Die Eucharistie als Opfer der Kirche. Michael Hesse

Die Eucharistie als Opfer der Kirche - Michael Hesse


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durch den Tod und die Erhöhung eingetreten ist und damit die ewige Opferverklärung und Priesterweihe empfängt. Dennoch ist dieser Tempel nicht dem Jetzt entrückt, sondern wird gegenwärtig, wo Gott im Mysterium erscheint und wirkt. Ein geschaffener Tempel wird nur in der Menschheit Christi angenommen, in seinem Fleisch und Blut, denn darin ist ja das Opfer der Hingabe vollzogen worden (vgl. Hebr 10, 19ff). Der Leib Christi ist der wahre Tempel des Neuen Bundes. Der Opfertod Jesu setzt diesen Tempel und das Opfer ein, beides ganz im Pneuma.343

       2.2 Das Pro des Pneumas Christi für die Menschen

      Casel, hierzu von Gedanken des Hl. Athanasius geprägt, betrachtet die Umwandlung des vom Logos angenommenen Sündenfleisches durch Auferstehung und Verklärung Christi und erkennt darin Auswirkungen für das Menschengeschlecht. Christi Menschsein und seine Verklärung durch den Tod hindurch werden als Pro-Aktion (Stellvertretung) für den Menschen schlechthin gesehen.344 Die Menschen, die den Logos Gottes aufnehmen, werden Kinder Gottes und haben so Anteil am göttlichen Wesen und der Ewigkeit. Um dies den Menschen zu schenken, hat der ewige Logos überhaupt Fleisch angenommen.345 Wie sollen die Menschen aber den Logos aufnehmen? Casel zitiert als Antwort Joh 7,39, weil nämlich Jesus noch nicht verherrlicht, es noch kein Pneuma gab. Nachdem Jesus zum Kyrios geworden ist, ist er bei seiner Kirche im Pneuma anwesend und dieses Pneuma wiederum kann der Mensch in sich aufnehmen.346 Nachdem der Herr durch das Leiden hindurchgegangen ist, ist er für den Gläubigen nur noch als Pneuma erkennbar. Die Menschheit Jesu ist ganz von der Gottheit durchdrungen und verklärt, und damit sind Jesu irdische Taten ebenso verklärt, d.h. zu Mysterien geworden. Die Gnade Gottes wird wiederum den Gläubigen durch den pneumatischen Herrn in den Mysterien der Kirche zugänglich. Damit wird die Definition gegeben, dass im Mysterium Hohes und Niedriges vereinigt sind. In Bezug auf Jesus Christus meint dies, dass der Logos Fleisch annimmt und später in der Verklärung Christi das Fleisch zum Pneuma wird. Darin zeigt sich nach Casel die Paradoxie der göttlichen Liebe, die in der Menschwerdung offenbart ist.347 Christi beständige Gegenwart ist durch seine pneumatische Gegenwart in der Kirche bzw. in den gläubigen Seelen begründet. Christi heutige Tätigkeit, sein Heilen, seine Belehrung und seine Stärkung sind, nach Casels Interpretation von Mt 28,20, an die Mysterien der Kirche gebunden. Christus will real wirken, dazu ist das Pneuma gegeben, das der Verklärte zuströmen lässt. D.h., dass die Gegenwart Christi erfahrbar ist in äußeren, sinnenhaft erkennbaren Zeichen, heiligen Symbolen: den Sakramenten. Darin liegt für Casel die Begründung, dass die heutigen Gläubigen nicht hinter den Zeitgenossen Jesu zurückstehen. Die Menschwerdung Jesu, sein Kreuzesopfer und seine Erhöhung zum Vater ist den Gläubigen durch die Jahrhunderte hindurch immer durch den Glauben bzw. in der Glaubensschau durch die Mysterien unmittelbar zugänglich und werden auch immer im Mysterium Gegenwart bleiben.348 Casel formuliert in seiner Theologie eine Anforderung an die Menschen, um Christus im Mysterium nahe zu kommen. Der von den Menschen hier geforderte Glaube ist folglich ein weiterer Grundpfeiler der Mysterientheologie.

       2.3 Der Schlüssel der Mysterientheologie: Der Glaube

      Der Glaube des Christen ist in der Denkform Casels der Schlüssel zu Christus selbst. Glaube unterwirft sich dabei die Ratio. Die Erkenntnis, dass das Christentum durch die Offenbarung Gottes ausgezeichnet ist, lässt ihn zur Schlussfolgerung gelangen, dass hier eine „Gottestat“, eine Handlung aus der Ewigkeit in der Zeit, existiert, deren Ziel aber in der Ewigkeit Gottes liegt. Das Christentum wird demnach als eine Gottestat verstanden, weil das Christentum als Offenbarung bzw. Handlung Gottes ausgewiesen ist. Schilson zeigt, dass Casel im Christentum zusätzlich zur Gottestat eine zweite άρχή (ein zweiter Urgrund) existieren sieht, nämlich in Christus selbst, was wiederum das Christentum vom antiken Mythos abgegrenzt, da nach Casels Ansicht eine einzige Urhandlung keine Identität stiften oder aufrechterhalten kann. So schließt sich logischerweise die Forderung an, nach einer möglichst intensiven Gemeinschaft mit dem zweiten Urgrund Christus zu suchen. Somit ist deutlich, dass diese Denkform das Christentum seinem Wesen nach als Christomonismus sieht.349 Der Glaube des Menschen eröffnet das Mysterium. Damit beginnt jedoch eine neue Anforderung an den Gläubigen: Nachfolge.

