Achtsame Spiele. Susan Kaiser Greenland
Händen auf den Knien ruhten wir uns einen Augenblick lang aus, ohne zu versuchen, unsere Gedanken und Gefühle zu kontrollieren. Rinpoche wiederholte die Übung noch einige Male und bat uns wieder, unsere Arme und Hände zu schütteln, sie abrupt fallen zu lassen und dann auszuruhen. In einem Artikel, der später in der Zeitschrift Lion’s Roar veröffentlicht wurde, erklärt er: „Was auch immer geschieht, wo auch immer Sie landen, nachdem Sie Ihre Arme fallen gelassen haben, lassen Sie es einfach zu. Tun Sie nichts, und versuchen Sie nicht, etwas zurückzuhalten. Ruhen Sie sich einfach aus. Es ist nicht notwendig, nach etwas Neuem zu suchen oder zu versuchen, irgendeine besondere Einsicht oder einen Zustand zu erzielen. Spüren Sie, welche Gefühle und Empfindungen entstehen, und seien Sie sich ihrer bewusst. Spüren Sie sie auf natürliche und sanfte Art, und versuchen Sie nicht, irgendetwas zu verändern. Wenn unangenehme Gefühle aufkommen, können Sie sich entspannen und ihnen vertrauen, ohne sie zu analysieren oder verstehen zu wollen.“ Angesichts dessen, was wir über das Nervensystem wissen, ist es nachvollziehbar, dass Rinpoches Übung beruhigend wirkt. Sie besteht aus kurzen Phasen der Anregung und des Ausruhens und betont die Ausatmung – drei Strategien, die wahrscheinlich zusammenwirken, um überschüssige Energie freizusetzen und jenen Zweig des autonomen Nervensystems zu aktivieren, der fürs Ausruhen und Verdauen zuständig ist.
Rinpoches Anleitung, sich auszuruhen und dabei alle Gefühle, die sich zeigen, zuzulassen, ohne sie zu analysieren oder zu versuchen, sie zu verstehen, ist eine weitere achtsamkeitsbasierte Strategie, die eine gesteigerte Stressreaktion mildern kann. Jüngere Kinder sind in ihrer Entwicklung noch nicht so weit, dass sie das Nachdenken über ihre Gedanken und Gefühle unterlassen könnten, aber ältere Kinder und Jugendliche können es versuchen, auch wenn es sich manchmal kontraintuitiv anfühlt.
Anhand einer Glitzerkugel (oder, wenn man keine zur Verfügung hat, einer Schneekugel oder auch eines Glas Wassers mit Backpulver darin) können die Kinder bei der folgenden Demonstration besser verstehen, wie sich eine gesteigerte Stressreaktion regulieren lässt. Darin kommt eine erprobte zweischrittige Strategie zum Einsatz: sich sanft auf einen einfachen, neutralen Gegenstand konzentrieren, um die Achtsamkeit zu verankern, und die Gedanken und Gefühle in Ruhe lassen. Die Glitzerpartikel in der Kugel stehen für Stress und intensive Gefühle. Wenn man die Kugel schüttelt, wirbeln die Partikel umher und lassen das Wasser trüb werden. Wenn man die Kugel in Ruhe lässt, klärt sich das Wasser langsam.
Dieses visuelle Experiment – äquivalent dazu, sich erst ruhig und klar, dann gestresst und überfordert und schließlich wieder ruhig zu fühlen – hilft den Kindern, das Geschehen in der Kugel mit den Vorgängen in ihrem Geist und Körper in Verbindung zu bringen.
Klar sehen
Wir schütteln eine Glitzerkugel, um den Zusammenhang zwischen dem, was in unserem Geist geschieht, und dem, was in unserem Körper vor sich geht, besser zu verstehen.
LEBENSKOMPETENZEN: | ZIELALTER: |
Sich konzentrieren, wahrnehmen | Jedes Alter |
SPIELANLEITUNG
1. Gesprächsthemen: Könnt ihr beschreiben, wie sich euer Körper anfühlt, wenn ihr gestresst seid? Könnt ihr beschreiben, was in eurem Geist los ist, wenn ihr gestresst seid? Wenn ihr euch gestresst fühlt, könnt ihr dann klar denken?
2. Wenn die Kugel still ist, wie jetzt gerade, könnt ihr dann durch das Wasser die andere Seite sehen?
3. Was wird wohl geschehen, wenn ich die Kugel schüttele? Werdet ihr durch das Wasser hindurchsehen können?
Schütteln Sie die Kugel. Die Glitzerpartikel wirbeln umher und das Wasser wird trüb.
4. Legt jetzt eine Hand auf den Bauch und spürt eure Atmung. Hören Sie auf, die Kugel zu schütteln. Die Glitzerpartikel setzen sich ab.
