Nachhaltig investieren für Dummies. Alexandra Bolena
Genau dieses Argument werfen allerdings auch die Gegner des Best-in-Class-Ansatzes in die Waagschale: Es gibt eben keinen kompletten Ausschluss von Branchen. Auch kontroverse Geschäftsfelder wie Waffenhandel, um ein extremes Beispiel zu nennen, oder umstrittene Themen wie Atomkraft können sich in einem nach dem Best-in-Class-Prinzip gemanagten Portfolio befinden.
Zu beachten beim Best-in-Class-Ansatz ist, dass ohne weitere ESG-Maßnahmen grundsätzlich alle Branchen, inklusive Kohle, Öl und Waffen, investierbar sind.
Das Best-in-Class-Prinzip ist daher streng genommen nicht mehr als ein rein quantitatives Klassifizierungssystem und hat ohne weitere Maßnahmen mit Ethik oder Nachhaltigkeit recht wenig zu tun. Es eignet sich daher gut zum Greenwashing und etliche Fondsanbieter nutzen das auch aus.
Ein genauerer Blick ins Portfolio einiger als »nachhaltig« angepriesener und nach Best-in-Class-Ansatz gemanagter Fonds kann so manchen Anlegern sauer aufstoßen. In etlichen Produkten finden sich durchaus umstrittene Titel von zum Beispiel Atomstrom-Anbietern oder der Ölindustrie. Dafür aber eben die »Besten« der Branche.
Andererseits wird und wurde durch das Best-in-Class-Prinzip in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich Druck in Richtung Nachhaltigkeit erzeugt. Und es steht auch außer Streit, dass ein gut und fair geführtes Unternehmen selbst einer sehr umstrittenen Branche besser zu bewerten ist als ein Unternehmen der gleichen »bösen« Branche, das sich gar nicht um ESG-Themen bemüht.
Sie werden nicht umhinkommen, sich diesbezüglich selbst eine Meinung zu bilden und zu entscheiden, ob »Best-in-Class« ein Ansatz ist, der sich mit Ihrem Gewissen vereinbaren lässt. Hilfreich bei der Überlegung ist sicher der Hinweis, dass er in der Praxis oft mit anderen Nachhaltigkeitsstrategien kombiniert wird.
Am beliebtesten ist die Kombination mit Ausschlusskriterien. So können Länder, Branchen und/oder bestimmte Geschäftstätigkeiten, die aus ethischen Gründen als bedenklich angesehen werden, gänzlich ausgeschlossen werden. Der Rest des Anlageuniversums wird dann nach dem Best-in-Class-Prinzip gefiltert, um in die Klassenbesten zu investieren. Ein Kompromiss, den viele Fondsgesellschaften anwenden und der auch unter dem Namen »Best-of-Class« bekannt ist.
Best-of-Class-Prinzip
Das Best-of-Class-Prinzip ist eine Erweiterung des Best-in-Class-Ansatzes. Portfolien, die nach dem Best-of-Class-Ansatz verwaltet werden, sollten keine umstrittenen Branchen enthalten. Hier wird vielmehr, so die Marketingunterlagen einiger Anbieter, nur in Unternehmen investiert, die ohnedies in »nachhaltigen Branchen« arbeiten und dort auch noch zu den Branchenbesten gehören.
Aber auch hier lohnt sich ein genauer Blick in die Fondsunterlagen und das Portfolio, denn die bloße Zugehörigkeit zu einer nachhaltig anmutenden Branche, wie etwa »erneuerbare Energien« oder »Waldwirtschaft«, bedeutet noch lange nicht, dass es sich um ein durch und durch nachhaltiges Unternehmen handelt. Zu den einzelnen Themen und worauf man bei diesen hinsichtlich Nachhaltigkeit achten muss, gibt es in den jeweiligen Praxiskapiteln noch viel nachzulesen.
Im nächsten Kapitel geht es aber nun darum, wie Sie unmittelbar auf Unternehmen einwirken können und welche Rechte Sie als Investor haben. Und – im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit noch viel wichtiger – wie Sie diese nutzen können, um Druck in Richtung Klimaziele und Green Deal zu erzeugen.
Kapitel 4
Der Impact-Typ – der Weltverbesserer
IN DIESEM KAPITEL
SDG-Ziele beachten
Mit Investments Gutes bewirken
Engagementpolitik
In diesem Kapitel wird Ihnen der Impact-Typ vorgestellt, also ein Anleger, der bewusst in »gute« – und zwar im absoluten, und nicht nur im relativen Sinn – Branchen und Themen investieren will. Zudem ist so mancher Impact-Typ auch noch aktiv tätig und ergreift auf Aktionärsversammlungen das Wort.
Nicht alle Investmentideen, die Sie in Teil III und IV kennenlernen, sind für alle Typen gleich gut geeignet. Es lohnt also durchaus, sich nochmals zu überlegen, welcher Impact-Typ Sie sind. Folgende Fragen können dabei behilflich sein:
Sind Sie ein gläubiger Mensch? Dann finden Sie in Kapitel 2 Hinweise, die Ihnen Investmententscheidungen erleichtern.
Reicht es Ihnen, keine »bösen« Industrien zu unterstützen? Am besten orientieren Sie sich an Ausschlusskriterien (siehe dazu Kapitel 3).
Wollen Sie in die Besten der Branche investieren? Orientieren Sie sich an dem »Best-in-Class«-Prinzip (mehr in Kapitel 3).
Haben Sie positive Kriterien definiert und wollen in Themen investieren, die diese Werte teilen? Dann sind Sie im ersten Abschnitt dieses Kapitels richtig.
Wollen Sie direkt Impact bewirken und Unternehmen dabei unterstützen, ihre Geschäftspraktiken in Richtung Nachhaltigkeit zu verändern? Dann stürzen Sie sich in die letzten beiden Abschnitte dieses Kapitels über Voting und Engagement.
Positivkriterien
Wer nach Positivkriterien veranlagt, identifiziert Branchen und investiert in Unternehmen, die einen besonderen ökologischen oder sozialen Nutzen für Umwelt und Gesellschaft bewirken. Weitere mögliche Positivkriterien: gute Governance, also gute und sozialverträgliche Beziehungen zu Kunden und Mitarbeitern. Die Lieferketten sind transparent und fair – mit anderen Worten: Allen Stakeholdern – inklusive der Umwelt – soll wertschätzend und anständig begegnet werden.
Bei der Überlegung, welche Kriterien für Sie am besten passen, kann ein Blick auf die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele, die Sustainable Development Goals, auch als SDGs bekannt, hilfreich sein. Abbildung 4.1 bietet die Übersicht über die 17 SDGs von den United Nations. Näheres erfahren Sie im Teil II.
Abbildung 4.1: Nachhaltigkeitsziele.
Quelle: https://www.un.org/sustainabledevelopment/
(The content of this publication has not been approved by the United Nations and does not reflect the views of the United Nations or its officials or Member States.)
Die Ziele klingen alle klar und vernünftig. Dennoch kann es auch hier zu Zielkonflikten kommen, wenn man aus ihnen konkrete Handlungs- und Investmentanweisungen ableiten will, wie im Kapitel 2 näher ausgeführt wird. Die Problematik kennen Sie ja schon vom DNSH-Prinzip.
Ein Beispiel vorweg: Beim SDG Nummer 7, das die Bereitstellung bezahlbarer und sauberer Energie fördern möchte, rücken wohl Hersteller von Solar-und Windanlagen in den Investmentfokus. Allerdings kommt es bei Windenergie definitiv zu