Übersäuerung. Hermann Straubinger

Übersäuerung - Hermann Straubinger


Скачать книгу
von Stresshormonen eine Reduzierung der Verdauungsprozesse. Unser Körper spart so kurzfristig Energie, um sich für eine Gefahrensituation zu wappnen. Es wird zwar weniger Magensäure produziert, aber Fettsäuren werden vermehrt mobilisiert, und Glukose und ATP werden produziert. Das bedeutet einen Säureschub für unseren Körper. Zum Ausgleich erfolgt etwas später eine verstärkte Parasympathikus-Aktivität mit vermehrter Ausschüttung von Magensäure auch ohne vorherige Nahrungsaufnahme.

      Eine Übersäuerung wirkt aber auch umgekehrt als starker Stressfaktor auf das vegetative Nervensystem. Säure aktiviert den Sympathikus. Sie sorgt für Erregung, wenn wir eigentlich ausruhen sollen, und bewirkt die Ausschüttung der Stresshormone, auch wenn gar kein wirklicher Grund für Anspannung, Kampf oder Flucht gegeben ist. Dazu versetzt eine saure Stoffwechsellage unser Immunsystem in Alarmbereitschaft, ohne dass Krankheitserreger unsere Gesundheit bedrohen.

      Die Lunge dient im Säure-Basen-Gleichgewicht als wichtiges Aufnahme- und Ausscheidungsorgan. Sie gibt saures Kohlendioxid ab und nimmt Sauerstoff für die Energiegewinnung in unseren Zellen auf. Durch Bewegung an frischer Luft wird der pH-Wert im Körper sofort gesenkt. Wer sich wenig bewegt und schlecht atmet, bekommt zu wenig Sauerstoff. Die Folge: Viele saure Substanzen bleiben im Körper zurück, weil für die Energiegewinnung beim Verbrennen in den Zellen Sauerstoff fehlt. Der Verbrennungsvorgang bleibt unvollständig, und statt Wasser und Kohlendioxid entstehen saure Zwischenprodukte. Und der Teufelskreis dreht sich weiter. Sinkender pH-Wert in der Zelle heißt auch, dass die Enzyme – unsere Biokatalysatoren – nicht mehr so gut funktionieren und die Stoffwechselvorgänge in der Zelle langsamer ablaufen.

      Je mehr Sauerstoff etwa durch ein moderates Ausdauertraining eingeatmet wird, umso mehr Säuren werden auch ausgeschieden. Wer es aber übertreibt, kommt »außer Atem« und bekommt einen Muskelkater. Wegen eines Sauerstoffmangels hat der Körper Milchsäure gebildet, und zusammen mit kleinsten Verletzungen des Muskels tut der entsprechende Muskel jetzt weh.

      Säuren lassen sich in unserem Körper verschiedenen Kategorien zuordnen: nach ihrer Herkunft und nach den Organen, die an ihrer Entsorgung beteiligt sind.

      → Anorganische Säuren werden mit unserer Nahrung aufgenommen und können ausschließlich über den Urin entsorgt werden.

      → Organische Säuren werden sowohl mit der Nahrung aufgenommen, entstehen aber auch durch die Energiegewinnung (Milchsäure, Ketonsäuren) in unseren Zellen. Die flüchtige Säure Kohlendioxid wird dabei über die Lunge abgeatmet, während nichtflüchtige Säuren in unserer Leber verarbeitet werden.

      Für Abbau und Ausscheidung sind im Wesentlichen drei Organe zuständig: Nieren, Lunge und Leber. Dazu kann unser Blut durch so genannte Puffer bei plötzlichen Säureschwankungen seinen pH-Wert innerhalb eines engen Bereiches (pH 7,35 bis 7,45) konstant halten. Und Säuren, die wir nicht sofort loswerden können, lagern sich im Bindegewebe ein, wo sie regelrecht zu einer »Versulzung« führen. Für all diese »Säureabwehrmaßnahmen« verbraucht unser Organismus körpereigene Reserven. Unser Körper schwächt sich damit selbst. Deswegen ist es so wichtig, die Puffer-Systeme unseres Körpers zu unterstützen.

