Die Kunst des Seins. Klaus D. Biedermann

Die Kunst des Seins - Klaus D. Biedermann


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      Mit unserer Erleuchtung gehen wir so um wie die Bürger von Schilda, die Licht in Säcken in ein dunkles Haus bringen wollten.

      Wir versuchen mit Hilfe aller möglichen Techniken, unter Anleitung von Gurus, Übungen, Ernährungsplänen und vielem anderem mehr, das Licht von draußen hereinzuholen. Der Gipfel von allem sind eloquente Motivationstrainer, die von Firmen und sogar Fußballvereinen für viel Geld engagiert werden. Es hat sich scheinbar noch nicht herumgesprochen, dass man niemand anderen motivieren kann. Die andere Seite der Medaille ist: Was ist das für ein Unternehmen, das seine Mitarbeiter derart ›motivieren‹ muss? Man kann ganze Abteilungen über Feuer oder Glasscherben laufen lassen, man kann sie mit dem Hals Eisenstangen verbiegen lassen.

      Man kann sie auch pausenlos ›Jacka‹ rufen lassen. Dies alles wird, außer natürlich für den Motivationstrainer, nichts bringen. Solange die Mitarbeiter nicht wirklich ›in der Firma sind‹, solange Respekt und Achtung im Unternehmen keinen Platz haben und Geben und Nehmen nicht im Ausgleich sind, ergeben solche Aktionen keinen Sinn – aber wenn diese Voraussetzungen geschaffen sind, gehen die Leute auch so für ihr Unternehmen durchs Feuer.

      Und was die Fußballvereine angeht: Sind ein paar Millionen Euro Jahresgehalt nicht Motivation genug?

      Wir übersehen, dass der Schalter zur Erleuchtung in uns ist. Es genügt, diesen einen, alles entscheidenden Lichtschalter umzulegen. Finden müssen und können Sie diesen nur selbst. Jetzt sagen Sie vielleicht: »Nur die Meister konnten das.« Dann frage ich Sie: »Warum beanspruchen Sie die Meisterschaft nicht für sich? Warum stellen Sie ihr Licht unter den Scheffel?«

      Die Qualität Ihres Lebens wächst direkt proportional zur Anzahl der Lehrer und Lehrerinnen, die Sie in Ihrem Leben haben. (Ron Smothermon)

      Es ist vollkommen in Ordnung und wichtig, Lehrer zu haben, denn warum soll man durch den Fluss schwimmen, wenn man ebenso gut eine Brücke benutzen kann. Es ist auch sicherlich sinnvoll, Übungen oder Techniken anzuwenden oder seine Ernährung umzustellen, weil es uns diszipliniert, und Disziplin ist notwendig. Im Denken und im Tun. Aber kein Guru, keine Technik, keine Ernährungsweise wird Sie erleuchten. So wie auch niemand einen anderen heilen kann. Heilung geschieht nur von innen, aus einer tiefen Bereitschaft heraus, das anzunehmen, was von außen angeregt wird, und in das eigene Leben zu integrieren.

      Sokrates empfahl den Ärzten, jedem seiner Patienten zunächst die Frage zu stellen, ob dieser bereit sei, das Verhalten, das zu seiner Krankheit geführt hatte, in Zukunft zu meiden.

      Wenn Sie das Licht angemacht haben, werden Sie selbstverständlich die Dinge ändern, die geändert werden müssen. Selbstverständlich: aus dem Selbst heraus verstanden.

      Den ›guten‹ Lehrer oder Meister erkennen Sie daran, dass er Ihnen nicht bei der Suche, sondern beim Finden Ihres Lichtschalters behilflich ist. Er weiß, dass man einen anderen Menschen nicht ›verbessern‹ kann, weil ja jeder Mensch schon vollkommen erschaffen ist. Ein guter Lehrer wird ein Klima erschaffen, in dem es dem Schüler möglich wird, sich an seine eigene Vollkommenheit zu erinnern. Er wird Sie also nach Innen begleiten, weil er weiß, dass Ihre Wahrheit nur dort zu finden ist – und er wird sich im rechten Moment von Ihnen verabschieden. Denn die Wahrheit ist individuell. Sie liegt nicht in Schriften und Büchern, sondern im tiefsten und innersten Selbst eines jeden Menschen.

      Die meisten Menschen aber wollen gar nicht finden, sondern suchen. Wir sind in der Regel problemorientiert und nicht lösungsorientiert.

       Es lebte einmal ein Mann, der sein Leben der Suche nach Gott gewidmet hatte. Viele Jahre hatte er gesucht. Eines Tages gelangte er zu einem Haus, an dessen Türschild der Name ›Gott‹ geschrieben stand. Leise zog er seine Schuhe aus und schlich davon.

