Die Idee des lebendigen Gottes. Ralph Poirel

Die Idee des lebendigen Gottes - Ralph Poirel


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Dieringer entschied sich dieses fehlende Buch selbst zu schreiben und dabei im Wesentlichen auf die Literatur der Kirchenväter zu rekurrieren. Vollenden konnte er den zweiten Band bereits als „Professor der Theologie am Bischöflichen Clerical-Seminar zu Speyer“31.

      1.2.3 Professor in Speyer

      War ihm die Einbürgerung in Baden und damit auch die Professur aufgrund seiner Schriften durch die badische Regierung verwährt worden, so hatten dieselben Schriften den Bischof von Speyer, Johannes von Geissel, dazu bewegt, Dieringer eine Professur für Dogmatik, Liturgik und Homiletik in seinem gerade gegründeten Priesterseminar anzubieten.32 Seinen Abschied von Freiburg hatte ihm die badische Landesregierung in einem Schreiben vom 8. März 1839 bereits nahe gelegt33 und dieser wird ihm auch wegen der innerkirchlichen Flügelkämpfe, die bis ins Seminar reichten,34 nicht schwergefallen sein.35 Da der Briefwechsel zwischen Dieringer und Bischof Geissel in dieser Sache erst im Sommer 1840 erfolgte36, wird Dieringer wohl zum Herbst 1840 nach Speyer gegangen sein, wo er nur wenige Jahre bis 1843 wirkte.37 Im Jahr 1841 übernimmt Dieringer zusätzlich zu seiner Professur am Seminar noch eine Dozentur für Philosophie am Lyceum, einem Knabenseminar zur Vorbereitung auf das Theologiestudium.38 Im selben Jahr wird ihm durch die Universität München für das bereits erwähnte zweibändige Werk „System der göttlichen Thaten des Christenthums“ der Doktor der Theologie honoris causa verliehen.39

      1.2.3.1 Die Freundschaft zu Johannes von Geissel

      Die kurze Zeit in Speyer ist für Dieringers weitere akademische Laufbahn als auch für sein kirchenpolitisches Engagement von nicht geringer Bedeutung. Mit der Annahme des Rufes nach Speyer zu Geissel beginnt eine bis zum Lebensende Geissels anhaltende enge berufliche Verbindung und persönliche Freundschaft zu diesem Bischof und späteren Kardinal.40 Seine Beziehung zu Geissel ist dabei von einem großen Vertrauen des Bischofs geprägt, das dieser ansonsten nur wenigen Menschen in seinem Umfeld schenkte.41 Geissel wird am 24. September 1841 von Papst Gregor XVI. zum Koadjutor-Erzbischof und Apostolischem Administrator von Köln ernannt.42 Erzbischof Clemens August Freiherr von Droste zu Vischering war infolge der sogenannten „Kölner Wirren“ (1837) zunächst verhaftet worden und lebte seit seiner Freilassung 1839 gleichsam exiliert in Münster. Geissel, der sein Koadjutoren-Amt erst 1842 antritt,43 wird sowohl innerkirchlich, als auch im Verhältnis zum Staat andere Wege als sein Vorgänger gehen. Dazu wird er auch in Köln erneut auf Dieringer zurückgreifen.

      1.2.3.2 Chefredakteur der Mainzer Zeitschrift „Katholik“

      Zunächst aber übernimmt Dieringer im Jahr 1842 zusätzlich zu seiner Lehrtätigkeit die redaktionelle Leitung der Zeitschrift „Katholik“, die zunächst 1821 in Mainz gegründet worden war, dann aber von der hessischen Regierung ins bayrische Speyer verdrängt wurde.44 Der Leiter und Gründungsredakteur des „Katholik“ Nikolaus von Weis wurde 1842 Nachfolger Geissels als Bischof von Speyer.45 Dieringer tritt damit an die Spitze eines der bedeutendsten katholischen Kirchenblätter im deutschsprachigen Raum. „Alles, was Rang und Namen im katholischen Deutschland besaß, beteiligte sich und verlieh diesem Blatte klassisches Profil.“46 Dieringer befindet sich somit nur gut ein Jahr nach seinem Wechsel nach Speyer in der Position, gemeinsam mit renommierten Autoren, wie Möhler, Sailer, Döllinger, den Gebrüdern Brentano oder Görres47 zu veröffentlichen und sich so einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Der „Katholik“ zeichnet sich dabei als eher kirchpolitisches Blatt und weniger als theologische Fachzeitschrift aus.48 Alle Mitarbeiter des Blattes sind durch eine strengkirchliche, aufklärungsfeindliche und konservative Grundanschauung in kirchlichen und politischen Fragen geprägt und verbinden diese mit einer „schroffen Ablehnung jedes Staatskirchentums – unter Einforderung des eigenen Besitzstandes nach dem kanonischen Recht“.49 Diese Haltung war auch die Position Dieringers, wie sich in den Freiburger Auseinandersetzungen um seine Staatsbürgerschaft zeigt. Die Tatsache, dass Geissel, der sich ebenfalls unter den Autoren des „Katholik“ findet, und Weis, der einer der Gründungsredakteure des „Katholik“ war und nun neuer Bischof von Speyer ist, ihn in diese Position befördern, weist Dieringer eindeutig diesem ultramontanen Personenkreis zu. Dieringer sammelt somit in Speyer zunächst weitere Lehrerfahrung, erhält aber insbesondere in der einjährigen Leitung des „Katholik“ Einblick in die journalistische Arbeit der katholischen Kirchenblätter seiner Zeit und zudem Kontakt zu den führenden Köpfen des deutschen politischen Katholizismus. Mit Blick auf die gesamte Biographie Dieringers kann man wohl den Wechsel nach Speyer als die wesentliche Entscheidung im Lebensweg Dieringers bezeichnen. Es ist zum einen die dort beginnende Freundschaft mit Geissel, die von bestimmender Bedeutung werden wird für seinen weiteren Weg, aber auch der Einstieg in den Journalismus und die dazu nötige Fähigkeit der Reduktion und Vereinfachung theologischer Themen für die Rezeption in weiten Kreisen der (theologisch) ungebildeten katholischen Bevölkerung, die er nicht mehr wieder aufgeben wird.50

