Gefallener Mond. Ruth Schneeeberger

Gefallener Mond - Ruth Schneeeberger


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ich das mit einundzwanzig schon sein?«

      Anna schüttelte lächelnd den Kopf und griff nach dem Foto auf Mimis Schreibtisch. »Dein Traummann ist zu alt für dich.«

      »Vierzig ist kein Alter«, sagte Mimi, setzte sich im Schneidersitz auf den Schreibtisch und zündete sich eine selbst gedrehte Zigarette an.

      »Wie viele Exfrauen und Kinder hat er?«

      »Zwei und zwei«, antwortete Mimi, nahm Anna das Foto ab und stellte es auf den Schreibtisch zurück.

      Anna griff im Gegenzug nach Mimis Zigarette und drückte sie aus. »Ich dachte, du wärst reifer geworden. Glaubst du, meine Nase ist komplett verstopft?«

      »Ein Joint schließt Reife auf anderen Gebieten nicht aus«, sagte Mimi.

      »Willst du mich provozieren?«

      »Pure Gewohnheit«, sagte Mimi und wühlte zwischen leeren Pappbechern und bedruckten Blättern, die verdächtig nach Rechnungen aussahen, bis sie eine verdrückte Packung Zigaretten gefunden hatte. »Was verschlägt dich zu mir?«

      »Mein schlechtes Gewissen.«

      »Seit wann besitzt du so etwas?« Mimi schnippte Asche in einen Pappbecher. »Wir sind nicht bei Gericht, hier brauchst du nicht zu bluffen. Was kann ich tun?«

      »Kannst du für heute Schluss machen?«

      »Willst du mit mir die Nacht durchtanzen?«

      »Ich brauche deine Hilfe.«

      »Seit wann kannst du dir nicht selbst helfen?«, fragte Mimi und drückte die Zigarette aus. »Was bekomme ich dafür?«

      »Was sollen diese Spielchen?«

      »Glaubst du, ich hätte auf der Straße überlebt, wenn ich mir nicht jeden Gefallen teuer hätte bezahlen lassen?«

      »Du lebst nicht mehr auf der Straße.«

      »Manchmal bereue ich meinen Schritt. Es war eine coole Zeit.«

      »Du kannst jederzeit zurückkehren«, sagte Anna, »aber ich helfe dir kein zweites Mal heraus.«

      Mimi schüttelte sich vor Lachen und sprang vom Tisch. »Ich wäre reif für den Gerichtssaal. Mimi, die Anwältin. Bluffen könnte ich ausgezeichnet.« Sie nahm Annas Oberarme und drückte sie sanft. »Du weißt, dass ich alles für dich täte.«

      »Jemand ist mir gefolgt.«

      »Warum?«, fragte Mimi, »und wer?«

      Anna zuckte mit den Schultern.

      »Macht dir dein Verfolger Angst?«

      Anna schüttelte den Kopf. »Ich mag es nicht, wenn ich Situationen nicht analysieren kann.«

      »Jetzt bluffst du schon wieder.«

      »Warum sollte ich?«

      Mimi schüttelte den Kopf. »Manchmal glaube ich, dich zu kennen, um im nächsten Moment vor Augen geführt zu bekommen, dass ich das ebenso wenig tue wie irgendjemand sonst. Trotzdem machst du nichts ohne Grund. Warum bist du tatsächlich gekommen?«

      »Du bist mir noch einen Gefallen schuldig«, sagte Anna.

      »Einen?«, fragte Mimi lächelnd. »Eher tausend. Hilft dir das Kennzeichen?«

      »Natürlich«, antwortete Anna.

      »Vielleicht wartet dein Schatten in der Nähe. Was für ein Wagen war es?«

      »Ich tippe auf Touareg.«

      »Ich werde jemanden losschicken«, sagte Mimi, »vielleicht ist dein Verfolger so unvorsichtig und parkt in der Nähe. Ein Wort von mir und einer unserer Aufpasser nimmt sich deinen Stalker zur Brust. Wenn er ein wenig nachhilft, weiß ich noch heute Nacht seinen Namen.«

      »Ich arbeite nicht mit solchen Mitteln.«

      »Auch Anwälte überschreiten Grenzen. Der einzige Unterschied zwischen euch Rechtsverdrehern und uns Sterblichen ist doch, dass ihr immer wisst, wann ihr sie überschreitet.«

      »Das ist nicht meine Art, Probleme zu lösen.«

      »Manchmal ist es aber einfacher, ein wenig nachzuhelfen.«

      »Da gebe ich dir Recht. Aber vorerst muss ich lediglich wissen, ob mir tatsächlich jemand folgt.«

      »Und wie willst du das anstellen?«

      »Warum bin ich wohl ausgerechnet zu dir gekommen?«, fragte Anna.

