Fast Food Diät. Harald Sükar
Verhaltensstörungen und Depressionen bis hin zur Suizidneigung führt. »Achtung, dieses Getränk kann dein Leben kaputt machen«, müsste eigentlich auf jedem Coke-, Orangensaft- oder Apfelsaft-Becher von McDonald’s, Burger King und Co. stehen.
Auch hier bietet uns die Industrie eine Alternative an, die keine ist, oder anders ausgedrückt: Die künstlich gesüßten zuckerfreien Light-Versionen sind mindestens genauso schlecht. In einer von 2009 bis 2019 durchgeführten Langzeitstudie untersuchten Forscher die Trinkgewohnheiten von mehr als 100.000 Menschen. Das Ergebnis: Sowohl die Konsumenten von zuckerhaltigen als auch die Konsumenten von künstlich gesüßten Softdrinks hatten ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine weitere Studie eines internationalen Forscherteams legt nahe, dass auch künstlich gesüßte Getränke das Diabetesrisiko erhöhen. Anders ausgedrückt: Coke Light und Co. sind mit cleverem Marketing unterstützter Selbstbetrug.
EIWEISS
Wir brauchen Eiweiß genauso wie Kohlenhydrate. So weit, so klar. Doch wie bei den Kohlenhydraten geht es auch bei Eiweiß darum: Welches und wie viel? Wer gerne klassische Fast-Food-Restaurants besucht, tut auch in diesem Punkt genau das Falsche. Wieso? Was ist Eiweiß, wie wirkt es sich auf unseren Körper aus, in welchen Nahrungsmitteln ist es drin und an welchem Punkt wird es gefährlich?
Wenn wir Eiweiß über Fleisch, Fisch oder Eier aufnehmen, wandelt unser Stoffwechsel es in Aminosäuren um, die für den Aufbau unserer Muskulatur verantwortlich sind. Eine wunderbare Sache. Die verbreitete Meinung, dass Veganer beim Eiweiß zu kurz kommen, hat sich auch als falsch herausgestellt. Belegt ist, dass Eiweiß zum Beispiel aus Hülsenfrüchten wie Linsen, Erbsen und Bohnen sogar gesünder ist. So etwa zeigte eine groß angelegte Studie der Universität von Cornell und der Northwestern University anhand von mehr als 29.000 Teilnehmern, dass zu viel rotes Fleisch die Sterblichkeit erhöht. Wer auf veganes Eiweiß umsteigt, lebt länger.
Interessant ist auch, was Forscher der University of South Australia herausfanden. Bei der Karamellisierung, zu der es beim Braten und Grillen von rotem Fleisch bei hohen Temperaturen kommt, entstehen Verbindungen, die sich im Körper ansammeln und die normale Zellfunktion beeinträchtigen können. Ganz abgesehen davon, dass die industrielle Fleischproduktion einen wesentlichen Anteil am Klimawandel hat: durch die »Abgase« des Viehs und durch die Rodung der Regenwälder zur Herstellung von Futtermitteln.
Keine Sorge, das wird jetzt keine Predigt für den Fleischverzicht. Fleisch gehört für mich zu einer ausgewogenen Ernährung, bloß müssen wir uns Gedanken darüber machen, welches Fleisch wir essen, wie oft wir es essen, wie es zubereitet ist und wo und wie die Tiere leben.
Diese Gedanken macht sich die Fast-Food-Industrie natürlich nicht. Ihr ist es egal, wie viel Fleisch ihre Kunden essen und dass ihre Art der Zubereitung vielleicht gesundheitsschädlich ist. Sie setzt vor allem rotes Fleisch ein, das sie bei hohen Temperaturen so schnell wie möglich für ihre Kunden zubereitet. Karamellisierung inklusive.
Gäbe es so etwas wie Kostenwahrheit in der Lebensmittelindustrie, also müssten Fast-Food-Ketten für die von ihnen verursachten Gesundheitsschäden aufkommen, wären sie alle allein schon wegen der von ihnen servierten Fleischberge längst alle pleite.
KRANKE FETTE
Fett bedeutet nicht immer gleich Hüftspeck. Es gibt gesunde Fette, die wichtig für unsere Energieversorgung sind. Dabei handelt es sich um ungesättigte Fettsäuren, die vor allem in Lebensmitteln wie Avocados, Erdnüssen und Olivenöl vorkommen.
Die Fast-Food-Industrie bedient sich allerdings einer ungesunden Variante. Sie setzt gesättigte Fettsäuren ein, auch in ihrem liebsten Küchengerät, der Fritteuse. Das American Journal of Clinical Nutrition veröffentlichte eine Studie, die einen Zusammenhang zwischen frittierten Produkten und dem vermehrten Auftreten von Typ-2-Diabetes zeigte. 2017 berichtete das gleiche Journal über den damals erbrachten Nachweis, dass der häufige Verzehr von Pommes Frites in der Version der Fast-Food-Ketten das Sterblichkeitsrisiko erhöht.
