San Sebastián. Stefanie Gückstock

San Sebastián - Stefanie Gückstock


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      A FOOD LOVERS’ PARADISE

      Donostia-San Sebastián gehört sicher zu den spannendsten Reisezielen für Food-Liebhaber. Einerseits locken unzählige Bars mit scheinbar unerschöpflicher Vielfalt an Pintxos, andererseits fällt es schwer, sich zwischen den vielen exquisiten Restaurants zu entscheiden, von denen sechs mit mindestens einem Michelinstern ausgezeichnet sind (elf mit dem nahen Umland). Dank dieser verfügt San Sebastián über die höchste Sternedichte gleich nach Tokio. Es gibt also gute Gründe, weshalb die nordspanische Stadt auch als Welthauptstadt der guten Küche bezeichnet wird.

      Das außergewöhnliche daran ist, dass San Sebastián mit knapp 190 000 Einwohnern auf einer Fläche von rund 60 Quadrat kilometern wirklich keine Metropole ist. Ganz anders als all die anderen Städte, die für exzellente Küche stehen wie etwa Paris, Rom, New York oder Lima. Doch letztlich macht genau das die Stadt als Urlaubsziel (nicht nur für Foodies) so reizvoll, denn hier warten neben ausgezeichnetem Essen auch Ruhe, Strände, das Meer und das Flair der Belle Époque.

      LA NUEVA COCINA VASCA

      Das Dasein als international anerkannter Gourmet-Hotspot ist allerdings kein Zufall: Mitte der 1970er-Jahre erwachte eine Bewegung von Köchen, die die baskische Küche gezielt renommierter machen wollte. Vorbild war unter anderem das nahe Frankreich, das schon damals für hohe Kochkunst stand.

      Dass die Köche ihr Ziel erreicht haben und die Küche heute einen derart guten Ruf genießt, war quasi vorprogrammiert, betrachtet man, wer die neue baskische Küche, die Nueva Cocina Vasca (in Anlehnung an die Nouvelle Cuisine) mitgestaltet hat. So gehörte zu den Food-Revolutionären unter anderem Juan Mair Arzak, der schon mit Anfang 30 als bester Koch Spaniens galt und noch heute mit seiner Tochter Elena das 3-Sterne-Restaurant Arzak in San Sebastián führt.

      Den entscheidenden Impuls zum Aufbruch, die baskische Küche zu erneuern, gab eine Begegnung Arzaks mit Paul Bocuse, einem der besten Köche des vergangenen Jahrhunderts und Pionier der Nouvelle Cuisine. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass man immer wieder französischem Einfluss, etwa in Form entlehnter Gerichte, begegnet.

      Schon immer lebte die baskische Küche von frischen Zutaten aus der Region. Doch früher waren die Speisen bäuerlich und einfach. Die Menschen arbeiteten in der Landwirtschaft oder der Fischerei, waren arm und verarbeiteten zu bescheidenen Speisen, was Feld, Meer oder Viehzucht hergaben.

      Die Köche der 1970er Jahre haben sich davon nicht distanziert. Sie arbeiteten weiterhin mit regionalen Zutaten. Doch wurden traditionelle Speisen neu gedacht und die Zubereitung vieler Gerichte international, vor allem französisch, beeinflusst. Sie wurde verfeinert, modernisiert und auf ein neues Niveau gehoben.

      EIN BASKE, EIN GOURMET

      Es sind jedoch nicht allein Köche, die sich für besonderen Genuss interessieren. Wie es heißt, steckt in jedem Basken ein Gourmet. So ist essen – wie es in südlichen Ländern häufig der Fall ist – ein wichtiger Lebensbestandteil, insbesondere gemeinsam mit anderen. Das Leben spielt sich sozusagen um den Esstisch ab. Und doch scheint die Liebe zum Essen in San Sebastián und dem übrigen Baskenland noch stärker ausgeprägt zu sein, als anderswo. Dieser Ruf eilt den Basken jedenfalls voraus.

      Und vermutlich stimmt es. Denn beispielsweise reihen sich sicher nirgendwo sonst so viele Kochvereine aneinander, in denen dem Genuss gefrönt und das gemeinsame Essen zelebriert wird, wie hier. »Kochvereine« wird diesen sociedades gastronómicas bzw. sociedades populares, die in San Sebastián verbreitet sind, allerdings nicht gerecht.

