Achtsame Spiele. Susan Kaiser Greenland

Achtsame Spiele - Susan Kaiser Greenland


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       ANKER FÜR DIEAUFMERKSAMKEIT

      Häufig regt man Kinder dazu an, über ein Problem nachzudenken, um es zu lösen. Wenn sie aber ohnehin schon gestresst und ängstlich sind, verstärken Sorgen und endloses Grübeln die Stressreaktion des Körpers jedoch nur noch mehr. Diese gesteigerte Stressreaktion lässt sich herunterfahren, indem die Kinder wahrnehmen, wenn ihr Körper ihnen signalisiert, dass ängstliche Gedanken und Gefühle überhandnehmen. Dann können sie sich entspannen und sich auf einen einfachen, neutralen Gegenstand konzentrieren, um ihre Aufmerksamkeit zu verankern. Der am häufigsten verwendete Anker sind die mit der Atmung einhergehenden Empfindungen – vielleicht weil man den Atem immer dabei hat. Dabei kann es besonders beruhigend und besänftigend sein, eine Hand auf das Herz zu legen und zu spüren, wie sich die Brust auf und ab bewegt, während man atmet. Diese Anregung stammt aus dem Kurs für achtsames Selbstmitgefühl, der von den Psychologen und Wissenschaftlern Dr. Christopher Germer und Dr. Kristin Neff entwickelt wurde. In dem Buch Der achtsame Weg zum Selbstmitgefühl erklärt Christopher Germer, warum Anker für die Aufmerksamkeit wichtig sind, vor allem dann, wenn wir es mit intensiven Gefühlen zu tun haben. So erklärt er, dass mentales Leiden vor allem dann entsteht, wenn unser Geist von einem Thema zum nächsten springt, was äußerst anstrengend ist, oder wenn wir mit unglücklichen Gedanken und Gefühlen beschäftigt sind. Wenn wir bemerken, dass der Geist das tut, müssen wir ihm einen Anker geben – einen neutralen und unerschütterlichen Ort, an den er gehen kann. Meditation wird oft mit stillem Sitzen assoziiert. Stillzuhalten kann für Kinder und Jugendliche jedoch schwierig sein, insbesondere dann, wenn sie gestresst oder ängstlich sind oder wenn ihr Geist sehr aktiv ist. Nicht zuletzt aus diesem Grund sind achtsame Spiele, bei denen die Kinder gehen, sich strecken und schütteln, ausgesprochen nützlich. Sie machen nicht nur Spaß, sie bieten den Kindern zudem eine Gelegenheit, Unterschiede darin wahrzunehmen, wie sich Geist und Körper vor und nach der Bewegung anfühlen. Dr. Peter Levine erklärt in seinem Buch Kinder vor seelischen Verletzungen schützen (Trauma-Proofing Your Kids), dass strukturierte körperliche Aktivitäten eine wirkungsvolle Möglichkeit sind, überschüssige Energie freizusetzen, insbesondere dann, wenn sie so gestaltet sind, dass Phasen starker energiegeladener Anregung mit gleich langen Phasen des Ausruhens einander abwechseln, so dass die Kinder genügend Zeit haben, zur Ruhe zu kommen. Während beider Phasen (Anregung und zur Ruhe kommen) wird dann überschüssige Energie von selbst entladen. Im folgenden Spiel gibt es sowohl Phasen der Bewegung als auch Phasen des Zur-Ruhe-Kommens, was möglicherweise der Grund dafür ist, dass die Kinder berichten, dass Rütteln und schütteln ihnen hilft, sich zu beruhigen, wenn sie sehr aufgeregt oder wütend sind.

      Empfindungen existieren auf einem Spektrum von sehr schwach bis sehr stark; die stärksten Empfindungen nennt man „grob“ und die subtilsten, wenig überraschend, „subtil“. Auf grobe Empfindungen kann man sich einfacher konzentrieren als auf subtile. Die schnellen Bewegungen in dem Spiel Rütteln und schütteln sind ein Beispiel für grobe sensorische Anker. Die Konzentration auf eine grobe Empfindung ist eine clevere Strategie, um zur Ruhe zu kommen, da grobe sensorische Anker die Aufmerksamkeit der Kinder leichter von sehr aufgeladenen Gedanken und Gefühlen wegbringen, als subtile Empfindungen es können. In einem späteren Abschnitt zum Thema sich konzentrieren wird beschrieben, wie die Kinder ihre Aufmerksamkeit verfeinern und weiterentwickeln können, indem sie genau auf die subtilen Empfindungen achten, während Geist und Körper in Ruhe sind.

      Rütteln und schütteln

      Wir schütteln unseren Körper zum Klang einer Trommel, um Energie freizusetzen und uns besser konzentrieren zu können.

