Wenn ich denn laufe, dann laufe ich. Norbert Schläbitz
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Ich selbst habe beinahe keine Erfahrungen mit Drogen, welcher Art auch immer. Sicher, ich trinke Bier und Wein, praktisch keine Schnäpse, und bei Wein auch nur Weißwein. Rotwein, welcher Klasse und Güte auch immer, ist mir einfach nur ein Graus. Rotwein hat einen Grundgeschmack, der mir schlicht nicht zusagt. Aber Weißwein und Bier, da sag ich ja. Gut – auch Alkohol ist eine Droge, aber den klammere ich, wie überall in der westlichen Hemisphäre, einfach mal aus.
Da bin ich ganz ein Kind unserer Gesellschaft, die – wie mir scheint – zwischen guten und bösen Drogen unterscheidet. Alkohol gehört zu den guten Drogen, denn sie ist vor Strafverfolgung sicher, sie wird beworben, und die Supermarktregale sind voll davon. An der guten Droge Alkohol sterben jährlich etwa 73.000 Menschen. Dann gibt es noch die gute Droge Rauchen. Da will man Geschäft und Schutzmaßnahmen gleichzeitig, tätigt abenteuerliche argumentative Verrenkungen und bepflastert die Zigarettenpackungen in Bälde mit hässlichen Bildergeschichten. Aber auch sie wird beworben, und die Supermarktregale sind voll davon. An der guten Droge Rauchen sterben im Jahr ca. 110.000 Menschen. Daneben gibt es noch die bösen Drogen wie Heroin, Kokain ... und ganz am Ende steht das eher harmlose Cannabis, das als Einstiegsdroge trotzdem zu den bösen gehört. Hier sterben etwa 1.300 Menschen im Jahr.
Als Sportler in jungen Jahren, der die 100 Meter lief, glaubte ich, der Rauchkonsum könnte meine Leistung schwächen. Also ließ ich es! Dem Sport sei Dank! Zum Glück wusste ich damals auch noch nichts von den Kurzstreckenweltmeistern und Olympiasiegern, die selbst gerne mal eine rauchten. Wer weiß, wer weiß, was dann so aus mir geworden wäre? Da ich nicht rauchte, fielen auch die bösen Drogen weg, die rauchend konsumiert wurden: Haschisch bzw. Cannabis. Lediglich durch einen Plätzchenkonsum weiß ich um die Wirkung, die damit einhergehen kann. Ich fand das nicht so spannend. Also ließ ich es bleiben. Dem Sport habe ich viel zu verdanken. So auch hier.
Wer einmal high sein will, kann dies auch anders haben. Beim Laufen stellen sich solche Momente immer wieder mal ein. Ich kann das nur nicht steuern nach dem Motto: Heute gönne ich mir mal was. Das nun leider nicht. Solche High-Momente kommen oder sie kommen eben nicht. Zumeist bin ich allerdings schon eine Weile unterwegs. Sagen wir so nach 10 km oder 15 km kann der Kopf ganz anders klar werden, beschwingt, die Beine lösen sich vom Boden, und eine Art Fliegen beginnt. Mit dem ganzen Körper geschieht was. Damit verbunden ist eine Geschwindigkeitsmaximierung. Auch beim Marathon kann es mich zum Fliegen verführen. Das ganze Tosen und Brausen, das bewegte Leben um mich herum fördert diesen Eintritt. Die Begrifflichkeit des Flow trifft das Ganze ziemlich genau.
So ganz umsonst ist es aber doch nicht: Für den Eintritt bezahlt wird mit der Münze Laufen. Am Anfang steht also die Mühe, und ich kenne dieses Gefühl auch nur bei guter Form, wenn ohnehin die Beine sich leichter und schneller bewegen. Solange meine Beine sich mühen und über die Wege sich schleppen, ist mehr Down under angesagt, wenngleich ich – am Rande nur gesagt – Australien sehr schätze und wahnsinnig gerne einmal Ayers Rock sehen würde. Aber an den kommt man nicht mehr ran, da mittlerweile – so viel ich weiß – anerkannt ist, dass es sich um heiliges Land der Ureinwohner handelt, die Touristenströme nicht sehr schätzen.
Beim Marathon dem Floweffekt erlegen zu sein, birgt aber auch so seine Gefahren. Es fliegt sich schneller als es manchmal die Form zulässt und gut für einen ist. Mit anderen Worten: Man läuft zu schnell. Der Akku wird zu stark beansprucht. Sagen wir mal, zwischen Kilometer 20 und Kilometer 30 setzt man zum schönen Fliegen an und, unterlässt man jegliche Kontrolle, kann zwischen Kilometer 30 und Kilometer 35 eine Bruchlandung erfolgen. Fortan schleppt man sich mit Mühe. Also auch hier ist es kein ungetrübtes Vergnügen, wenn man nicht – bei allem Flow – einen klaren Kopf behält. Dem Flow kann auch hier ein böser Kater folgen. Das ist das Malheur bei allen Drogen, wenn man um den korrekten, verantwortungsvollen Umgang nicht weiß. Wer schon mal von Kilometer 32 bis ins Ziel mit leerem Akku gelaufen ist, weiß, wovon ich rede. Also auch hier will der Umgang mit dem High-Effekt gelernt sein.
