Böse Heiler. Ashish Bhalla
Art von Scharlatanen negative Rückmeldungen von ihren Patienten. Wer nimmt schon die Zeit und Mühe auf sich, so einem Heiler extra noch zu sagen, dass seine Empfehlungen nichts gebracht haben? Und wer ist sich sicher genug, dass es nicht an ihm selbst liegt? Erst mit den Jahren bekommen diese an falscher Selbsteinschätzung leidenden Heiler mit, dass ihre Kompetenz, wenn davon überhaupt die Rede sein kann, da oder dort nicht gereicht hat.
Das größte Problem dabei: Mangels fundierter Ausbildung erkennen viele Alternativmediziner die Anzeichen für schwere und chronische Krankheiten nicht. Viele wissen nicht, wie unterschiedlich die gleiche Behandlung auf verschiedene Patienten wirken kann und welche negativen Folgen sie erzielen können. Dabei kommt es nur deswegen nicht häufiger zu Katastrophen, weil die meisten Patienten, die sich eine alternativmedizinische Behandlung leisten, relativ gesund sind. Aber wehe, wenn kranke Menschen an die falschen Alternativmediziner geraten.
Christian und ich bekommen mit den Auswirkungen dieses Mangels an medizinischer Kompetenz zu tun, wenn die Patienten der Scharlatane ihren Weg in unsere Praxen finden. Zu Christian kommen sie, weil er sowohl Yoga-Experte als auch akademischer Gesundheitswissenschaftler ist und seit mehr als drei Jahrzehnten Schulungsprogramme im integrativen Gesundheitsbereich durchführt. Zu mir kommen sie, weil ich sowohl Arzt als auch medizinischer Ayurveda-Spezialist bin. Unsere Tätigkeiten in den Praxen im oberösterreichischen Sattledt sowie in der Außenstelle in Salzburg liegen genau an der Schnittstelle zwischen Schul- und Alternativmedizin, zwischen Wissenschaft und dem teils jahrtausendealten Erfahrungswissen, das (noch) nicht wissenschaftlich erfasst werden kann. Zu dieser Schnittstelle, an der wir mit wissenschaftlichem Anspruch arbeiten, zieht es Patienten, die sich von der Alternativmedizin zu Recht etwas versprechen, in ihrem Dschungel aber zu Schaden gekommen sind. Die nicht geheilt wurden, und nicht nur das. Die an Heiler geraten sind, die zur Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes beigetragen haben.
Christian und ich kooperieren seit 2010. Anfangs hatten wir Fälle von offensichtlicher Scharlatanerie nur vereinzelt. Mittlerweile vergeht für uns kaum ein Arbeitstag, an dem dieses Problem nicht deutlich wird. Die Patienten erzählen uns nicht immer, bei wem sie waren. Aber sie erzählen mir im Rahmen des Anamnesegesprächs stets genau, wie sie behandelt wurden. Was das bei ihnen bewirkt hat, zeigen wir im Folgenden auch anhand vieler dramatischer Fälle.
Nun werden Sie vielleicht denken: Im Gesundheitswesen aller Epochen gab es falsche Heiler. Letztlich sei jeder selbst schuld, der naiv genug ist, nicht ausschließlich auf den sicheren Pfaden der klassischen Medizin zu bleiben. Es sei auch eine Frage der Menschenkenntnis, die guten von den bösen Heilern zu unterscheiden. Wenn Sie so denken, liegen Sie falsch. Denn jeder Mensch kann in seinem Leben an den Punkt kommen, an dem er mit Unbehagen feststellt, dass ihm die Schulmedizin nicht richtig hilft. Das darf ich Ihnen als überzeugter Schulmediziner sagen und Christian als einschlägig erfahrener Gesundheitswissenschaftler. Vor allem bei chronischen Leiden, die in unserer Zeit stark zunehmen, kann das passieren. Die Schulmedizin hat nicht für alles ein Rezept.
Das wissen die Schulmediziner selbst am besten. Nicht umsonst waren die Besucher meiner ersten eigenen Praxis als medizinischer Ayurveda-Spezialist vor allem Schulmediziner. Es waren vor allem sie, die ab 2006 aus ganz Österreich zu mir kamen. Viele hatte ich während meiner Tätigkeit in diversen Spitälern als Kollegen kennengelernt, sie alle kannten die Grenzen der Schulmedizin und hatten die berechtigte Hoffnung, dass Ayurveda, das indische Wissen vom Leben, etwas zu bieten hat, das ihnen vor allem bei diversen stressbedingten Symptomen hilft. Auch die Traditionelle Chinesische Medizin und die Traditionelle Europäische Medizin haben dazu viel beizutragen.
Wenn ein chronisches Leiden einen Patienten andauernd quält, führt derzeit an kompetenter Alternativmedizin kein guter Weg vorbei. Immer mehr Menschen setzen sich deshalb mit Alternativmedizin auseinander. Kaum eine Krankheit, kaum ein Leiden, bei dem Freunde und Verwandte nicht einen Alternativmediziner vorschlagen können, von dem sie natürlich nur das Beste gehört haben.
