Von der Formel zum Sein. Raymond Jahae
unbefriedigend bleibt, als es das Gute nicht ist und einen immer mehr als das jeweils Erreichte verlangen läßt. Rein menschliche Liebe hat in sich selbst Sinn, entbehrt aber der Aussicht auf die Unsterblichkeit und das vollkommene Glück des Geliebten, und hat damit etwas Unbefriedigendes.
52 Zum Verhältnis zwischen Platonismus und Christentum, cf. PEPERZAK, Quest, S. 48-72.
53 Siehe LOHFINK, Gemeinde, S. 28-31, 78-86, 154-170, 196-203; ID., Kirche, S. 37-59.
54 Die Entfaltung des biblischen Offenbarungsbegriffs ist inspiriert von ROMBACH, Welt und Gegenwelt, S. 22-26; vgl. BARTHELEMY, Pauvre, S. 97-106.
55 In der Enzyklika Spe salvi schreibt Papst Benedikt XVI.: „das Evangelium ist nicht nur eine Mitteilung von Dingen, die man nicht wissen kann, sondern eine Kommunikation, die Tatsachen schafft und das Leben verändert. Die dunkle Tür der Zeit, der Zukunft, ist geöffnet. Wer Hoffnung hat, lebt anders; ihm ist neues Leben gegeben“ (zitiert von BAGNASCO, Saluto, S. 18-19).
56 Siehe KASPER, Gott, S. 160.
57 Siehe dazu und zum folgenden den Überblick bei L. Ladaria in SESBOÜE (ed.), Histoire II, S. 89-147.
58 Nach ziemlich verbreiteter Auffassung taucht der Monotheismus im strikten Sinne des Wortes – das Bekenntnis, daß es nur einen Gott gibt, und daß, was immer auch als eine Gottheit neben Ihm angebetet werden mag, wenn es überhaupt etwas ist, kein Gott ist – spät innerhalb der Geschichte Israels auf. Viele Forscher sagen, daß in vor dem Exil des Volkes Juda in Babylon (6. Jahrhundert v.Chr.) entstandenen Texten nicht ausdrücklich geleugnet wird, daß es andere Götter als Jahwe gibt. Dem Monotheismus wäre eine Phase der Monolatrie oder des Henotheismus – eine Phase, in der die Existenz mehrerer Götter nicht geleugnet, aber nur Jahwe wirklich verehrt wurde, bzw. andere Götter als Ihm unterlegen betrachtet wurden – vorausgegangen, und die Königreiche Israel und Juda seien im Grunde über eine längere Zeit polytheistisch gewesen. Die durchgehende Verurteilung der Verehrung von anderen Göttern als Jahwe im Alten Testament wird oft gesehen als das Werk von Autoren aus der Zeit während des Exils in Babylonien oder nach ihm. Sie hätten das Exil als eine Strafe für die Verehrung von anderen Göttern als Jahwe in Israel und Juda erklärt. Da wir hauptsächlich insofern am Judentum interessiert sind, als es eine Rückwirkung aufs Christentum gehabt hat, und nicht sinnvoll bestritten werden kann, daß das Judentum zur Zeit Jesu strikt monotheistisch war, ist das Problem der historischen Ursprünge des jüdischen Monotheismus für uns nicht wesentlich. Dennoch sei eine knappe Problemskizze gegeben: Unserer Ansicht nach ist der Unterschied zwischen Monotheismus, Henotheismus und Monolatrie bloß ideell. Die Selbstbegrenzung auf die Verehrung eines einzigen Gottes ist logisch nicht mit der Bejahung der Existenz mehrerer Götter vereinbar. Wer die Existenz mehrerer Götter bejaht, aber nur einen einzigen Gott anbetet, hat offenbar einen schillernden Gottesbegriff. Einer, der so handelt, betrachtet nur den Gott, den er verehrt, als eine Gottheit im wahren Sinne des Wortes – als die Macht, die das eigene Geschick wie auch das Geschick der Welt und der Menschen bestimmt –, und betrachtet die anderen Götter insofern nicht als echte Götter, als er sie als dem Gott, den er verehrt, unterworfen betrachtet. Implizit bejaht er die Existenz eines einzigen Gottes. Daß in den Königreichen Israel und Judah andere Götter als Jahwe neben Ihm oder statt Seiner verehrt wurden, wird im Alten Testament nicht verheimlicht, sondern offen zugegeben – als eine Praktik, die es verurteilt. Es scheint, daß der Polytheismus für viele in Israel und Juda akzeptabel war, und mehrere Könige heidnische Praktiken nicht nur duldeten, sondern sogar förderten. Nichts aber berechtigt zur Annahme, daß damals in Israel und Juda noch niemand im Namen des Glaubens an Jahwe die Verehrung anderer Götter neben Ihm oder sogar statt Seiner verurteilt hätte. Wenn das Exil als Strafe für die Verehrung anderer Götter als Jahwe aufgefaßt wurde, bedeutet das tatsächlich, daß in Israel und Juda bereits vor dem Exil der Glaube an Jahwe verbunden war mit der Aufforderung, Jahwe allein und keinen anderen zu verehren. Die alttestamentlichen Texte deuten in der Tat an, daß diese Verbindung bereits in vorexilischer Zeit bestand. Der Prophet Osee betrachtet – wie sein ruhmreicher Vorgänger Elias – die Verehrung anderer Götter als Jahwe in Israel als Untreue des Volkes gegenüber