Nicht immer trainiere ich alleine, in Paderborn tat ich dies nicht und auch im hohen Norden Lüneburg mache ich das nicht. Zum Marathontraining gehören nicht nur lange Läufe, sondern auch das Schnelligkeit und Härte bringende Intervalltraining. Dem Intervalltraining, das ich als junger Mann so mochte, stehe ich heute eher distanziert gegenüber. Es ist so anstrengend. Ich habe großen Respekt davor. In der Gruppe oder auch mit einzelnen Mitstreitern läuft es sich leichter.
Das Intervalltraining in Paderborn habe ich für einige Zeit öfters mit Heidi, einer guten Freundin, zusammen absolviert. Es hat uns beide, wie ich finde, vorangebracht. Heidi ist eine passionierte Marathon-Läuferin heute. Sie läuft Marathon auf Marathon. Mehrfach schon ist sie mir in Berlin beim Marathon, wo sie regelmäßig startet, über den Weg gelaufen, aber auch beim Marathon in Bad Salzuflen, mal aus Zufall, mal aber auch mit Verabredung.
Als sich das Training zeitlich nicht mehr koordinieren ließ, wechselte ich auf den frühen Morgen um 7 Uhr, noch vor der Arbeit, und trainierte im Ahorn-Sportpark. Das ist eine Sporthalle, die jedem frei zugänglich ist und die im ersten Stock mit einer 200-m-Rundbahn aufwartet. Eine tolle Einrichtung ist das. Hier bin ich Anke begegnet, und für ein Jahr prügelten wir uns zu früher Stunde um die Bahn. Auch das hat mir sehr gefallen und uns beiden gutgetan. Zusammen fällt das Training einfach leichter. Außerdem lernt man auf diese Weise auch liebe nette Menschen kennen. Irgendwann änderte sich ihr Arbeitsplan, und sie wechselte auf den Dienstagnachmittag. Ich folgte ihr.
Axel leitete dort jeden Dienstag das Training. Axel ist ein hervorragender Trainer, der eine bunt zusammengewürfelte Truppe aus unterschiedlichen Vereinen betreut. Er findet das richtige Maß zwischen Disziplin und Laufenlassen und auch dem Spaß. Seine Erfolge können sich sehen lassen. Es gibt so manchen aus seiner Gruppe, der sich mit Titeln schmücken kann. So schreibt er seine Trainingspläne für Sprinter, Mittelstreckler und auch Marathonis, und die Leute setzen diese um. Und die Erfolge geben ihm Recht. Heute lebt Axel in Höxter. Die Liebe hat ihn zurückgeführt in seine alte Heimatstadt, wie ich zu wissen glaube.
Die langen Läufe trainierte ich zu meiner Zeit in Paderborn entweder alleine oder mit meinen Lauffreunden vom Lauftreff Elsen-Wewer. Montagabends war ein Treffpunkt zum gemeinsamen Lauf. Dort fanden wir uns zusammen bei jeder Witterung: Magda, Erika, Ulrich, Mark, Rainer, Hubert und noch so mancher andere Läufer. Auch Samstagmittags fand ich mich gelegentlich in Wewer ein, um lange Strecken plaudernd in der Gruppe zu bewältigen. Gerade die ganz besonders langen Trainingsläufe lassen sich in der Gruppe leichter überstehen. Stets erzählt wer was, man nimmt die Strecke gar nicht so wahr. Das Miteinander lässt einen so manche Schwächephase überstehen. Und wenn man nur zu zweit unterwegs war, ergab sich doch schon so manches sehr persönliche Gespräch zumindest dort, wo die Freundschaft ohnehin sehr eng war. Man war einander dann Zuhörer und Ratgeber zugleich. Das waren sehr gute Läufe.
Viele liebe Menschen sehe ich seit meinem Umzug nach Lüneburg nur noch selten, manche auch gar nicht mehr. So ist es halt, das Leben (und ich sage dies nicht so einfach daher, sondern mit traurigem Unterton): Ein Kommen und Gehen ohne Unterlass. Festzuhalten ist da nichts. Im Jahr 2011, im Dezember, bin ich gegangen, zu einer anderen Zeit wird jemand anders gehen. Wohin? – das ist nicht zu wissen, nur dass es geschehen wird, das ist gewiss. Auf Zeit können wir uns gemeinsam Freude bereiten, feiern, eben auch gemeinsam laufen, eine gute Zeit miteinander verbringen, einander Halt auch sein und so auch helfen, soweit es geht. Und manchmal auch können wir uns gute, ja beste Freunde sein. Das hat alles seine Zeit. Begrenzt zwar immer, aber auch schön so oft.
Mittlerweile habe ich auch hier in Lüneburg wunderbare Mitstreiter gefunden, mit denen das Laufen leichter gelingt. Am Sonntag in der Frühe ist Trainingszeit. Und wie schön ist es, wenn man beim Start eines Laufes hier im hohen Norden den einen oder anderen kennt und Spaß zusammen hat. Es gibt so immer ein „Hallo“. So habe ich hier im hohen Norden eine neue Laufgemeinschaft gefunden.
Es sind mal mehr, mal weniger, die am Sonntag sich einfinden. Bis zu vierzehn, fünfzehn Läufer sind es manchmal schon, die sich in morgendlicher Frische treffen, in seltenen Fällen auch nur mal zwei. Aber irgendwer ist immer da. Ein paar von uns treten unter einem gemeinsamen Namen bei