      REGULATION DES SÄURE-BASEN-HAUSHALTES

      Blut über Puffersysteme → sofort

      Lunge über Abatmung → sofort

      Niere über Ausscheidung → mittelfristig

      Leber über Harnstoffwechsel → langfristig

       Das Blut als Transportvehikel

      Das Blut erreicht alle Teile unseres Körpers. Es besteht aus festen Bestandteilen (Blutkörperchen und Blutplättchen) und flüssigem Plasma. Angetrieben vom Herzen als Pumpe, fließen in den Adern eines erwachsenen Menschen etwa 4,5 bis 6 Liter Blut. Die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) transportieren Sauerstoff (O2) und Kohlendioxid (CO2) zwischen der Lunge und den Organen. Schon ein geringer Kohlendioxidanstieg führt dazu, dass unser Atemzentrum und Herzschlag beschleunigt arbeiten, bis das überschüssige Kohlendioxid abgeatmet ist.

      Für die rote Färbung der Blutkörperchen sorgt der Blutfarbstoff Hämoglobin. Er benötigt ausreichende Mengen an Eisen, Vitamin B12 und Folsäure. Ohne Hämoglobin könnte unser Blut keinen Sauerstoff transportieren.

      

      Die wichtigsten Aufgaben unseres Blutes sind:

      

Transport: Mit unserem Blut werden Sauerstoff und Kohlendioxid, Vitamine, Stoffwechselprodukte und Nahrungsstoffe im Körper transportiert.

      

Wärmeregulation: Unser Blut transportiert auch Wärme. Wegen seiner großen Wärmekapazität ist es wichtig für die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur.

      

Signalübermittlung: Die Botenstoffe unseres Körpers – die Hormone – benutzen das Blutkreislaufsystem, um an ihren Bestimmungsort zu gelangen.

      

Immunabwehr: Bestimmte Stoffe im Blut dienen der Abwehr von Eindringlingen.

      Damit unser Blut all diese Aufgaben erfüllen kann, muss sein pH-Wert in einem eng gesteckten Bereich zwischen 7,35 und 7,45 konstant gehalten werden. Ein Wert unter 7 oder über 7,8 würde sich tödlich auswirken: Die roten Blutkörperchen würden hart und könnten nicht mehr durch die feinen Blutgefäße in den äußeren Bereichen unseres Organismus gelangen. So käme nicht mehr genügend Sauerstoff von der Lunge in unsere Zellen. Dort würde die Energiegewinnung durch sauerstoffarme Verbrennung wieder vermehrt Milchsäure produzieren, und die Zelle würde noch saurer und letztlich absterben.

       Die Lunge – unser Säurenschornstein

      Unsere Lunge ist wohl das bekannteste Organ, was die Regulation des Säure-Basen-Haushaltes betrifft. Sie atmet in der Hauptsache Kohlendioxid (CO2) ab. Und zwar im Idealfall genauso viel, wie in unseren Zellen bei der Energiegewinnung abfällt. Das ist für uns lebenswichtig, denn mit Wasser zusammen entsteht aus CO2 die Kohlensäure. Ein Anstieg der CO2-Menge in unserem Organismus bedeutet also auch eine Verschiebung des pH-Wertes hin zum Sauren. Innerhalb weniger Minuten reagiert unsere Atmung auf Veränderungen des O2- oder CO2-Gehaltes unseres Blutes, indem ein Anstieg oder Abfall des pH-Wertes sofort die Atemfrequenz ändert.

      PUFFERUNG

      Den Mechanismus unseres Blutes, Säuren unschädlich zu machen, nennen Chemiker Pufferung. Dabei bleibt der basische pH-Wert konstant, selbst wenn man unserem Blut Säuren hinzufügt. Ausschlaggebend dafür sind Mineralstoffe, die hinzukommende Säuren sofort neutralisieren.

       Ein wichtiges Puffersystem des Menschen ist der Kohlendioxid-Bikarbonat-Puffer:

      CO2 + H2O ←→ H2CO3 ←→ HCO3 + H+

      Aus Kohlendioxid (CO2) und Wasser (H2O) entsteht Kohlensäure (H2CO3), diese gibt ein H+-Ion ab, und es entsteht Bikarbonat (HCO3). Dieses stellt nun die Pufferbase dar, Kohlendioxid bzw. die Puffersäure. Beide Prozesse laufen im Körper dauernd in beide Richtungen ab. Die Komponenten dieser chemischen Gleichung stehen immer in einem chemischen Gleichgewicht. Werden jetzt dem Blut Säuren – was nichts anderes heißt wie H+-Ionen – zugeführt, so kann das Bikarbonat (HCO3), nach obiger Formel von rechts


Скачать книгу