Ihm und dem Bund mit Ihm. Die Propheten Isaias und Jeremias fordern die Könige Judas dazu auf, ihre Hoffnung einzig und allein auf Jahwe zu setzen. Es scheint nicht sinnvoll, in den betroffenen Texten – die, was ihren Inhalt angeht, als paradigmatisch fürs ganze Alte Testament gelten können – nur Henotheismus oder Monolatrie und keinen Monotheismus zu vermuten, da die fraglichen Propheten Jahwe allein reale Macht über Welt und Geschichte zugestehen und somit nur Ihn als Gott im wahren Sinne des Wortes betrachten. Die Texte zeigen auch, daß die Propheten voraussetzen, daß ihre Gesprächspartner sich dessen bewußt sind, daß Jahwe der einzige wahre Gott ist. Alles weist somit darauf hin, daß der Glaube an Jahwe bereits vor dem Exil in Babylonien monotheistisch war, auch wenn der Monotheismus zu jener Zeit noch nicht von allen akzeptiert oder gelebt wurde. Wir sehen außerdem keinen Grund, daran zu zweifeln, daß der Monotheismus in Kanaan von der Gruppe um Mose eingeführt wurde und letztlich auf Offenbarungen an verschiedene Personen, besonders Abraham und Mose, beruhte; denn die alternativen Erklärungen der Geburt des monotheistischen Glaubens an Jahwe und seiner Entwicklung in Israel und Juda sind nicht überzeugend, sondern höchst hypothetisch und unsicher. SCHARBERT, Jahwe, S. 170-171, 179, 181-183, zeigt, daß es den strikt monotheistischen Glauben an Jahwe bereits vor der Monarchie gab. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Gruppe, die Mose in Kanaan führte, den dort verehrten Gott El mit dem Gott Jahwe, den sie selbst anbetete, identifizierte oder Ihm Züge Els und möglicherweise anderer kanaanitischer Götter zuschrieb. Dieser Prozeß wird kaum eine modifizierende Rückwirkung auf den Glauben an Jahwe selbst gehabt haben. Es scheint, daß, wenn im Rahmen dieses Glaubens die Anerkennung der Existenz von anderen Göttern als Jahwe jemals möglich gewesen ist, es sich dabei kaum um eine echte Anfechtung des Monotheismus gehandelt haben kann, denn nichts weist darauf hin, daß im erwähnten Rahmen die fraglichen Götter jemals als Jahwe mehr oder weniger ähnlich und ebenbürtig aufgefaßt wurden. Sie wurden nicht als Götter im eigentlichen Sinne des Wortes verstanden. Die Tatsache, daß in den Königreichen Israel und Juda – bzw. von vielen in ihnen – andere Götter als Jahwe und möglicherweise zusammen mit Ihm verehrt wurden, bedeutet nicht, daß der Glaube an Jahwe als solcher jemals die Anerkennung der Existenz von anderen Göttern als Jahwe und die Möglichkeit der Verehrung der fraglichen Götter als Ihm mehr oder weniger ähnlich und ebenbürtig implizierte oder tolerierte, sondern nur, daß die ausschließliche Verehrung des einen und einzigen Gottes Jahwe Israel nicht leicht fiel.
59 Siehe OVERHAGE/RAHNER, Problem, S. 55-78.
60 Siehe GESCHE, Dieu I, S. 15-44.
61 Die zweite Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, das Wort, hat menschliches Fleisch angenommen in Jesu von Nazareth. In Ihm ist das Wort Mensch geworden. Aus verschiedenen Gründen aber kann selbst der Mensch Jesus nicht einfach mit Gott identifiziert werden. Erstens ist das in Jesu fleischgewordene Wort in uneingeschränktem Sinne der Träger der göttlichen Natur, aber trotz der vollkommenen Einheit der göttlichen Personen erschöpft sich die Allerheiligste Dreifaltigkeit nicht in der zweiten Person, der Person des Wortes oder des Sohnes (vgl. z.B. Mt. 11,25-27). Zweitens fällt das Wort nicht zusammen mit der historischen Gestalt Jesu von Nazareth. Denn das Wort ist vor der Fleischwerdung, und trotz der Einheit zwischen der göttlichen und der menschlichen Natur im fleischgewordenen Wort wird der Unterschied zwischen den Naturen durch die Inkarnation nicht aufgelöst. – Es dürfte besser sein, zu sagen, daß in Jesu Gott – genauer: die zweite Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit – die menschliche Natur angenommen hat, als zu sagen, daß der Mensch Jesus Gott ist. Denn letzterer Ausdruck könnte suggerieren, daß das Menschsein Jesu Seine Göttlichkeit trägt und umfaßt, aber nach der doktrinären und theologischen Tradition der Kirche ist es die Person des Wortes, die die zwei Naturen des Gottmenschen trägt. Logisch und ontologisch wird man der Tradition zustimmen müssen; die Vorstellung, daß ein Mensch aus sich selbst heraus in der Lage wäre, die göttliche Natur zu tragen, ist logisch und ontologisch absurd und widerspricht der hl. Schrift.
62 Siehe GRESHAKE, Freiheit, S. 41-44; ID., Erlöst, S. 13-17.
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