      Vor einem Lehrer, der Ihnen erzählt, er wisse genau, was für Sie richtig ist, sollten Sie schleunigst die Flucht ergreifen. So läuft es aber in unserer Welt. Ständig werden wir ›verbessert‹, erzogen und geformt. Uns wird vor Augen gehalten, wie unvollkommen wir sind und welchem Trend wir nun wieder nachzulaufen haben. Allen voran tun dies die Medien, wenn es um Äußerlichkeiten geht. Aber auch die großen Religionen, deren ursprüngliche, reine Lehren von ihren Anhängern dogmatisiert wurden, führen uns unsere Unvollkommenheit vor Augen. Es wurden Regeln aufgestellt, Formen erfunden und uns wurde genau gesagt, was getan werden muss, um auf den ›rechten Weg‹ zu kommen. Dass da irgendetwas falsch läuft, beweisen die Kirchenaustritte und die seit Jahrhunderten stattfindenden Religionskriege.

      Dass die Menschen aber gerade bei der Kirche etwas suchen, beweisen die über eine Million jugendlichen Besucher beim Weltkirchentag im Jahre 2005 in Köln. Es war ermutigend, anzuschauen und mitzuerleben, mit welcher Freude und mit welchem Enthusiasmus all die jungen Menschen aus der ganzen Welt friedlich und singend zusammengekommen waren, um die Antworten auf ihre vielen Fragen zu finden.

      Ich bezweifle allerdings, dass sie von den Kirchen ihre Antworten erhalten, und sie werden dort auch nur finden, was sie suchen, wenn sie sich auf ihre eigene Reise nach innen begeben.

      Rief die Jugend der 68er, zu der ich auch gehöre, noch den Slogan: »Unter den Talaren der Mief von tausend Jahren« und »Weg mit dem Establishment. Wir brauchen keine Autoritäten!«, so wies am 30. September 2005 der bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber anlässlich der Verleihung des Franz-Josef-Strauß-Preises der Hans Seidel-Stiftung an den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl mit eindringlichen Worten darauf hin, dass unsere Jugend nach Führung und Autorität rufe und man sie ihr auch geben müsse. Da kann man sich doch nur fragen, warum sorgt er nicht dafür? Als langjähriger bayrischer Ministerpräsident und Minister hätte er doch sicherlich so manche Möglichkeit. Man kann darüber nachdenken, ob es eine Ironie ist, dass Helmut Kohl den Franz-Josef- Strauß-Preis bekommen hat, aber auch Edmund Stoiber hat sicherlich beobachtet, wie orientierungslos das Gros der heutigen Jugend ist und dass die Führung durch RTL, SAT1, Viva und VOX nicht ausreichen kann, einen mündigen Staatsbürger zu formen. Als wenn das wirklich jemand wollte – mündige Staatsbürger! Die Jugend braucht keinen Führer, das hatten wir schon. Die Jugend der 68er hatte die Wahrheit erkannt, aber eben nur die halbe. Deswegen haben die meisten ja auch aufgegeben, weil sie in der falschen Richtung suchten und sich in Schuldzuweisungen verausgabten.

      Was die Jugend braucht – und sicher nicht nur die Jugend – , ist das Wissen darum, dass sie in dem Moment geführt wird, in dem sie sich darüber klar werden darf, dass die größte Führung in jedem Menschen wohnt.

      Sagt ein bekanntes Sprichwort nicht: »Jeder ist seines Glückes Schmied«? Also fangen Sie damit an, Ihr Glück zu schmieden – heute noch! In dieser Volksweisheit steckt doch der Hinweis, dass genau dies möglich ist. Erkennen Sie, was für Sie Glück bedeutet, und lassen Sie sich nicht von anderen sagen, was Glück ist. Glück ist so individuell, so vielfältig! Wie kann es sonst passieren, dass Menschen, die einen großen Lottogewinn erhalten hatten, damit sehr unglücklich wurden, andere dagegen sich und ihrer Familie damit die Bedingungen für ein glückliches Leben schaffen konnten?

      Vor einiger Zeit lehnte ein Mann seinen Lottogewinn von mehreren Millionen Euro ab, weil er befürchtete, dadurch unglücklich zu werden. Er begründete seine Haltung mit der Aussage: »Ich habe alles, was ich brauche.« Dieser Mann war sicher in einer gewissen Art erleuchtet.

      Sie sehen, es geht kein Weg an der Selbsterkenntnis vorbei, und Sie werden nicht darum herumkommen, sich einige grundlegende Gedanken über sich zu machen. Schauen Sie in den Spiegel, und betrachten Sie sich selbst, mit allem, was Sie getan und unterlassen haben. Kunst kommt von Können, erinnern Sie sich?

      Der Grad der Kunst hängt ab von der Art und Weise, in der Sie etwas tun. Ein Spiegel ist die Meditation – und dies ist der nächste Schritt zur Erleuchtung.

      Neben einem meditativen Menschen haben Waffen keinen Platz. Alle Weisheitslehrer und Erleuchteten dieser Welt, ob sie Sokrates, Jesus, Buddha, Lao-Tse, Mohammed, Osho oder Gurdjeff hießen, haben uns aufgefordert, nach innen zu gehen und uns selbst zu erkennen.

      Auf dem Weg nach innen werden Sie Facetten entdecken, die Sie entweder nie für möglich gehalten hätten oder die Sie vielleicht immer schon erahnt haben. In jedem Fall ist es ein interessanter Weg, und Ihre erwachte Neugierde wird


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