Mein (Ex-)Partner ist ein Psychopath. Bärbel Mechler
für das gesamte Umfeld dieser kranken Menschen verheerende Folgen hat. Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Krankheit größtenteils genetische Ursachen hat oder dass organische Beeinträchtigungen des Gehirns oder des Nervensystems dafür verantwortlich sind.
Psychopathische Menschen weisen stark abweichende Gehirnaktivitäten auf, kennen keine Ängste, haben kein Unrechtsbewusstsein oder Gewissen, kennen keine soziale Verantwortung oder Mitgefühl. Eine moralische Instanz, die ihrem extrem rücksichtslosen und gefährlichen Verhalten Einhalt gebieten könnte, fehlt ihnen vollends.
Doch psychopathisches Verhalten hat viele Schattierungen. Der Psychoanalytiker Wilhelm Reich arbeitete in seiner Typenlehre u. a. die psychopathische Charakterstruktur heraus.
Dieses Verfahren wurde später von Alexander Lowen und anderen Therapeuten weiter spezifiziert. Sie erforschten, dass sich aus dem Zusammenspiel früher Kindheitserfahrungen, der Eltern-Kind-Beziehung und den ersten traumatischen, bzw. verletzenden Erfahrungen ein prägnantes Abwehrsystem entwickelt. Das Wesen eines Menschen ist demnach die Summe seiner vergangenen Erlebnisse.
Der Abwehrmechanismus der psychopathischen Charakterstruktur entstand aufgrund schwerer seelischer Defizite und Verletzungen. Diesen Menschen wurde als Kind der Wunsch nach stabiler Nähe, Geborgenheit und kindgerechter Aufmerksamkeit versagt. Sie erlebten ihre Welt als ein Ort voller Gefahr und Verrat, vor dem es sich zu schützen galt. Diese Wahrnehmung besiegelte das schrittweise Zementieren eines stark antisozialen Verhaltens, nicht selten bis hin zu perfider Grausamkeit. Das erklärt, warum sich diese Menschen keiner Beziehung anvertrauen, sich niemals fallen lassen und ein übertriebenes Kontrollverlangen zeigen.
Der markante Unterschied, der meines Erachtens zwischen Psychopathen im psychiatrischen Sinne und jener der psychopathischen Charakterstruktur zu finden ist, liegt in ihrer jeweiligen Beziehung zur Angst. Wie ich bereits erwähnt habe, kennt die erstgenannte Spezies keine Angstgefühle und agiert unabhängig und sicher. Bei den psychopathischen Charakteren verhält es sich anders. Sie kennen Angstgefühle und sind darum sehr bemüht, Unschuldige vor ihren Karren zu spannen, damit sie selbst nie für Ihre Gemeinheiten, Intrigen und Straftaten zur Verantwortung gezogen werden. Und so selbstsicher und souverän sie auch wahrgenommen werden möchten, so verwenden sie doch den größten Teil ihrer Kraft dafür, ihre künstliche Maske aufrechtzuerhalten, von allen bewundert und gehuldigt zu werden, und wollen um keinen Preis als das erkannt werden, was sie in Wirklichkeit sind. Und das macht sie sehr verletzlich.
Während den vielen Jahren meiner Beratungstätigkeit habe ich ausschließlich mit Menschen gearbeitet, die Opfer psychopathischer Charaktere waren. Deshalb bleibe ich bei diesem Ratgeber auch in diesem Sektor. Der Begriff Psychopath oder psychopathische Struktur ist deshalb durchweg in diesem Kontext zu begreifen.
Wir lassen uns bei ihnen also auf Menschen ein, die sich als nachahmenswerte Vorbilder empfinden, auch wenn ihre Lebensgestaltung auf Selbstüberschätzung, Lügenkonstrukten und der Drangsalierung anderer fußt. Doch nur solange ihr Partner mitspielt, d. h. sanft und gutmütig oder hilflos bleibt, können sie ihre krankhafte Sucht nach Machtausübung ausleben. Gleichwohl haben Psychopathen auch Gefühle. Sogar sehr intensive und leidenschaftliche; es sind nur keine sich verschenkende oder gebende, sondern ausschließlich selbstbezogene. Kein Wunder, dass die Emotionen anderer geleugnet, kleingeredet oder lächerlich gemacht werden.
Auch auf die Gefahr hin, dass Sie es nicht gerne wahrhaben möchten, muss ich dennoch erwähnen, dass Psychopathen auf eine groteske Art unschuldig sind. Die Rücksichtslosigkeit ihren Partnern und Mitmenschen gegenüber ist ihrer tiefen Verzweiflung geschuldet, derer sie sich selbst nicht entziehen können. So sind sie selbst ihr erstes Opfer und es wird ihnen nicht gelingen, ihre innere Festung niederzureißen, um ein neuer Mensch zu werden. Ganz davon abgesehen möchten sie das auch nicht, denn sie glauben, mit ihrer Art ganz gut zu fahren und ihren Mitmenschen überlegen zu sein. Aber davon abgesehen könnten sie ihren Schutzwall auch nicht einreißen. Das soll sie nicht entschuldigen, aber Sie sollten es bei Ihren Handlungen berücksichtigen, um unnötiges Leid zu vermeiden.
