Die Kunst des Seins. Klaus D. Biedermann

Die Kunst des Seins - Klaus D. Biedermann


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Äußerungen. Wie oft sagen Sie: ›Das habe ich ja nicht so gemeint.‹ Das mag zwar stimmen, aber die Macht, die alles erschaffen kann, hat nicht die Aufgabe, zu kontrollieren und zu bewerten, sondern eben nur die Aufgabe, zu materialisieren.

      Diese Energie ist die stärkste Kraft im gesamten Universum und gilt für den Makrokosmos wie für den Mikrokosmos. Vielleicht ist diese Kraft so groß, weil sie nicht denkt, sondern nur ausführt.

      Es gibt zwei wichtige Instanzen in Ihnen.

      Den Denker – er kann denken, was er will – und den Beweisführer – er wird alles daransetzen, Beweise für die Richtigkeit des Denkens zu erbringen. Die neuere Hirnforschung ist zwar dabei zu beweisen, dass wir in Wirklichkeit gar nicht denken, aber ich lade Sie ein, davon auszugehen, dass wir es manchmal doch tun. Was immer der Denker also denkt, wird der Beweisführer beweisen. In der Psychologie nennt man dieses Phänomen in Anlehnung an die griechische Mythologie den ›Pygmalion-Effekt‹.

       Einst lebte auf Zypern ein großartiger Bildhauer mit Namen Pygmalion. Er beschloss, sich ganz und gar seiner Kunst zu widmen, da er keine Frau finden konnte, die seiner Vorstellung von Schönheit entsprach. Bald darauf hatte er in seinem Atelier ein Stück sehr reinen weißen Marmors, aus dem er eine wunderschöne Frau formte – eine Gestalt, die all das verkörperte, was er für schön hielt. Pygmalion war so ergriffen von seiner eigenen Schöpfung, dass er die Göttin Aphrodite bat, ihm bei der Suche nach einer Frau zu helfen, deren Schönheit seiner Skulptur ebenbürtig war. Aphrodite wusste, dass nur die Statue selbst Pygmalion genügen würde, und so hauchte sie dem Marmor das Leben ein, nach dem Pygmalion so glühend verlangte. Pygmalion nannte sie Galatea und heiratete seine eigene Schöpfung.

      Die Geschichte des Pygmalion wurde von Ovid, einem der bedeutendsten römischen Schriftsteller der Nachwelt überliefert.

      Sie finden sie aber auch in der moderneren Fassung zum Beispiel in dem Musical ›My fair Lady‹ wieder.

      Professor Higgins, der sich mit Phonetik beschäftigt, trifft auf dem Blumenmarkt in London die Blumenverkäuferin Eliza Doolittle, die ihn wegen ihrer kraftvoll-vulgären Sprache fasziniert und gleichzeitig abstößt. Er überredet sie, sein Sprachlabor aufzusuchen und verspricht dort, ihr den Weg zu den besten Kreisen zu bahnen, wenn sie bei ihm Sprachunterricht nähme. Sie müht sich mit nur mäßigem Erfolg ab und provoziert bei dem von Higgins inszenierten Versuch, die nur oberflächlich angelernte ›feine Lebensart‹ beim Pferderennen in Ascot den Leuten vorzuführen, einen Skandal. Higgins findet trotzdem immer mehr Gefallen an seinem ›Objekt‹. Auf dem Diplomatenball im Buckingham Palace kann sie sich aber beweisen, obwohl ein Phonetiker anwesend ist, der für Geld die wahre Herkunft von Personen errät. Er denkt allerdings wegen ihres reinen Englisch, dass sie eine Ungarin mit königlichem Blut sei. Am gleichen Abend beglückwünschen sich Higgins und Colonol Pickering, aber keiner beglückwünscht Eliza.

      Sie jedoch sagt dem Professor sehr deutlich, wie sehr sie sich vorgeführt und erniedrigt fühlt und verschwindet am nächsten Morgen. Professor Higgins fordert Eliza erfolglos auf, zurückzukommen, dann erst versteht er: Er vermisst sie, weil er sie trotz der großen Unterschiede zwischen sich und ihr gelernt hat als Person zu schätzen, sogar zu lieben. Professor Higgins hatte, wie auch Pygmalion, versucht, eine Frau vollkommen nach seiner Vorstellung zu schaffen, glücklicherweise aber noch die ›Kurve bekommen‹.

      Wir sehen an diesen Beispielen, dass man keinen anderen Menschen nach seinen eigenen Idealvorstellungen formen kann.

      Viele Beziehungen scheitern an diesem Irrglauben. Aber es gibt eine gute Nachricht: Sich selbst kann man sehr wohl verändern. Die Sozialwissenschaftler Ellen Key, Robert King-Merton und Robert Rosenthal haben sich intensiv mit diesem Phänomen beschäftigt und teils spektakuläre Versuche unternommen.