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      Diese Gesellschaften verfügen über ein eigenes kleines Restaurant, das nur von Mitgliedern für Mitglieder betrieben wird. Ursprünglich waren bis auf wenige Tage im Jahr nur Männer zugelassen, heute wird das lockerer gehandhabt.

      Die erste dieser Gesellschaften wurde Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet und man schätzt, dass heute etwa jeder siebte donostiarra (so bezeichnet man die Einwohner von Donostia-San Sebastián), Teil einer sociedad ist. Während der Franco-Diktatur, als jegliche Treffen skeptisch beäugt wurden, waren die Gesellschaften einer der wenigen Orte, an denen sich Bürger unbesorgt austauschen konnten, und somit ein beliebter Zufluchtsort.

      Die Basken lieben aber nicht nur das gemeinsame Essen, sie messen sich auch überaus gerne in Kochwettbewerben. Wer kocht die beste marmitako (siehe Seite 102), wer den besten bacalao en salsa verde (siehe Tipp Seite 114) und wer das beste sukalki (siehe Seite 122)? Manche dieser Wettbewerbe werden sehr ernsthaft betrieben, bei vielen geht es aber hauptsächlich darum, Spaß zu haben.

      Und nicht zu vergessen: Im Jahr 1901 wurde in San Sebastián die erste Kochschule (academia de cocina) Spaniens eröffnet.

      IN BESTER LAGE

      In kulinarischer Hinsicht hat San Sebastián geographisch das große Los gezogen. Vor der Haustüre liegt das kantabrische Meer und versorgt die Bewohner mit fangfrischem Fisch und Meeresfrüchten. Im Rücken der Stadt befindet sich fruchtbares Bergland, in dem Gemüse und Obst beste Wuchsbedingungen finden.

      Ohnehin gibt es in Nordspanien einige niederschlagsreiche Gebiete, die für die Landwirtschaft ideal sind. Man spricht hier vom Grünen Spanien. (Ein unerwartetes Bild, wenn man ausschließlich die spanischen Mittelmeerregionen kennt.) Hier gedeihen Tomaten, Salate, Erbsen, Bohnen oder Spargel von höchster Qualität. Und natürlich Äpfel …

      TXOTX UND TXAKOLI

      Aus dem fermentierten Saft der heimischen Äpfel wird traditionell sidra hergestellt, baskischer Apfelwein. Sidra ist in der Provinz Gipuzkoa, in der auch San Sebastián liegt, tief verwurzelt und wird fast ausschließlich hier produziert. Die sidra-Saison ist allerdings begrenzt und dauert nur von Januar bis Anfang Mai. Dann wird in den zahlreichen sidrerías (Siderhäusern) der neue Apfelwein verkostet. Eingeläutet wird die Saison mit der tamborrada (Trommelfest) am 20. Januar, dem Tag des Heiligen Sebastian.

      Siderhäuser sind einfache Wirtshäuser mit langen Tischen, in denen rustikales Essen serviert wird. Ein klassisches Menü besteht aus Fischomelett, riesigen Rindersteaks und einer Käseplatte als Nachtisch. Der Apfelwein wird direkt aus Fässern gezapft und der Wirt leitet den Ausschank mit dem Ruf txotx! ein (txotx ist der Holzpfropfen, der die Fässer verschließt.) Dann machen sich die Gäste auf zu den Fässern, aus denen der Wein in einem langen Strahl in die Gläser abgefüllt wird.

      Neben sidra wird im Baskenland txakoli (auch: txakolina) gekeltert. Ein junger, leichter (Weiß-)Wein, der nur hier aus heimischen Trauben hergestellt wird. Die Herkunftsbezeichnung ist bei diesem Wein – wie bei vielen Produkten aus dem Baskenland – zugleich ein Qualitätsmerkmal.

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      PATRIOTISMUS

      All die in Heimatnähe verfügbaren Produkte bilden die Grundlage der Speisen im Baskenland, egal ob in Sternerestaurants, in Pintxos-Bars oder zu Hause. Patriotismus und Stolz schwingen deutlich mit. Bevorzugt wird grundsätzlich alles, was aus dem Baskenland kommt und mit einer entsprechenden Herkunftsbezeichnung oder einem baskischen Qualitätslabel (eusko label) versehen ist.

      Selbstverständlich wird in Profiküchen aufwendiger gekocht als am heimischen Herd. Cocina de autor (Autorenküche) nennt es sich,


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