5. Könnt ihr jetzt durch das Wasser hindurchsehen?
6. Ist der Glitzer weg? Nein, er ist noch da. Mit unseren Gedanken ist es genauso. Unser Geist kann so beschäftigt sein, dass wir nicht klar denken können. Aber wenn wir unsere Atmung spüren und unsere Gedanken in Ruhe lassen, beruhigen sie sich und wir können wieder klar denken.
7. Lasst es uns noch einmal versuchen.
Wiederholen Sie die Demonstration.
TIPPS
1. Es ist hilfreich, vorher mit einer kurzen Phase körperlicher Aktivität ein wenig Energie zu erzeugen, damit die Kinder während der Demonstration spüren können, wie sie zur Ruhe kommen. Wenn sie bereits vor der Demonstration konzentriert, ruhig und entspannt sind, werden sie sich danach vermutlich nicht wirklich anders fühlen.
2. Bei der Meditation geht es nicht darum, den Geist leer zu machen und die Gedanken loszuwerden, obwohl das manche Kinder glauben. Es kann auch vorkommen, dass die Kinder glauben, es sei „schlecht“, Gedanken zu haben, während sie meditieren. Wenn Sie deutlich machen, dass Gedanken und Gefühle etwas Schönes sind, genau wie das Glitzern, das durch die Kugel wirbelt, können die Kinder verstehen, dass selbst schöne Gedanken ablenkend sein können.
3. Wenn ein jüngeres Kind sehr aufgeregt oder wütend ist, geben Sie ihm mit Worten wie, „Versuche, den Glitzer zur Ruhe kommen zu lassen“, einen sanften Hinweis, sich auf die Atmung zu konzentrieren, insofern es diese Metapher versteht.
4. Weisen Sie darauf hin, dass Meditation den Alltagsstress nicht verschwinden lässt, genauso wie der Glitzer nicht verschwindet, wenn er sich am Boden der Kugel absetzt. Zwar bringt die Meditation Stress nicht völlig zum Verschwinden, aber sie kann uns helfen, mit Stress umzugehen, indem wir lernen, uns zu entspannen und unseren Geist zur Ruhe zu bringen, wenn wir sehr aufgeregt oder wütend sind. Dann können wir klar sehen, was in uns und um uns herum geschieht.
Die Methoden, um zur Ruhe zu kommen, nützen wenig, wenn die Kinder den Zusammenhang zwischen ihren Gedanken und ihrem Befinden nicht erkennen. Das folgende Spiel ermöglicht auch Skeptikern, die Verbundenheit von Körper und Geist am eigenen Leib zu erfahren, indem sie sich vorstellen, dass sie in eine Zitrone beißen. Allein der Gedanke daran, in eine Zitrone zu beißen, bringt die Kinder normalerweise dazu, den Mund verziehen, selbst wenn weit und breit keine Zitrone in Sicht ist.
Der Geschmack von Zitronen
Wir stellen uns vor, in eine Zitrone zu beißen, und können so den Zusammenhang zwischen dem, was in unserem Geist geschieht, und dem, was in unserem Körper vor sich geht, besser verstehen.
LEBENSKOMPETENZEN: | ZIELALTER: |
Sich konzentrieren, wahrnehmen | Ältere Kinder, Jugendliche |
SPIELANLEITUNG
1. Gesprächsthemen: Können eure Gedanken etwas daran ändern, wie sich euer Körper anfühlt? Können die Empfindungen in eurem Körper eure Gedanken ändern? Können eure Gefühle etwas daran ändern, wie sich euer Körper anfühlt? Können die Empfindungen in eurem Körper etwas an euren Gefühlen ändern?
2. Legt eure Hände auf den Knien ab, setzt euch mit geradem Rücken und entspanntem Körper hin und schließt eure Augen.
3. Stellt euch vor, dass ihr an einem Küchentisch sitzt. Vor euch liegt eine Zitrone. Stellt euch vor, dass ihr die Zitrone in die Hand nehmt. Stellt euch vor, wie sie nass und kalt in eurer Hand liegt. Stellt euch vor, dass ihr die Zitrone in zwei Hälften schneidet, eine Hälfte in die Hand nehmt, an der Zitrone riecht und dann in sie hineinbeißt. Was geschieht in eurem Mund?
4. Gesprächsthemen: Hat euer Körper auf den Gedanken, in eine Zitrone zu beißen, reagiert, so als ob ihr das wirklich tun würdet? Ist das ein Beispiel für die Verbundenheit von Geist und Körper? Könnt ihr weitere Beispiele für die Verbundenheit von Geist und Körper nennen?
TIPPS
1. Wenn die Kinder erst einmal verstehen, was Sie mit „Verbundenheit zwischen Geist und Körper“ meinen, werden sie von selbst weitere Verbindungen zwischen Geist und Körper bemerken. Bitten Sie die Kinder, einige davon zu nennen.
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