      Es gab unter anderem ein Schulexperiment, in dem mehreren Lehrern einer für sie neuen Klasse gesagt wurde, mit wem sie es in der nächsten Zeit zu tun haben würden. Die Klasse wurde ihnen gegenüber aufgeteilt in die sehr motivierten intelligenten und in die eher faulen oder dummen Schüler.

      Tatsache aber war, dass diese Einteilung rein willkürlich vorgenommen worden war, was die neuen Lehrer natürlich nicht wussten.

      Das Ergebnis beeindruckte sogar die Versuchsleiter. Beim nächsten Zeugnis waren die Noten der vermuteten guten Schüler besser, die der angeblich schlechten Schüler schlechter. Die Schüler hatten sich also ›erwartungsgemäß‹ verhalten, und die Lehrer hatten wiederum darauf reagiert.

      Das Erstaunlichste beim Pygmalion-Effekt ist also, dass sich die Menschen in Ihrer Umgebung so verhalten werden, wie es Ihrer Einstellung entspricht. Glauben Sie das nicht?

      Machen Sie doch einmal den folgenden Versuch: Gehen Sie an einem beliebigen Tag aus dem Haus mit der Einstellung, dass Sie liebenswert und erfolgreich sind und viele gute Begegnungen haben werden. (Das müssen Sie aber wirklich glauben, versprochen?)

      An einem anderen Tag denken Sie das Umgekehrte. Ich wette mit Ihnen, dass Sie den zweiten Versuch nach kurzer Zeit abbrechen werden – es sei denn, es spiegelt Ihre normale Haltung wider. Der Engländer Sir Francis Galton brach den Versuch jedenfalls ab, nachdem er von Passanten angerempelt und beschimpft worden war.

      Er war im Selbstversuch eines Morgens aus dem Haus gegangen mit dem Glaubenssatz: ›Ich bin der meist gehasste Mann Englands.‹

      Sie erleben Ihr Leben so, dass es Ihrem Glauben Recht gibt. Wie ein Radio empfangen Sie das, worauf Sie eingestellt sind. Sie empfangen das, mit dem Sie in Resonanz sind. Seien Sie mutig, und drehen Sie an dem Einstellknopf!

      Unsere Welt ist unendlich bunt und vielfältig. Unermesslich viele einzelne Teile ergeben die gesamte Welt, und alles ist miteinander verwoben, niemand ist eine Insel.

      Glauben Sie das auch? Wenn nicht, tun Sie so, als würden Sie es glauben. Es ist längst eine wissenschaftlich erwiesene Tatsache, dass sich der Mikrokosmos vom Makrokosmos kaum unterscheidet.

      Dass jede ihrer Millionen Zellen die Informationen des gesamten Organismus in sich trägt – und vieles darüber hinaus. Das hieße also, dass die gleiche bunte Vielfalt in Ihnen ist.

      Jesus sagte einmal: »In meines Vaters Haus sind viele Räume.« Das Haus Gottes auf dieser Erde sind Sie. Sie sind der lebendige Tempel Gottes. Das zu wissen, ist wichtig.

      Lassen Sie mich an dieser Stelle den Talmud zitieren:

       Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.

       Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.

       Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.

       Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.

       Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.

      Ist es nicht erstaunlich, dass ein solch altes Wissen, das sich seit Jahrtausenden durch alle Weisheitslehren zieht und auch noch die nächsten Tausend Jahre wahr sein wird, heute so wenig öffentliche Beachtung erfährt?

      Schritte zur Erleuchtung

       Ich glaube, dass wir einen Funken jenes ewigen Lichtes in uns tragen, das im Grunde des Seins leuchten muss und das unsere schwachen Sinne nur von Ferne ahnen können. Diesen Funken in uns zur Flamme werden zu lassen und das Göttliche in uns zu verwirklichen, ist unsere höchste Pflicht. (Johann Wolfgang von Goethe)

       Alle paar Jahre wird uns suggeriert, dass es wieder einmal um die ›entscheidende Wahl‹ geht. Als wenn wir dann wirklich eine Wahl hätten – da lachen ja sogar die Hühner. O.K., wir können wählen, ob wir die Bohnen mit Speck oder mit Zwiebeln mögen.

      Aber einmal Spaß beiseite: Sie haben tatsächlich eine Wahl – immer – nicht nur alle vier Jahre. Ihr Leben hat nämlich immer nur den Sinn, den Sie ihm geben.

      Wenn Sie mit Ihrem Leben zufrieden sind, werden Sie mir wahrscheinlich zustimmen; sind Sie aber unzufrieden,


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