LEBENSKOMPETENZEN:ZIELALTER:
Sich konzentrieren, zur Ruhe kommenJedes Alter

      SPIELANLEITUNG

      1. Lasst uns so tun, als würden wir Zauberkleber auf unsere Fußsohlen streichen und diese dann auf dem Boden festkleben.

      Tun Sie so, als ob Sie Kleber auf die Sohle eines Fußes streichen, und stampfen Sie auf den Boden auf; machen Sie dann das Gleiche mit dem anderen Fuß. Die Kinder machen es Ihnen nach.

      2. Könnt ihr mit den Knien wackeln und die Fußsohlen gleichzeitig flach auf dem Boden halten?

      Wackeln Sie mit den Knien, während Sie Ihre Fußsohlen flach auf dem Boden halten, als ob sie festgeklebt wären.

      3. Lasst uns unseren Körper zum Klang der Trommel bewegen und unsere Füße auf den Boden geklebt halten. Macht große Bewegungen, wenn ihr lautes Trommeln hört.

      Trommeln Sie laut. Machen Sie die Bewegungen vor, so gut Sie können, während Sie trommeln.

      4. Macht kleine Bewegungen, wenn ihr leises Trommeln hört. Trommeln Sie leise. Machen Sie die Bewegungen vor, so gut Sie können, während Sie trommeln.

      5. Was macht ihr, wenn ihr schnelles Trommeln hört?

      Trommeln Sie schnell, die Kinder antworten: „Schnell bewegen. “

      6. Und wenn ihr langsames Trommeln hört?

      Trommeln Sie langsam, die Kinder antworten: „Langsam bewegen.“

      7. Versucht, dem Klang zu folgen, und wenn das Trommeln aufhört, haltet ganz still.

      Wechseln Sie zwischen schnellem und langsamem, lautem und leisem Trommeln hin und her. Die Kinder halten still, wenn das Trommeln aufhört.

      8. Lasst uns entspannen und ein paar Augenblicke lang unseren Atem spüren, dann spielen wir das Spiel noch einmal.

      Leiten Sie die Abfolge noch einmal an, nachdem die Kinder Zeit hatten, sich zu beruhigen.

      TIPPS

      1. Wenn Sie keine Trommel haben, können Sie auch auf Ihre Oberschenkel schlagen, um einen Trommelklang zu erzeugen.

      2. Nutzen Sie das Schütteln, um eine längere Phase des Stillsitzens zu beenden.

      3. Lassen Sie auch die Kinder anführen und sich dabei abwechseln.

      4. Rütteln und schütteln kann im Sitzen (an Tischen oder in einem Kreis auf dem Boden) oder im Stehen gespielt werden.

      5. In manchen Situationen ist Schütteln nicht angebracht. In diesen Situationen sind ein langsames Schwingen von Seite zu Seite oder das Drücken eines Kissens nützliche sensorische Anker, die den Kindern helfen, sich zu beruhigen.

      6. Andere Sinneserfahrungen, die Kinder und Eltern oft zur Beruhigung nutzen, sind hin und her schaukeln, sich an den Händen halten, sich umarmen und singen.

      Leichte Bewegung im Wechsel mit Ruhephasen zum Freisetzen überschüssiger Energie hilft allen Menschen, ihr Nervensystem zu beruhigen, nicht bloß Kindern. Tsokyni Rinpoche, Autor von Öffne dein Herz und lausche und tibetischer Lehrer mit einem bemerkenswerten Verständnis der westlichen Psyche, nutzt dies, wenn er Erwachsenen Meditation lehrt. (Für den Fall, dass Sie nicht mit dem Wort Rinpoche vertraut sind: Es handelt sich dabei um einen Ehrentitel, der in der tibetischen Sprache darauf hinweist, dass es sich bei einem Lehrer um einen vollendeten Meditierenden handelt.) Rinpoches Vater, der verstorbene Tulku Urgyen Rinpoche, wurde in Tibet geboren und ließ sich später mit seiner Frau in Nepal nieder. Er war einer der großen Meditationsmeister der modernen Zeit, und inzwischen sind auch all seine vier Söhne bekannte Meditationslehrer. Ich habe das Glück, zwei von ihnen meine Lehrer nennen zu dürfen – Tsokyni Rinpoche und seinen Bruder Yongey Mingyur Rinpoche, der zudem Autor sowie Gründer und leitender Lehrer der Tergar-Meditationsgemeinschaft ist.

      Als ich zum ersten Mal an Tsokyni Rinpoches Unterricht teilnahm, begann er das einwöchige Retreat mit einer Bewegungspraxis, die uns unterstützen sollte, uns in unseren Körper und in unsere Gefühle hinein zu entspannen. Während wir mit geradem Rücken und entspanntem Körper dasaßen,


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