ULTRA-KAPUTTE REZEPTE
Fast-Food-Konzerne lagern ständig hunderttausende Tonnen ihrer Produkte, was für sie kaum ein logistisches Problem darstellt, denn die halten scheinbar ewig. Das ermöglichen Zusatzstoffe aus der chemischen Industrie, die McDonald’s, Burger King, Pizza Hut und all die anderen großzügig einsetzen. Dazu kommen alle möglichen anderen Chemikalien, die Farbe, Geschmack und Mundgefühl beeinflussen. Ohne das alles geht es nicht. Ein hübsches McDonald’s-Menü würde sonst schmecken wie Socken-Brei mit Pappe-Flocken. Denn was auf die kleinen rechteckigen (und manchmal auch runden) Tischchen kommt, enthält nicht mehr besonders viel Natur. Anders ausgedrückt: Die Produkte der Fast-Food-Industrie sind sogenannte ultraverarbeitete Lebensmittel.
Die sind nicht zu verwechseln mit verarbeiteten Lebensmitteln, die ihre Eigenschaften in abgewandelter Form behalten. Ultraverarbeitete Lebensmittel stellt die Industrie aus sogenannten abgeleiteten Stoffen her, die für den direkten Verzehr nicht bestimmt sind. Wir essen bei McDonald’s so nette Dinge wie Protein-Isolate, Stabilisatoren, Labor-Aromen, Emulgatoren, Farbstoffe und andere kosmetische Zusatzstoffe. Nur so sind die »Lebensmittel« bei ihrer Herstellung extrem billig, schnell verzehrbar und nahezu ewig haltbar.
Die spanische Universität Navarra brachte 2020 auf der europäischen und internationalen Konferenz für Fettleibigkeit anhand einer neuen Studie regelmäßigen Konsum von ultraverarbeiteten Lebensmitteln mit schwerwiegenden Krankheiten wie Bluthochdruck, Fettleibigkeit, metabolisches Syndrom, Depression, Typ-2-Diabetes und verschiedenen Krebsarten in Verbindung.
Besonders problematisch dabei: Diese Lebensmittel verdrängen meist andere, die wir brauchen würden. Anders ausgedrückt: Statt Vitaminen, Ballast- und Nährstoffen kriegen wir Zucker, Salz und Chemikalien, was auf Dauer nicht gut gehen kann. Besonders ein gesundes Herz braucht gesunde Ernährung.
Die Zutaten eines hausgemachten Gerichtes sind jede für sich genießbar und wahrscheinlich gar nicht einmal so schlecht. Die Zutaten eines typischen McMenüs, nebeneinander aufgereiht, würden wir nicht einmal unseren schlimmsten Feinden zum Verzehr aufzwingen.
SELBER SCHULD?
»Gesund«, das ist bei Lebensmitteln interessanterweise nahezu ein Unwort. Eine Studie ergab, dass sich Menschen von einem Schokoriegel weniger gesättigt und befriedigt fühlten, wenn »gesund« darauf stand, als wenn die Verpackung des gleichen Riegels zum Beispiel mit der Formulierung »mit extra Nüssen« für ihren Inhalt warb.
Doch mich beschäftigte auch die Frage, ob Konzerne das Recht haben, hunderte Millionen Menschen mit ausgefeilter Werbepsychologie zum Verzehr von chemisch aufgemotztem »Junk« zu verleiten und ihren Bedenken so etwas wie eine Alternativlosigkeit gegenüberzustellen: Wenn du das Fast-Food-Erlebnis haben willst, musst du eben zu uns kommen, dann sitzt du zwar bald in der Zucker-Fett-Salz-Falle, aber das ist dann deine eigene Verantwortung.
Wir könnten tatsächlich sagen, dass alle, die das Zeug essen, selbst schuld sind. Was erwarten sie denn? Bio-Huhn in Ein-Euro-Nuggets?
Ich kann das trotzdem so nicht gelten lassen. Wir sollten darauf vertrauen können, dass die Fast-Food-Konzerne und die Zulassungsbehörden für Lebensmittel aus einem Gefühl von Verantwortung handeln. Schließlich können wir uns nicht um alles selbst kümmern. Wozu gibt es ein Netz von Institutionen, das wir mit unseren Steuergeldern finanzieren und das uns die Mühe abnehmen sollte, jedes Produkt genau zu hinterfragen?
Das Dumme ist bloß, dass die Maschen dieses Netzes schon immer zu grob waren und dass die Lobbyisten der Fast-Food-Industrie beharrlich neue Löcher hineinreißen. Es verhindert, dass niemand in einem McDonald’s- Restaurant während des Verzehrs eines Burgers mit violetten Flecken im Gesicht tot umfällt, aber die ebenso schleichende wie gründliche Zerstörung der Gesundheit kann es nicht abfangen.
Wenn ich das mit Freunden und Bekannten bespreche, bekomme ich oft die Rückmeldung, dass sich die Situation in den vergangenen Jahren in diesem Punkt ja doch wohl verbessert hat. Schließlich sei das Gesundheitsbewusstsein und damit