      Mimi grinste. »Ich soll wieder einmal Anna spielen?«

      Anna nickte.

      »Was hättest du gemacht, wenn ich mir die Haare abgeschnitten und zwanzig Kilo zugenommen hätte?«, fragte Mimi, »wir haben uns seit einem halben Jahr nicht gesehen.«

      »Ich hätte eine andere Lösung gefunden.«

      »Führst du andere gerne hinters Licht?«

      »Von Zeit zu Zeit greifen wir Anwälte auf Blendung und Täuschung zurück, um unsere Ziele zu erreichen.«

      Mimi runzelte die Stirn. »Von Zeit zu Zeit?«

      »Welche Vorstellung hast du von meinem Beruf?«

      »Du hast mir ein ziemlich klares Bild vermittelt«, sagte Mimi, »wo steht dein Auto?«

      »Halte dich links, keine hundert Meter entfernt.«

      »Fährst du noch immer die alte Schüssel?«

      »Ein Auto muss nicht mehr als fahren.«

      Mimi schüttelte den Kopf. »Wenn Alex zu alt für mich ist, ist dein Albtraumauto zu alt für dich. Was außer deiner Arbeit hat für dich einen Stellenwert?«

      »Ist das nicht genug?«

      Mimi verdrehte die Augen. »Life is fun, echt.«

      »Nicht immer und nicht für jeden.«

      »Die Jahre auf der Straße waren wirklich scheiße und sonst gar nichts. Dank dir habe ich es geschafft, von dort wegzukommen. Wie vielen außer mir hast du schon geholfen? Du hättest dir ab und zu ein wenig Spaß verdient.«

      »Auch Arbeit kann Spaß machen.«

      »Aber doch nicht deine«, sagte Mimi und zündete sich die nächste Zigarette an. »Auch ich liebe das Tel Aviv. Aber manchmal finde ich die Typen, die hier aufkreuzen, einfach nur zum Kotzen. Vor allem, wenn ich sie morgens um vier betrunken aus dem Lokal schleppen muss.«

      Anna warf einen Blick auf ihre Uhr. »Ich bin schon zu lange weg. Nimm einen letzten Drink an der Bar. Dann setz dich in mein Auto und fahr zu dir. Ich nehme den Hinterausgang und deinen Wagen. Ich hole mein Auto morgen mit dem Taxi. Versteck die Schlüssel am gewohnten Ort. Du weißt, wie du in meine Garage kommst.«

      »Du willst offenbar um jeden Preis verhindern, dass dein Verfolger weiß, wo du wohnst«, stellte Mimi fest.

      »Nach wie vor ist meine Wohnung für viele meiner Klientinnen der einzig sichere Ort. Solange ich nicht weiß, warum mir jemand folgt und wer es ist, gehe ich kein Risiko ein.«

      Mimi nickte. »Gut, dass sich unsere Fahrweisen nicht gleichen. Bis ich bei meiner Wohnung bin, habe ich deinen Verfolger längst abgeschüttelt.«

      »Ich weiß«, antwortete Anna lächelnd, »ein weiterer Grund, genau dich um Hilfe zu bitten.«

      Mimi grinste und zog ihr rückenfreies Shirt über den Kopf.

      »Ich habe ein Tonic bestellt. Dein zukünftiger Nachbar hat schon ein paar Bier intus«, sagte Anna.

      »Glaubst du, da draußen passiert etwas, ohne dass ich es weiß?«

      »Du solltest ihn nicht mehr warten lassen«, sagte Anna. »Wir sind übrigens schon per Du.«

      »Widerlich«, sagte Mimi.

      »Aufdringlich trifft es


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