlösung in Christus, und bitten Sie ihn, Ihnen zu helfen, darin Ruhe zu finden und keine andere Erlösung in irgendjemand oder irgendetwas anderem zu suchen.

       26. Februar

      Die große Desillusionierung, das „Ende der Flitterwochen“, gibt es schon seit Jahrhunderten … Aber die Tiefe, die diese Desillusionierung heute erreicht, ist etwas Neues, und ebenso das Tempo, in dem die Ehepartner sich auseinanderleben. Irgendetwas hat aus einem bitteren, aber normalen Trank ein tödliches Gift gemacht, und dieses Etwas ist die Illusion, dass, wenn wir nur den perfekt passenden Partner finden, alles in uns gut werden wird. Aber damit machen wir den Partner zu Gott, und kein Mensch kann diesem Anspruch gerecht werden. (Ehe, S. 40)

      SCHWER ODER LEICHT? Meine (Timothys) Großmutter, die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert geboren wurde, erzählte mir einmal, dass sie die Ehe als schöner erlebt hatte, als ihre Verwandten und Freunde sie das hatten erwarten lassen. Heute, wo Gott in unserer Kultur in den Hintergrund getreten ist, ist der Druck auf die Ehe, die große Erfüllung zu bringen, gestiegen. Heute erleben Paare die große Enttäuschung, weil die Ehe sich als schwerer erweist, als sie erwartet hatten. Sowohl die alte als auch die neue Kultur liegen falsch. Die Ehe ähnelt eher unserem Leben mit Gott. Sie ist oft verwirrend und schwierig, aber der Lohn ist unendlich größer als die Kosten.

      Zum Nachdenken: Gab es in Ihrer Ehe einen konkreten Vorfall oder eine Phase, die das „Ende der Flitterwochen“ brachte? Wenn ja, was war das, und erwies es sich als Anreiz zum Wachsen oder nicht?

      Gebetsimpuls: Bitten Sie Gott, Ihnen zu helfen, in ihm zu ruhen und auf ihn zu hoffen, sodass Sie in allen Bereichen Ihres Lebens weder naiv noch zynisch sind.

       27. Februar

      Kaum jemand behauptet im Ernst, dass unsere Gesellschaft auf die Ehe verzichten kann. Selbst die Monogamiekritiker müssen zugeben, dass es zumindest pragmatische Gründe für ihre Beibehaltung gibt. Eine der Ursachen dafür ist der wachsende empirische Befund … Die Hinweise mehren sich, dass die Ehe – jawohl, die gute alte, exklusiv monogame Ehe – viele Vorteile für die beteiligten Partner bringt und noch mehr für die Kinder und die Gesellschaft allgemein. (Ehe, S. 42)

      DAS GROSSE PARADOX. Wie wir sahen, heiraten junge Erwachsene heute viel später und viel seltener. Ganze zwei Drittel der Amerikaner zwischen 20 und 30 geben an, dass es für die Gesellschaft nicht schlechter ist, wenn die Menschen das Heiraten und Kinderkriegen nicht mehr so hoch bewerten.30 So eine Einstellung hatte es noch nie zuvor gegeben, und sie läuft allen empirischen Studien, dass die traditionelle Ehe sehr gut für Erwachsene und Kinder ist, zuwider. Warum haben die jungen Erwachsenen diese Sicht von der Ehe, die der Wissenschaft ebenso wie der Tradition so widerspricht? Die Antwort dürfte mit dem Paradox zu tun haben, das wir gerade untersucht haben – nämlich dass aufgrund des Vakuums, das der Niedergang der Religion in unserem Leben geschaffen hat, die Menschen der Ehe zu viel aufbürden und entsprechend Angst vor ihr haben.

      Zum Nachdenken: Wenn so viele der üblichen Ansichten über die Ehe falsch sind – wo beobachten Sie, dass sie sich zu ändern beginnen?

      Gebetsimpuls: Beten Sie heute nicht für sich selbst, sondern für Ihre Gesellschaft. Bitten Sie Gott, die Herzen der Menschen zu verändern, sodass sie nicht durch übertriebene Ängste die Schätze und Freuden der Ehe verpassen.

       28. Februar

      In unseren Seelen liegt eine tiefe Sehnsucht nach der Ehe. Wir hören diese Sehnsucht in Adams Ausruf „Endlich!“ beim Anblick von Eva, wir spüren sie in dem unauslöschlichen Bewusstsein, dass in der Ehe ein unaussprechlicher Schatz verborgen liegen muss. Und genauso ist es. Das Problem liegt nicht in der Ehe selbst. Nach 1. Mose 1 und 2 hat Gott uns für die Ehe und die Ehe für uns erschaffen. Und in 1. Mose 3 erfahren wir, dass, wie jeder andere Aspekt des menschlichen Lebens auch, die Ehe durch die Sünde tiefen Schaden genommen hat. (Ehe, S. 42)

      BITTERSÜSS. Es ist etwas Bittersüßes an der Ehe. Wir wissen intuitiv, dass sie uns auf eine Art zufriedener, tiefer und reicher machen kann, als jede andere menschliche Beziehung das vermag. Die Bibel erklärt dies damit, dass die Ehe eine Erfindung Gottes ist; er selber hat sie eingesetzt als Spiegel seines Wesens und seiner Retterliebe. Doch andererseits können selbst in den glücklichsten Ehen beide Partner auf einen ganzen Rattenschwanz zurückblicken an verpassten


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