Mindful Parenting. Susan Bögels
Management Training – und Interventionen zur Reduzierung kindlichen Problemverhaltens vergleichen zu können.
In diesem Kapitel beschreiben wir die Ergebnisse von drei empirischen Studien zum Mindful-Parenting-Programm. In der ersten Studie untersuchten wir Effekte des Programms auf die psychopathologischen Symptome bei Kindern und Eltern, die elterliche Stressbelastung, auf Erziehungsstile, die elterliche Kooperation in der Erziehung (Coparenting) und die Partnerschaftszufriedenheit bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der ersten zehn Gruppenkurse. Mit der zweiten Studie evaluierten wir, ob Mindful Parenting Achtsamkeit allgemein und Achtsamkeit im Erziehungskontext steigerte und auf die elterliche Tendenz zur Vermeidung unangenehmer innerer Erfahrungen (experiential avoidance) und die elterliche Stressbelastung wirkte. Diese Studie wurde mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der nächsten zehn Gruppen durchgeführt, die teilweise in unserem Zentrum, teilweise in anderen Mental-Health-Zentren stattfanden. Die Trainer der anderen Zentren waren zuvor von uns ausgebildet worden, um sicherzustellen, dass das Programm überall auf vergleichbare Weise durchgeführt wurde. Die dritte Studie bewertete die neueste, um Übungen zu Selbstmitgefühl und Liebender Güte sowie schematherapeutische Übungen ergänzte Version des Mindful-Parenting-Programms, wie sie auch in diesem Buch vorgestellt wird. Bei dieser Studie war die Stichprobe auf eine Gruppe mit 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmern begrenzt.
Bei allen drei Studien wurden vor Kursbeginn, unmittelbar nach Kursende und etwa zum Zeitpunkt der Follow-up-Sitzung Daten erhoben. Der Mindful-Parenting-Kurs dauerte in allen drei Studien zwei Monate und umfasste acht wöchentlich stattfindende Sitzungen von jeweils drei Stunden Dauer sowie einen Follow-up-Termin, der zwei Monate nach der achten und letzten Kurssitzung stattfand. Die Follow-up-Ergebnisse erlauben Rückschlüsse darauf, inwieweit die Effekte des Kurses auch ohne die Präsenz der Gruppe anhalten. Die erste Studie beinhaltete außerdem eine Wartelisten-Kontrollgruppe, um die Einflüsse eines reaktiven Messeffekts (manchmal führt die Befragung selbst zu einer Verbesserung) und des Zeitfaktors (manchmal kommt es auch ohne Intervention zu spontanen Verbesserungen) auf die Ergebnisse zu kontrollieren.
3.1Studie 1: Effekte in den ersten zehn Gruppen
Mit dieser ersten, von Bögels, Hellemans, van Deursen, Römer und van der Meulen (Bögels et al. 2013) durchgeführten Studie wollten wir sowohl die Akzeptanz, auf die der Mindful-Parenting-Kurs bei den Eltern stieß, als auch seine möglichen Effekte evaluieren. Die Gründe, warum Eltern an einem Mindful-Parenting-Kurs teilnehmen, sind höchst unterschiedlich und Mindful Parenting kann auf unterschiedliche Eltern sehr verschieden wirken (in Kapitel 4 wird dies ausführlicher erörtert). Deshalb erfassten wir potentielle Effekte in einem breiten Spektrum von Messgrößen: psychopathologische Symptome des Kindes (Achenbach & Rescorla 2001; Verhulst et al. 1996) und der Eltern (Ferdinand et al. 1995; Wizniter et al. 1992), elterliche Stressbelastung (Abidin 1983; ndl. Übersetzung: De Brock et al. 1992), Erziehungsverhalten (Bögels & van Melick 2004; Verhoeven, Bögels & van der Bruggen 2011), elterliche Kooperation in der Erziehung (Coparenting) (McHale 1997, ndl. Validierung: Karreman et al. 2008), Partnerschaftskonflikte (Skala „Ehepartner/Partner“ bei Ferdinand et al. 1995) und Partnerschaftszufriedenheit (Gerris et al. 1993).
Teilnehmer dieser Studie waren 86 Elternteile (89 % Mütter), überwiegend weiß, aus zehn Mindful-Parenting-Gruppen. Das durchschnittliche Bildungsniveau war hoch. In 64 Familien (81 %) hatten die Eltern mit mindestens einem ihrer Kinder Probleme. Diese Kinder wurden als „Zielkinder“ (target children) bezeichnet; 40 % waren Mädchen, der Altersdurchschnitt lag bei 10,7 (4,6). Die Kinder hatten folgende Diagnosen: ADHS (47 %), Autismus-Spektrum-Störung (21 %), Angststörung oder Depression (12 %), Störung mit oppositionellem Trotzverhalten (ODD) oder Störung des Sozialverhaltens (4 %), Lernstörung (3 %) und Schizophrenie (1 %). Ein Eltern-Kind-Problem (DSM-IV, V-Code 61.20) wurde bei 58 % der Familien klassifiziert. In den übrigen Familien (19 %) waren psychische Probleme der Eltern, die sich auf das Erziehungsverhalten auswirkten oder ausgewirkt hatten, der Grund für die Kursteilnahme.