Was tun Sie also, wenn Ihnen die Schulmedizin nichts bringt? Auf Ihre Menschenkenntnis vertrauen und beten, dass der Heiler, auf den Sie Ihre Hoffnungen setzen, kein Scharlatan ist? Wie finden Sie in Ihrer Not einen kompetenten Heiler, der alternativ oder ergänzend zur Schulmedizin etwas anbieten kann, das Ihnen hilft? Der Ihnen Sicherheit gibt? Denn wer braucht zu einer chronischen Krankheit auch noch die Verunsicherung, dass sein Heiler vielleicht ein Scharlatan ist?
Genau diese Sicherheit geht uns allen in der Alternativmedizin zunehmend verloren. Denn das Problem mit den Scharlatanen wächst. Das hören Christian und ich auch in unseren Gesprächen mit Kollegen sowohl in der Schul- als auch in der Alternativmedizin. Ebenso hören wir es von den Teilnehmern unserer gemeinsamen Seminare, Workshops und Vorträge. Im Bereich der Alternativmedizin läuft derzeit etwas gründlich schief.
Sie ist tatsächlich ein Dschungel geworden, ein Urwald aus Heilungsversprechen. Da gibt es Schulmediziner, die sich alternativmedizinischer Methoden bedienen, es gibt Geistheiler, Nahrungsergänzungsmittelverkäufer, Bioresonanz-Therapeuten, Heilmasseure, Schamanen, Aromatherapeuten, Ernährungsberater und noch viele andere mehr. Es gibt chinesische, indische, japanische, europäische und amerikanische Heiltraditionen. Es gibt Watsu, Holistic Pulsing, Lomi-Lomi-Massage und die Methode nach Dr. Soundso. Ständig werden neue Therapien mit klingenden Namen erfunden.
In dieser rasant wachsenden Unübersichtlichkeit sind die kompetenten Alternativmediziner schwer zu finden. Auch deshalb, weil die Bedürfnisse so vielfältig sind wie die Menschen selbst. Was manchen Patienten hilft, ist vielleicht für andere schädlich. Manche brauchen zur Genesung tatsächlich nur einfühlsamen Zuspruch, die Wärme sanfter Berührungen und den Glauben an die Wirkung einer Placebo-Behandlung. Andere wiederum brauchen dringend eine Umstellung ihres Lebensstils, ihrer Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten. Wieder andere brauchen Kräuter zur Stärkung ihres Immunsystems und mancher Organe. Auch Tiefenentspannung, die viele Menschen durch Wellness oder in der Meditation finden, entfaltet nachgewiesenermaßen heilende Wirkung.
Dazu kommt dann noch die Frage, was bei wem wie wirkt. Tiefenentspannung zum Beispiel kommt nicht bei allen Patienten gleich zustande. Manche versetzt die Vorstellung, von heute auf morgen meditieren zu müssen, bestimmt in Stress. Es gibt nicht ein Rezept und eine Methode für alle. Daher gibt es auch keine allgemein anerkannten Qualitätskriterien, an die sich Patienten in der Alternativmedizin halten könnten.
Das Können eines guten Alternativmediziners besteht also zunächst einmal darin, herauszufinden, was ein Patient wirklich braucht. Inkompetenz besteht in diesem Punkt darin, mit allen Patienten dasselbe Programm zu absolvieren, weil es auch anderen schon geholfen hat. Aber woher soll ein Patient wissen, ob sein Alternativmediziner genau das mit ihm tut?
Qualität in der Alternativmedizin ist immer, auch für uns, schwer zu erkennen. Was kurzfristig angenehm ist, spüren wir. Aber wir spüren nicht, was uns langfristig guttut. Ebenso wenig spüren wir, was uns langfristig schadet. Wir spüren nur irgendwann die Auswirkungen.
Meistens beginnt alles relativ harmlos: Sie fühlen sich noch nicht wirklich krank, haben aber Beschwerden, deren Ursache weder Sie noch die Schulmedizin genau festmachen können. Also wenden Sie sich an die Alternativmedizin.
Auf diese Weise kommen Patienten in einer ganz entscheidenden Phase ihrer Krankheit zur Alternativmedizin. In dieser Phase ist Heilung meist noch gut möglich. In vielen Fällen ist sie auch mit einfachen Mitteln möglich, die nicht viel medizinisches Wissen erfordern. In manchen Fällen allerdings macht falsche Behandlung durch inkompetente Alternativmediziner in dieser Phase erst recht krank, und schon sitzen die Patienten in der Falle. Denn umso schlechter ihr Allgemeinzustand ist, desto weniger wollen sie die zwar falsche, aber scheinbar wohltuende Behandlung missen. Dabei wird ihre Krankheit wie im Fall von Elisabeth Kemäter schwerer und schwerer.
Klar, dass mit dem Boom der Alternativmedizin auch die Zahl solcher Fallen wächst. Der Boom ist enorm, wie die Zahlen zeigen. In Österreich zeigt er sich am deutlichsten an der Gruppe der Energetiker. Sie bilden hierzulande unter den Anbietern am alternativmedizinischen Markt die größte in Zahlen erfasste Gruppe. Sie umfasst von Ernährungs- und Bewegungsberatung über Bachblüten- und Bioresonanz-Therapie bis zur Interpretation der Aura und Methoden im Grenzbereich zur Esoterik ein weites Spektrum. Im Jahr 2011 gab es in ganz Österreich 15.000 Energetiker, die ihr Gewerbe