In dem Maße, wie Ihr Partner Sie und vielleicht auch Ihre Kinder in sein perfides Spiel einbezieht, müssen Sie sich gegen ihn wehren – zu Ihrem eigenen Schutz und dem Ihrer Kinder. Doch verzichten Sie auf jede Form von Rache einem Menschen gegenüber, der selbst Gefangener seines Schicksals ist. Ich möchte Ihre bittere Realität keinesfalls damit schönreden, ich möchte sie nur objektiv betrachten und Sie dabei unterstützen, bei sich selbst zu bleiben.
Würden sein Hass und seine Wut auf Sie überspringen, wären Sie ein weiteres Mal von ihm geknechtet.
Das psychopathische Instrumentarium
Gehen Sie davon aus, dass Ihr Partner zu allem bereit ist und bei Bedarf seine Waffen gezielt einsetzen wird.
Demütigungen
Psychopathische Menschen sind wohl das Paradebeispiel für Menschen, die ein sprichwörtlich reines Gewissen haben – weil sie es nie benutzen. Sie verfügen auch gar nicht über die nötige Portion Feingefühl und Empathie, um sich über die Bedeutung ihrer Demütigungen, die sie so leichtfertig anderen Menschen angedeihen lassen, bewusst zu sein. Andere zu verspotten, auszulachen, zu beleidigen oder herabzusetzen erscheint ihnen durchaus gerechtfertigt und notwendig.
Eine Klientin, die – aus Angst, ihr Kind durch eine Scheidung zu verlieren – jahrelang die schlimmsten Herabsetzungen und Beschimpfungen über sich ergehen ließ, schrieb in ihr Tagebuch:
„Ich bin von Scham zerfressen, weil ich mich so peinigen lasse. Ich fühle mich so schmutzig und wertlos und weiß nicht mehr, was schlimmer ist: Das Schämen, das Ertragen oder die Angst? Und wie soll mein Kind eine Mutter achten, die verachtet wird und sich verachten lässt?“
Konfrontierte sie ihren Partner mit seinem schändlichen Verhalten, verbarrikadierte er sich hinter Schutzbehauptungen:
„Ich kann nichts dafür, dass du so peinlich bist, das hast du dir selbst zuzuschreiben“ usw.
Sie kennen diese Sprüche sicherlich zur Genüge. Die bestürzende Bilanz ist, dass obendrein die Opfer die Verantwortung für die schmerzhaften Demütigungen übernehmen sollen.
Reflexion:
Was waren Ihre schlimmsten Demütigungen? Wie tief hat der Schmerz dabei Ihre Gefühle und Ihren Körper beeinträchtigt? In welcher Form hatte ihm sein Angriff Genugtuung verschafft? Haben Sie eventuell Ihre Bemühungen gesteigert, um zu beweisen, dass Sie es wert sind, geachtet zu werden? Sind Sie bereit zu lernen, für sich einzustehen?
Psychische Gewalt
Eine wirkliche Erfahrung sagt oft mehr als tausend Worte. Deshalb ist die haarsträubende Geschichte, die ich Ihnen nun wiedergeben möchte, ein signifikantes Beispiel für psychische Gewalt. Nicht jeder psychopathische Partner traut sich auf diese Weise, seine Allmachtsfantasien auszuleben und sich dermaßen kaltblütig und offensichtlich über Sitte und Anstand hinwegzusetzen. Aber davon träumen werden wohl die meisten von ihnen.
Helena ist seit sieben Jahren mit ihrem Mann verheiratet und glaubte bis vor Kurzem, alle psychopathischen Abgründe durchlaufen zu haben. Als ich sie kennenlernte, war sie zutiefst verzweifelt und sagte mir, dass sie, nach alledem, was sie mitgemacht habe, nicht nur innerlich zerbrochen sei, sondern auch jegliches Einschätzungsvermögen verloren habe.
Und dies mache sie vollkommen ohnmächtig und wehrlos. Helena ist von adeliger Abstammung und wohlhabend, was auch erklären lässt, warum ihr zehn Jahre jüngerer Mann sie unbedingt zur Frau nehmen wollte. Denn dass es ihm nicht um Liebe ging, stellte er bereits in der Hochzeitsnacht mit einer unverschämten und verletzenden Bemerkung unmissverständlich klar:
„Ein paar Kilo weniger würden es mir auch leichter machen.“
Obwohl Helena nicht nur eine gebildete, sondern auch sehr kluge Frau ist, bemühte sie sich mit aller Kraft, das Offensichtliche zu leugnen. So entfaltete ihr Ehemann in seinem nunmehr standesbewussten und finanziell sehr attraktiven Lebensstil seine ganzen psychopathischen Kampftechniken und erzwang schrittweise ihre totale Unterwerfung. Dies gipfelte darin, dass er seine Liebschaften mit nach Hause ins eheliche Schlafzimmer brachte und seine Frau in Gegenwart seiner