Einige Familien mussten auf einen Gruppenplatz warten und nahmen an Wartelistenerhebungen teil. Alle Eltern wurden unmittelbar vor und nach dem achtwöchigen Mindful-Parenting-Kurs befragt. Acht Wochen nach Kursende fand eine Follow-up-Messung statt. Eine Familie (1 %) brach die Behandlung ab, d. h., der teilnehmende Elternteil versäumte vier oder mehr Sitzungen. Die Effektstärken (Cohens d) wurden berechnet und bei unter 0.4 als gering, zwischen 0.4 und 0.8 als mittel und über 0.8 als hoch interpretiert (Cohen 1988).
Die Ergebnisse sahen folgendermaßen aus: In der Wartelisten-Kontrollgruppe gab es, abgesehen von einer Abnahme elterlicher externalisierender Symptome, keinerlei positive Effekte. Nach dem Mindful-Parenting-Kurs berichteten Eltern eine signifikante Abnahme bei den internalisierenden (d. h. Depression und Angststörungen) und externalisierenden Problemen (Verhaltensprobleme, Aggressivität) der Zielkinder. Die Effektstärken lagen im mittleren Bereich. Beim Prätest hatten 59 % der Kinder Symptome internalisierender und 63 % Symptome externalisierender Störungen auf subklinischem oder klinischem Niveau; bei der Follow-up-Messung lagen diese Werte bei 39 % bzw. 43 %. Außerdem kam es zu einer signifikanten Abnahme bei den internalisierenden und zu einer weiteren Abnahme bei den externalisierenden Problemen der Eltern selbst (mittlere Effektstärken). In Bezug auf ihr Elternsein berichteten Eltern eine signifikant geringere elterliche Stressbelastung (mittlere Effektstärke) und signifikante Verbesserungen ihres Erziehungsverhaltens (geringe bis mittlere Effektstärken), d. h., sie gaben an, die Autonomie ihres Kindes stärker zu fördern und sich ihrem Kind gegenüber weniger überbehütend oder ablehnend zu verhalten. Bei der Erziehungsdimension Akzeptanz konnte eine grenzwertig signifikante Verbesserung nur im Follow-up festgestellt werden. Beim Coparenting wurden ebenfalls Verbesserungen beobachtet (geringe bis mittlere Effektstärken). Diese Veränderungen waren im Follow-up konstant oder hatten sich weiter verstärkt. Bei den partnerschaftsbezogenen Variablen wurden keine Veränderungen gefunden.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer füllten eine adaptierte Version des Evaluationsfragebogens zum MBSR-Programm aus, der am Center for Mindfulness der Universitätsklinik, University of Massachusetts, entwickelt wurde. Auf diese Weise wollten wir ermitteln, wie der Mindful-Parenting-Kurs von den Eltern aufgenommen wurde (Arbeitsblatt 12.3 enthält eine geringfügig modifizierte Version des Fragebogens zum neuen Programm). Die große Mehrheit (über 90 %) fand, dass ihnen das Mindful-Parenting-Training etwas von bleibendem Wert gegeben habe, dass es ihr Leben und ihr Elternsein verändert habe, und dass ihr Bewusstsein für Erziehungsfragen gewachsen sei. Ebenso äußerte die große Mehrheit der Teilnehmer (95 %) die Absicht, in ihrem täglichen Leben achtsam zu bleiben, und 88 % gaben an, sie wollten auch weiterhin meditieren. Die meisten Teilnehmer hatten mit ein- bis viermal pro Woche seltener geübt als angeraten. Auf einer zehnstufigen Skala (die der Schulnotenskala in den Niederlanden entspricht) bewerteten sie den Kurs mit 8,1.
Aus dieser Studie schlossen wir, dass der Mindful-Parenting-Kurs für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer praktikabel ist, da nur eine Person (1 %) den Kurs vorzeitig beendete. Außerdem hatte sich Mindful Parenting in vielerlei Hinsicht als wirksam erwiesen: im Hinblick auf psychopathologische Symptome bei Kindern und Eltern, elterliche Stressbelastung und Erziehungsstile. Teilweise wirksam war das Programm im Hinblick auf die elterliche Kooperation in Erziehungsfragen (Coparenting), während sich bezüglich der ehelichen/partnerschaftlichen Funktionalität keine Veränderung zeigte. Obwohl die Verbesserungen der psychopathologischen Symptome der Zielkinder nur geringe bis mittleren Effektstärken aufwiesen, kann dieser Effekt dennoch als bedeutsam gelten, wenn man zwei Aspekte berücksichtigt: Weil die Kinder unter einer großen Bandbreite von Problemen litten, es sich also um eine sogenannte heterogene Gruppe handelte, konnten veränderungssensitivere Maßnahmen für spezifischere, individuelle Beschwerden nicht angewandt werden. Aus diesem Grund könnten die festgestellten geringfügigen Verbesserungen bei den erhobenen eher unspezifischen Maßnahmen durchaus klinisch signifikant sein. Zweitens war der Kurs mit nur acht Sitzungen kurz. Interessant ist, dass die Effekte auf die elterliche Psychopathologie ebenso ausgeprägt waren wie die Effekte auf die psychopathologischen Symptome der Zielkinder, besonders, weil der großen Mehrzahl der Eltern eine Kursteilnahme wegen einer psychischen Störung des Kindes und nicht wegen einer eigenen psychischen Störung empfohlen wurde. Verbesserungen im Hinblick auf die elterliche Psychopathologie