       2.4 Die Nachfolge Christi als Mysteriennachfolge

      Blicken wir auf eine Dimension des Christseins, nämlich auf die Möglichkeit zur innersten Teilhabe am Tun Jesu Christi. Diese innerste Teilhabe macht laut Casel den Menschen nicht zu einem Nachahmer, sondern zu einem wahren Mysten, einem Eingeweihten, der das Leben Christi mitlebt und mittut. Darin besteht die Mysteriennachfolge, wie sie Casel verstanden wissen will.350 Der Weg des Christen wird in der Weise gezeichnet, dass er durch das Kreuz hindurch gehen muss, um den alten, irdischen Mensch abzulegen. Der Mensch muss durch das Gleichbild des Todes Christi in der Taufe und im täglichen Kreuztragen ein neuer Mensch werden. Nur so kann der Mensch dem zum Vater erhöhten Herrn gleich werden. So erfolgt auch die Fähigkeit, das Pneuma Christi aufzunehmen, um so Christus zu erkennen. Die Erkenntnis Christi gestaltet den Menschen dem Herrn gleich. So werden die, die Christus erkannt haben, teilhabend an der Herrlichkeit Christi, zu Töchtern und Söhne Gottes. Die Grundlage dieses Prozesses ist letztlich das Pneuma, die Ostergabe Christi, die Gabe der göttlichen Agape. Casel weist gleichzeitig darauf hin, dass das Pneuma zugleich göttliche Person ist. So kommt dem Pneuma zweifache Dimension zu. Es ist Gabe, als österliche Gabe durch Tod und Auferstehung Christi, und zugleich auch Geber, als göttliche Person der Dreieinigkeit. Das bedeutet für die Gläubigen, dass sie wahrhaft bei Gott sind, weil das mitgeteilte Pneuma den Eintritt in die Ewigkeit Gottes ermöglicht, auch wenn der Mensch immer Geschöpf bleibt und Gott unterstellt ist in der Agape, die Gott wiederum selbst ist.351 Die Rolle des nachösterlichen Pneumas Christi müssen wir an dieser Stelle im Bezug auf das Verhältnis des Menschen zum Christusmysterium genauer betrachten, ohne hier schon in die dezidierte Ekklesiologie Casels vordringen zu wollen. Sie werden wir erst im folgenden, dritten Paragraphen behandeln. Zunächst aber soll es im Folgenden um das individuelle Verhältnis des gläubigen Menschen zu Christus gehen.

       2.5 Christusmysterium – Christusmystik – Christologie in Liturgie – Christusgnosis

      Beginnen wir nochmals beim Zentralbegriff der Caselschen Theologie schlechthin, dem Mysterium. Casel sieht im urchristlichen Begriff „Mysterium“ eine Lebenswirklichkeit ausgesagt, die den ganzen Menschen angeht und deren zentralste Verwirklichung sich schließlich im Kult zeigt. Die Christuserkenntnis soll nicht auf der Ebene des Rationalismus gesucht werden, wie es Casel den Neuscholastikern vorwirft, sondern mittels praktischer, d.h. kultischer Erfahrung, erfahren werden. Der Kultteilnehmer erlebt dort das Einverleibtwerden in göttliche Wahrheitssubstanz, ja das Hineingezogenwerden in Christus und so in Gott selbst. Casels Position der Gotteserkenntnis hat somit eine dreifache Ausfaltung. Zunächst ist Christus durch den Glauben anzuerkennen. Dann muss die im Glaubensgehorsam erlangte Wahrheit mittels Gebet und Studium der Schriften vertieft werden. Letztlich ergibt dieses ein lebendiges Hineinwachsen in eine immer inniger werdende Christusvereinigung bei gleichzeitiger wachsender Gnosis, Gnosis im oben schon dargelegten spezifischen Sinne Casels. Casels Weg lässt sich als ursprünglicher Weg einer Christus-Mystik charakterisieren, die wesentlich praktische Erkenntnis und Wissenschaft beinhaltet. Voraussetzung ist immer die Teilnahme am Kultmysterium. Diese Christus-Mystik ist nicht ein subjektives Vollziehen einer Mystik, sondern die Kirche bildet den Ort objektiver Mystik. Damit wird eine Trennung zu neuzeitlichen Mystikformen gezogen, die nach der Beziehung der Seele zu Gott fragen. Die Praxis des Glaubens und die Praxis des sakramentalen Lebens bilden den Rahmen der Caselschen Christus-Mystik, d.h. eine Art Christus-Vereinigung.352 Diesen Baustein in Casels Ansatz werden wir später in der Betrachtung der Ekklesiologie vertiefen. Hier zunächst nur die Feststellung: Das Sakrament ist der Ort, an dem diese wahre Begegnung und Angleichung an die sakramental repräsentierte Heilstat Christi vollzogen wird. Der Mensch wird als ganzer angesprochen und pneumatisch umgeprägt.353 Die Heilstat Christi, die hier genannt wird, verweist zugleich auf eine weitere Verknüpfung


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