Volk Gottes. Georg Bergner

Volk Gottes - Georg Bergner


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Hintergrund von Papst Franziskus

       9.2 Ekklesiologische Grundgedanken bei Papst Franziskus

       9.2.1 Unterscheidung, Kultur und Gegenkultur

       9.2.2 Die Kirche als Gemeinschaft

       9.2.3 Einheit in Vielfalt, Mission

       9.2.4 Zusammenfassung

      Auswertung

       Die wechselvolle Geschichte des Kirchenbegriffs „Volk Gottes“

       „Volk Gottes“ und die Frage nach der richtigen Konzilshermeneutik

       „Volk Gottes“ als Grundpfeiler einer integralen Ekklesiologie

      Literaturverzeichnis

       1. Lehramtliche und weitere kirchenoffizielle Quellen

       1.1 Konzilien, Päpste, Bischofssynoden, Römische Kurie

       1.2 Bischofskonferenzen, Nationale Synoden, Bischöfe, diözesane Verlautbarungen

       2. Literatur

       3. Archivmaterial „Bensberger Kreis“

       4. Abkürzungen

      Personenverzeichnis

      Einleitung

      Lohnt es sich, in der heutigen Zeit eine Arbeit über „Volk Gottes“ als ekklesiologische Leitmetapher zu schreiben? Die Anfrage ist berechtigt. Schließlich scheint es, als sei die große Zeit der „Volk Gottes“-Ekklesiologie, die in Deutschland mit dem kirchlichen Aufbruch nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verbunden wird, vorbei. Hatte nicht zudem in der Befreiungstheologie gerade die Rezeption des „Volk Gottes“-Begriffs Anlass zu harten Konfrontationen gegeben? War der Begriff ausgehend von der Außerordentlichen Bischofssynode von 1985 nicht von der ekklesiologischen Notion „communio“ abgelöst worden? In einer Studie zum „Volk Gottes“-Begriff kommt der italienische Dogmatiker Dario Vitali 2013 zu einem auf den ersten Blick überraschenden Ergebnis.1 Seiner Ansicht nach ist die wahre Bedeutung des Begriffs für die katholische Ekklesiologie noch nicht richtig in der systematischen Theologie angekommen: In der bisherigen Rezeption des Konzils habe die Betrachtung der Kirche als „Volk Gottes“ zu einseitig in Kontroversthemen wie „Amt und Charisma“ oder „Synodalität und Autorität“ stattgefunden und sich damit theologisch diskreditiert. Die mit dem Zweiten Vatikanum eingeleitete „kopernikanische Wende“ in der Ekklesiologie habe unter dem Eindruck der theologischen Streitigkeiten noch nicht zur Entfaltung kommen können. Erst jetzt, 50 Jahre nach dem Konzil, scheine die Zeit für eine Neubewertung des „Volk Gottes“-Begriffs gekommen zu sein.

      Die These Vitalis dient als Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung. Die Studie zum „Volk Gottes“-Begriff ist ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils. Sie orientiert sich an drei Fragen: 1. Wie kommt es, dass der „Volk Gottes“-Begriff auf dem Konzil eine so große Aufmerksamkeit erfahren hat und welche Aussageabsicht verbindet das Konzil mit ihm? 2. Welche Rezeption erfährt „Volk Gottes“ in den Jahrzehnten nach dem Konzil? 3. Welche Bedeutung kann der Begriff für die aktuelle und zukünftige kirchliche Entwicklung haben? Zur Beantwortung dieser Fragen ergeben sich für die Gliederung der vorliegenden Arbeit drei Hauptteile. Der erste Hauptteil beschreibt die geschichtliche und theologische Entwicklung von der Vor- zur unmittelbaren Nachkonzilszeit (1918 bis ca. 1970). Der zweite stellt exemplarisch drei kontrovers diskutierte Felder der „Volk Gottes“-Rezeption in der Nachkonzilszeit vor (1968 bis 2000). Der dritte Hauptteil fragt nach der Aktualität und den Perspektiven des Begriffs (1985 bis 2016).