      1.2.4 Professor und Domkapitular im Erzbistum Köln

      Geissel erwirkt noch vor Übernahme seines neuen Amtes gegenüber der Preußischen Regierung, dass ihm das Recht der missio canonica für die Theologieprofessoren und Religionslehrer zugestanden wird. Aufgrund seiner Kompromissbereitschaft in anderen Fragen kommt man ihm entgegen, um das zerrüttete Verhältnis zur Katholischen Kirche in Köln wieder zu normalisieren.51 Geissel stellt damit bereits im Vorfeld seines Amtsbeginns den formellen Frieden mit der Landesregierung her und erhält zugleich die Mittel in die Hand, um intern gegen die Anhänger der Lehren Georg Hermes’ vorzugehen, die 1835 durch Rom verurteilt worden waren.

      1.2.4.1 Die Restrukturierung der Bonner Katholisch-Theologischen Fakultät

      Die Bonner Professoren Johann Heinrich Achterfeldt (Moraltheologie) und Johann Wilhelm Braun (Kirchengeschichte) gehörten in der Fakultät zu Anhängern und Verteidigern der hermesianischen Theologie.52 Geissel entzieht ihnen die kirchliche Lehrerlaubnis (missio canonica) und erhält damit freie Hand, die Bonner Fakultät mit ihm genehmen Theologen zu besetzen.53 In diesem Zusammenhang schlägt er der Regierung Dr. Dieringer für die Dogmatik vor, den diese umgehend akzeptiert.54 Dieringer zieht Ostern 1843 nach Bonn und wird dort mit 32 Jahren zum Ordinarius für Dogmatik und Homiletik.55 Da es zunächst für Achterfeldt keinen Nachfolger gibt, liest Dieringer bis 1844 zudem noch Moraltheologie. Eine weitere Lücke entsteht in Bonn durch die Suspendierung Achterfelds in der Leitung des Theologenkonvikts, so dass Dieringer auch diese schwierige Aufgabe durch den Erzbischof übertragen bekommt. Achterfeldt hatte sich zunächst mit Erfolg aufgrund der nicht eindeutigen Rechtslage des Konvikts als halbstaatlicher Einrichtung geweigert, sein Amt niederzulegen. Das Seminar, das wenige Jahre später unter Scheeben ein Hort der Neuscholastik werden sollte, war noch im Jahr 1843 dermaßen vom Hermesianismus geprägt, dass es deutlichen Widerstand auch unter den Seminaristen gegen Dieringer gab, der bis zu öffentlichen Angriffen gegen ihn in der Presse führte.56 Dieringer reagierte darauf nicht und führte auch keine direkten Angriffe gegen Hermes, sondern setzte seine Theologie in Predigt und Lehre dagegen.57 Auch dies ist ein Beweis für das Vertrauen Geissels in die rechte Gesinnung Dieringers. Als im Herbst 1844 Konrad Martin an die Bonner Katholisch-Theologische Fakultät berufen wird, tritt Dieringer beide Aufgaben wieder ab.58 Im Sommersemester 1843 beginnt Dieringer seine dogmatischen Vorlesungen mit der „Theorie der Offenbarung“ und setzt damit sofort ein Zeichen, dass nunmehr nach der Zeit des Hermesianismus die positive Theologie in Bonn Einzug hält, und damit auf eine dezidierte Aufklärungstheologie eine wesentliche Offenbarungstheologie folgt.59 Dieser Wechsel stellt wohl nicht nur eine theologische oder methodische Richtungsänderung dar. Der Zuspruch, den Dieringer mit seiner Theologie in Bonn erfährt, spricht auch dafür, dass die kirchlich gesinnten Akademiker nach einer Theologie suchten, die weniger


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