      Die Untersuchung des „Volk Gottes“-Begriffs und seiner Rezeption erfolgt unter zwei Perspektiven: Zum ersten zeichnet die vorliegende Arbeit theologie- bzw. ideengeschichtlich die bisherige Entwicklung nach und verdeutlicht die Einbettung der verschiedenen mit dem „Volk Gottes“ verbundenen ekklesiologischen Ansätze im Kontext ihres gesellschaftlichen, theologischen und pastoral-praktischen Umfelds. Zum zweiten analysiert sie theologisch-systematisch die Verwendung des „Volk Gottes“-Begriffs in bedeutenden ekklesiologischen Gesamtentwürfen. Auf diese Weise werden neben den kontrovers diskutierten Themen, die sich in der nachträglichen Beurteilung häufig in den Vordergrund drängen, auch der große Reichtum und die große Fruchtbarkeit deutlich, welche die theologische Erschließung des Begriffs mit sich bringt. Unter diesen beiden Perspektiven sind die einzelnen Kapitel in der Regel so gestaltet, dass sie auf der einen Seite einen (theologie-) geschichtlichen Überblick zum jeweiligen Themenkomplex bieten, auf der anderen Seite exemplarisch ausgewählte ekklesiologische Entwürfe mit dem Fokus auf der Behandlung der „Volk Gottes“-Thematik vorstellen und auswerten. Dabei geht es nicht darum, die einzelnen Ansätze anhand eines vorher definierten Verständnisses des „Volk Gottes“-Begriffs zu überprüfen. Das gewählte Vorgehen ist weitgehend induktiv. Ein abschließendes Resümee am Ende der Arbeit wird versuchen, zentrale Aspekte der Rezeptionsgeschichte zu bündeln und einen Ausblick auf die von Vitali erhoffte zukünftige Bedeutung von „Volk Gottes“ zu eröffnen.

      Die einzelnen Hauptteile gliedern sich in jeweils drei inhaltliche Schwerpunkte, die in jeweils einem Kapitel untersucht werden. So stellt sich der inhaltliche Leitfaden der Arbeit wie folgt dar:

      Das erste Kapitel widmet sich der Vorgeschichte des Konzils. Es zeigt, wie sich der „Volk Gottes“-Begriff von verschiedenen Seiten in der ekklesiologischen Diskussion etabliert. Dies betrifft zum einen die systematische Ekklesiologie, die durch die Streitschrift des Dominikaners Mannes Koster einen entscheidenden Impuls für das Verständnis der Kirche als „Volk Gottes“ erhält (1.1).2 Nach dem Zweiten Weltkrieg setzt sich diese Bewegung fort und erfährt eine Vertiefung z.B. durch die patrologische Forschung, für die die Dissertationsschrift Joseph Ratzingers exemplarisch stehen kann (1.2). Zum zweiten bereitet das besonders im frankophonen Raum sichtbare Bemühen um eine „Theologie des Laikats“, das im römischen Laienkongress 1957 erste Früchte für die offizielle Lehre der Kirche zeigt, den Weg für die spätere Konzeption von „Lumen gentium“ (1.3). Abschließend geht das erste Kapitel kurz auf den Beitrag der Liturgischen Bewegung und im Besonderen der zentralen Idee der „participatio actuosa“ ein (1.4).

      Im zweiten Kapitel wird gezeigt, wie der „Volk Gottes“-Begriff durch die einzelnen Phasen der konziliaren Beratung hindurch seine zentrale Stellung in der Kirchenkonstitution erhält (2.1). Es schließen sich aus systematischer Perspektive Beobachtungen zur Verwendung des Begriffs, seinem Verhältnis zur Bestimmung der Kirche als „Sakrament“ und zur Rolle des zweiten Kapitels von „Lumen gentium“ im Zusammenhang des Gesamttextes an (2.2).

      Den Übergang von der Vor- zur Nachkonzilszeit dokumentiert das dritte Kapitel anhand der ekklesiologischen Entwürfe von Yves Congar (3.1), Karl Rahner (3.2) und Hans Küng (3.3). Alle drei Autoren haben sich bereits vor dem Konzil theologisch positioniert, nehmen z.T. maßgeblichen Einfluss auf das Entstehen der Kirchenkonstitution und weisen den Weg für zukünftige Spielarten der Rezeption des „Volk Gottes“-Begriffs. Die heilsgeschichtliche Sicht Congars wird sich als relevant für die Frage nach dem Verhältnis von Israel und Kirche (Kap. 6) und die Diskussion um den Begriff „communio“ (Kap. 7) erweisen. Rahners vom „Sakraments“-Verständnis geleiteter gnadentheologischer Impuls hat starken Einfluss auf die Befreiungstheologie (Kap. 5) und in Teilen auf die aktuellen pastoraltheologischen Positionen (Kap. 8). Küngs überwiegend vom kritischen Potential des „Volk Gottes“-Begriffs für eine strukturelle und ökumeförderliche Reform der Kirche ausgehende Ekklesiologie kommt insbesondere in den kirchenpolitischen Diskussionen der 1960er/70er Jahre zur Entfaltung (Kap. 4).

      Den letztgenannten, kirchenkritischen Impuls, der die Wahrnehmung des „Volk Gottes“-Begriffs im bundesdeutschen Kontext über Jahrzehnte prägen wird, verdeutlicht das vierte Kapitel am Beispiel der Debatte um die „Demokratisierung“ der Kirche. Als zentrales Dokument wird dabei das Memorandum des Bensberger Kreises von 1970 vorgestellt (4.2.2).

      Die mit 1968 beginnende Geschichte der lateinamerikanischen Befreiungstheologie


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